Teamentwicklung ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Führungskräfte

28.11.1997
MÜNCHEN: Während es für den einen schlicht "Toll ein anderer macht's" bedeutet, hat das Phänomen TEAM als "Schlüssel zur Höchleistungsorganisation" in den Führungsetagen der Unternehmen derzeit Hochkonjunktur. Was also macht Teams eigentlich erfolgreich, was zeichnet die Rolle des Teamleiters als "Spielmacher" aus? Und wie lassen sich Teams in Unternehmen akzeptanz- und effinzienzorientiert etablieren?Teams sind kein Selbstzweck! Wenn es einen Erfolgsfaktor gibt, so lautet er: herausfordernde Aufgabe. Ein Team bezieht seinen Existenzzweck aus der Aufgabe, die ihm gestellt wird. Wird dies als Herausforderung empfunden, an der das Team wachsen kann, die es nur gemeinsam bewältigen kann, so findet ein natürlicher Teambuilding-Prozeß statt, der von Beginn an zu Höchstleistungen stimuliert.

MÜNCHEN: Während es für den einen schlicht "Toll ein anderer macht's" bedeutet, hat das Phänomen TEAM als "Schlüssel zur Höchleistungsorganisation" in den Führungsetagen der Unternehmen derzeit Hochkonjunktur. Was also macht Teams eigentlich erfolgreich, was zeichnet die Rolle des Teamleiters als "Spielmacher" aus? Und wie lassen sich Teams in Unternehmen akzeptanz- und effinzienzorientiert etablieren?Teams sind kein Selbstzweck! Wenn es einen Erfolgsfaktor gibt, so lautet er: herausfordernde Aufgabe. Ein Team bezieht seinen Existenzzweck aus der Aufgabe, die ihm gestellt wird. Wird dies als Herausforderung empfunden, an der das Team wachsen kann, die es nur gemeinsam bewältigen kann, so findet ein natürlicher Teambuilding-Prozeß statt, der von Beginn an zu Höchstleistungen stimuliert.

Der Teamleiter als "Spielmacher"

Teamsteuerung als Aufgabe läßt sich locker formulieren, das Doing ist um so anspruchsvoller. So möge sich der potentielle oder tatsächliche Teamleiter folgende Fragen selbstkritisch beantworten:

1) Habe ich ein Kickoff-Meeting durchgeführt, wo ich mit meinem Team die Ziele, Aufgaben, Rollen und Spielregeln geklärt habe?

2) Führe ich mit den Mitgliedern meines Teams regelmäßige Beratungs- und Förderungsgespräche, wo Stärken und Schwächen, künftige Entwicklungsfelder und Qualifizierungsmaßnahmen systematisch erarbeitet werden?

3) Sorge ich dafür, daß Team(teil-) erfolge belohnt und gefeiert werden?

4) Sorge ich für effiziente und effektive Teambesprechungen? Unterstütze und fördere ich eine offene und konstruktiv-kritische Kommunikation?

5) Beachte ich bei meinen Entscheidungen die "Vernetzungen" innerhalb des Teams, das heißt bin ich mir über die Konsequenzen bewußt, die Einzelentscheidungen beim Gesamtteam auslösen?

Läßt sich die "funktionale" Rolle eindeutig aus den Anforderungen ableiten, so begeben wir uns angesichts der Beschreibung der unscharfen "sozialen" Rollen in den Bereich der - wenn auch sozialwissenschaftlich gestützten - Spekulation. Das Konzept der "sozialen" Rolle basiert unter anderem auf Erkenntnissen aus der Gruppendynamik.

So lassen sich als "Grundset" folgende "soziale" Rollen innerhalb eines Teams unterscheiden.

Der Macher verkörpert in der Regel die Handlungs- und Ergebnisorientierung der Gruppe. Seine Stärke liegt vor allem im energetischen Bereich: Er treibt voran, motiviert und schikaniert. Manchmal gehen "die Gäule mit ihm durch", so daß ein Team gut beraten ist, ihm als Ausgleich den Denker an die Seite zu stellen, dessen Qualitäten in der konstruktiv-kritischen Analyse und Reflexion der Aufgaben liegen, die das Team zu bewältigen hat. Seine Stärken liegen vor allem in der Bewertung von Meinungen, Aktionen und der Art und Weise, wie die Gruppe die fachlichen Anforderungen angeht. Vorsicht ist geboten, daß der Denker nicht zu detailverliebt Ideallösungen anstrebt und damit die Ergebnisorientierung ausbremst.

Als weitere soziale Rolle tritt der Zuarbeiter auf: Seine Stärke liegt in der konsequenten und bedingungslosen Loyalität gegenüber dem Team. Aufgaben, die anstehen, werden verläßlich und erwartungsgemäß ausgeführt. Bei ihm kann es jedoch passieren, daß er in Situationen, wo Spannungen im Team auftreten, vor lauter "Überidentifikation" mit der Aufgabe und dem Team notwendige Klärungen von Konflikten vermeidet beziehungsweise sogar verhindert.

