Taiwans IT-Industrie versucht zu diversifizieren

15.06.2000
Asiens größte IT-Show war eine klare Demonstration der taiwanischen Industrie, wohin es in der sogenannten "Post-PC-Ära" hingehen soll: Kaum ein Hersteller, der nicht auf IAs (Information oder Internet Appliances) setzt.

Ei- e neue Halle mit Platz für über 300 zusätzliche Stände, eine klare Aufteilung und strikte Einlassregeln "For Buyers Only" an den ersten vier Tagen haben die Computex 2000 für Aussteller wie Einkäufer zu einem Highlight des Jahres gemacht. So hat die Zahl der ausländischen Fachbesucher gegenüber dem Vorjahr um über 27 Prozent auf mehr als 22.860 zugenommen, wobei auch deutlich wieder mehr "Langnasen", sprich Nicht-Ostasiaten, zu sehen waren. Allein aus Europa waren über 2.800 Aussteller, Einkäufer und Journalisten angereist, wobei Deutsch neben Englisch die häufigste nicht asiatische Sprache zu sein schien. Die größte Auslandsdelegation stellte jedoch abermals Japan mit über 6.200 Einkäufern, gefolgt von Nordamerika mit mehr als 4.200 Fachbesuchern.

Während die Computex sich seit Mitte der 90er Jahre aufgrund von Platzmangel immer mehr zur reinen Taiwan-Messe entwickelt hatte, waren wegen der erweiterten Fläche dieses Jahr mit zehn Prozent der 1.020 Aussteller erstmals auch wieder mehr ausländische Anbieter zu sehen. Zu den prominentesten zählten Intel, Philips, National Semiconductor, Toshiba und Samsung. Damit wurde abermals die Bedeutung der Computex als drittwichtigstes IT-Event des Jahres unterstrichen, obwohl die Ausstellungsfläche mit 45.000 Quadratmetern bei Weitem nicht an die einer Cebit oder Comdex heranreicht. Mathias Molt, Vertriebsbeauftragter von MSI Deutschland, monierte zum Beispiel: "Gemessen an unserem Cebit-Auftritt war unser Stand in der neuen Halle 2, wo sich nur Motherboard-Hersteller tummelten, ein Witz."

IA: Eselsschrei oder echter Zukunftstrend?

Nachdem der PC-Absatz im ersten Quartal 2000 deutlich gesunken ist, setzen immer mehr taiwanische Hersteller auf IAs wie Settop-Boxen, DVD-Player mit Internetzugang, PDAs und andere PC-ähnliche Produkte mit eingeschränkten Funktionen. Vordenker dieser Bewegung, die PC- und Notebook-Hersteller ebenso erfasst hat wie die meisten Motherboardanbieter, ist Acer-Chef Stan Shih, der schon vor drei Jahren erklärt hatte, wohin die Richtung gehen soll: "Unsere Zukunft heißt China." Wie er entdecken immer mehr taiwanische Hersteller den einstigen erbitterten Erbfeind nicht nur als Offshore-Produktionsstätte, sondern auch als Riesenabsatzmarkt.

Auch wenn IAs sich in Europa und Amerika vorerst nicht so gut verkaufen, sind die taiwanischen Hersteller ob ihrer Zukunft dennoch zuversichtlich. Rund 200 Hersteller haben sich schon zu einer "IA Alliance" zusammengetan. Für den Verbandssprecher, den Mitac-Vorsitzenden Matthew F.C Miau, ist es keine Frage: "IAs werden sich durchsetzen, da sie immer mehr Menschen die Möglichkeit bieten, den Sprung ins Internet-Zeitalter zu schaffen." Mehrere Faktoren dürften ihm Recht geben: Einmal hat, als die ersten MP3-Player auf den Markt kamen, auch niemand an deren Zukunft geglaubt. Hinzu kommt die Prognose von Marktforscher IDC, dass in Amerika bis 2005 bereits mehr IAs als PCs abgesetzt werden. Last but not least folgt Taiwans Industrie mit dieser in Europa noch vielfach als neuer Hype oder Eselsschrei belächelten Hinwendung zu abgespeckten PCs auch der wachsenden Beliebtheit von WAP-Handys für den mobilen Zugang ins Internet.

Mehrwertschöpfung ist Trumpf

Auf der Suche nach Diversifizierung geht Taiwans IT-Industrie aber auch noch in eine andere Richtung: Mehrwertschöpfung, von Shih "Innovalue" getauft, durch verbessertes Design und das Vordringen in neue Bereiche wie Highend-Server, ADSL, Wireless-Technologien und LCD-Panels. Zugleich gewinnen Software und Services eine wachsende Bedeutung, denn im allgemeinen Margenverfall versuchen viele Hersteller, sich aus der allzugroßen Abhängigkeit von der reinen Hardwareproduktion zu befreien. (kh)

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