Die undankbare "Stärke" des Sündenbocks liegt im wesentlichen in der Blitzableiterfunktion, die diese Rolle für ein Team repräsentiert. Spannungen und Aggressionen, die im Laufe der Zeit auftreten, werden auf sie projiziert und in Form von Frotzeleien und manchem Schabernack im Sinne des Teams "angemessen" durch sie kanalisiert. Indirekt trägt diese Rolle somit zum Zusammenhalt der anderen Teammitglieder bei. Es versteht sich von selbst, daß bei der Rolle des Sündenbocks darauf zu achten ist, daß hier keine Fixierung auf eine Person vorherrscht.

Der Mahner gilt als zweiter "starker" Mann der Gruppe. Er fordert den Macher heraus, provoziert das Team und löst Widerstände aus. Seine Stärke liegt darin, einmal eingeschlagene Wege - seien es Vorgehensweisen oder Lösungsansätze - wieder in Frage stellen zu können. Wird sein Einfluß konstruktiv kanalisiert, so steigert dies in aller Regel die Ergebnisqualität, sollte das Team sich sogar auf dem Weg in eine Sackgasse befinden, entpuppt er sich als existentielle Notwendigkeit.

Zu beachten ist bei ihm, daß er seine Energien immer auch in den Dienst der gemeinsamen Zielerreichung stellt und nicht zum persönlichen Machtkampf mit dem Macher mißbraucht, was im besten Fall zur beiderseitigen Neutralisierung führt, im schlimmsten Fall zur Spaltung des Teams.

Der Ablenker verkörpert den Luftikus innerhalb des Teams. Er sorgt für gute Stimmung und trägt mit seinem spielerisch-lockeren Auftreten dazu bei, daß das Team in verfahrenen Situationen die notwendige Distanz behält, um sich nicht in das Problem immer tiefer zu verbeißen. Häufig führt seine Spontanität und Kreativität zu verblüffenden Sichtweisen, die zu neuen Lösungsansätzen führen. Im Auge behalten muß man seinen Hang, von einem Thema zum anderen zu springen, ohne ersteres bereits - sei es gedanklich, sei es als konkrete Aufgabenbearbeitung - abgeschlossen zu haben. Die anderen Teammitglieder sind dann eher verwirrt und neigen dazu, den Ablenker nicht mehr für "ganz voll" zu nehmen.

Am Beispiel des Sündenbocks sei darauf hingewiesen, daß soziodynamische Prozesse - glücklicherweise - in der Regel verhindern, daß wir Menschen permanent eine Rolle in Reinkultur (er)leben, auch wenn wir sicherlich eine gewisse Affinität zu der einen oder anderen haben. So zeichnen sich beispielsweise reife Gruppen dadurch aus, daß jeder für eine gewisse Zeit die Rolle des Sündenbocks innehat, diese jedoch - ist die persönliche Schmerzgrenze bei einem erreicht - intuitiv zum nächsten wechselt.

In welche "soziale" Rolle sollte Teamleiter schlüpfen?

Der Macher, der begeistert das Team vorantreibt, oder der Denker, der analysierend und reflektierend vor allem die Qualität der Ergebnisse im Auge behält, oder gar der Sündenbock, der als Blitzableiter alle Spannungen des Teams auf sich zieht? Ich meine, daß wir Menschen jeweilige "Komfortzonen" haben, die uns in dem einen "Rollenkostüm" besser ausschauen lassen als in dem anderen. Folgt man jedoch der These, daß jede "soziale" Rolle eine positive Wirkung für das Team beinhaltet, so ergeben sich für den Teamleiter folgende Anforderungen:

Zum einen seinen Blick zu schärfen für die Teammitarbeiter:

Treten einzelne in diesen hier vorgestellten Rollen auf (wenn auch sicherlich nicht in diesen aus didaktischen Gründen aufbereiteten Reinformen)?

Gibt es vielleicht zusätzliche Rollen?

Was muß ich als Teamleiter für den einzelnen tun, um ihn im Sinne des Teamerfolgs zu fördern, aber gegebenenfalls auch zu schützen (man denke nur an den Sündenbock!)?

Zum anderen seinen Blick zu schärfen für die eigene Rolle:

- Welche "soziale" Rolle nehme ich in diesem Team vor allen wahr?

- Wie sehen mich meine Teammitarbeiter?

- Ist es gegebenenfalls notwendig, mein "Rollenkostüm" um eine Facette anzureichern oder gar abzuspecken?

- Muß ich vielleicht sogar eine Rolle etablieren, da sie in meinem Team nicht existiert oder nicht zugelassen wird (man denke nur an den ungeliebten Mahner, der als Advocatus Diaboli dem Team wertvolle Dienste leistet)?

Wie sich Teams akzeptanz- und effizienzorientiert

etablieren...

Fassen wir alle Anforderungen zusammen, so entsteht das Bild des "Spielmachers":

Als Teamleiter sorge ich dafür, daß jeder entsprechend seiner Komfortzone seinen Stammplatz findet. Gegebenenfalls spiele ich an verwaisten Plätzen so gut es geht "Ausputzer". Denn die wesentliche Herausforderung für den Spielmacher lautet: Nicht nur das Team zum laufen zu bringen, sondern auch am laufen zu halten!

Jede Veränderung erzeugt Widerstand! Ein jeder, der bewußt Veränderungen in Organisationen initiiert, ist gut beraten, diese Lebensweisheit zu beherzigen.

Sollten Sie sich entscheiden, sich und Ihre Mitarbeiter als Team zu etablieren, beantworten Sie bitte zuerst folgende Fragen:

1) Was passiert eigentlich, wenn sich nichts ändert?

2) Was ist das konkrete Ziel meines Vorhabens?

3) Was will ich nicht damit erreichen?

4) Was wird sich konkret für die Betroffenen ändern?

5) Wo und wie kann ich die Betroffenen in den Prozeß einbinden?

6) Welche Rolle werde ich in diesem Prozeß einnehmen?

7) Warum gerade so vorgehen und nicht anders?

Für diejenigen, die die Veränderung mittragen sollen - hier: sich künftig als Team begreifen - ist vor allem wichtig zu wissen:

1) Was wird konkret bezweckt? Was ist der Hintergrund?

2) Was ändert sich für mich konkret?

3) Inwieweit lösen sich meine Probleme im Tagesgeschäft?

4) Welche Auswirkungen ergeben sich für meine persönliche Weiterentwicklung?

5) Wie wichtig ist dem Initiator das Vorhaben tatsächlich?

Ist dieser Klärungsprozeß abgeschlossen, lohnt es sich, ein Kommunikationskonzept zu erarbeiten, das die Betroffenen zu Beteiligten macht. Sei es in Form von qualifizierten Gesprächen, sei es in Form eines Workshops - informieren und motivieren Sie die Betroffenen, indem Sie die Antworten zu oben genannte Fragen kommunizieren, diskutieren oder gegebenenfalls sogar gemeinsam erarbeiten.

Empfehlung:

Organisieren Sie für Ihr (künftiges) Team einen gemeinsamen Start - neuhochdeutsch: Kick-Off-Meeting mit folgender Agenda:

- Sinn und Zweck des Teams, Hintergründe der Maßnahme

- Ziele des Teams, erwartete Ergebnisse von "außen"

- Chancen und Risiken für das Team

- Funktionale Rollen innerhalb des Teams

- Spielregeln für die Zusammenarbeit

- Wesentliche Aufgaben und Zeithorizonte

- Gegenseitige Erwartungen: Teamleiter und Teammitarbeiter

Hat sich Ihr Team offiziell etabliert, gilt es, einer mächtigen Kraft entgegenzuwirken: dem Rückfall in alte Denk- und Verhaltensmuster. Was tun? Seien Sie offen für Konfrontation und Auseinandersetzung! Nur die bewußte Auseinandersetzung mit folgenden Fragen,

1) Was läuft gut in unserem Team? Worauf sind wir stolz?

2) Was läuft schlecht in unserem Team? Worüber ärgern wir uns?

3)Was wollen wir künftig anders und besser machen?

die in verbindliche Maßnahmenkataloge mündet, sorgt für Wachstum und Entwicklung - auch wenn es manchmal weh tut.

Desgleichen die Einführung effektiver Teambesprechungen. Nur der sorgfältig getimte "Jour Fix" mit folgender Agenda

1) Stand der Aufgaben: Was ist erledigt, ... offen, ... strittig?

2) Status des Projekts: Wie liegen wir hinsichtlich Zeit, Kosten, Qualität?

3) Weiteres Vorgehen: Was ist von wem, bis wann, mit wieviel Aufwand zu tun?

4) Aktuelles ...

sorgt für Engagement und Leistungsbereitschaft - auch wenn es Disziplin erfordert.

Fazit

Denken Sie bitte daran, nicht Ihre Wünsche, Ihre Visionen, die in ausgefeilte Konzepte münden, gewährleisten langhaltige Richtungsänderungen, sondern die Bereitschaft und Fähigkeit der Betroffenen, die Konzepte umzusetzen.

Je mehr Sie die Betroffenen als Hauptakteure ihrer eigenen Veränderung begreifen, das heißt nicht "motipulieren", sondern dort beteiligen, wo Entscheidungsspielraum besteht, desto höher der Umsetzungsgrad - bis hin zu der (schmerzhaften) Erkenntnis, als verantwortlicher Initiator in der klassischen Rolle als Führungskraft überflüssig geworden zu sein.

*Volker Hische, CSC Ploenzke Akademie GmbH in Kiedrich/Rheingaun

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