Tech-Data-Manager Dürst weist Kritik des Wettbewerbs zurück

31.07.2003
Andreas Dürst, seit 1. März neuer Zentraleuropachef bei Tech Data Europe, hat in den vergangenen vier Monaten bewiesen, dass er ein entscheidungsfreudiger Manager ist: Er krempelt Tech Data Deutschlands Strukturen und Management um und kassierte bereits massive Vorwürfe von Wettbewerbern aufgrund seiner aggressiven Preispolitik im deutschen Markt. Über Ziele und Vorgaben an die Deutschland-Organisation, die Vision einer neuen Tech Data und die Kritik der Konkurrenz sprach Dürst mit den ComputerPartner-Redakteuren Cornelia Hefer und Damian Sicking.

Herr Dürst, dürfen wir mal fragen, von welcher Firma Ihr Anzug ist?

Dürst: Ein geschätzter Partner in der Schweiz, der unter anderem eine Firma besitzt, die Maßanzüge schneidert, hat diesen Anzug angefertigt.

Im Vergleich zur früheren Armani-Fraktion ist das ja nochmal ein Aufstieg.

Dürst: Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich gebe wenig auf Äußerlichkeiten wie Markenkleidung. Kleidung muss zum Anlass passen: Beruflich werden Sie mich auch mal im Hugo-Boss-Anzug antreffen. Am Wochenende aber meistens in Jeans und unrasiert.

Seit Sie in der Baierbrunner Straße residieren, hat dort ein personeller Kahlschlag im oberen und mittleren Management stattgefunden. Haben Sie eigentlich noch mehr getan als Leute entlassen?

Dürst: Ich möchte hier den Eindruck korrigieren, dass es nur darum ging, Mitarbeiter zu entlassen. Seit ich in der Baierbrunner Straße bin, haben wir versucht, die neue Tech Data zu entwickeln. Dazu gehörte es auch, das Feedback von Partnern und Lieferanten auszuwerten. Das Ergebnis dabei war, dass wir wieder näher an die Kunden und den Markt herangehen müssen. Und dabei kam es zu Trennungen von Mitarbeitern. Wenn man ein Unternehmen, das ich als sozialen Organismus bezeichne, wieder nach vorne bringen will, muss man als Manager mit den Mitarbeitern reden und dann entscheiden, wer den neuen Kurs mittragen kann und will. Dabei verstehe ich es als die Pflicht eines Managers, personalpolitisch einzugreifen, wenn es notwendig wird, und zwar top-down.

Stichwort: "neue Tech Data". Was war so schlecht an der alten Tech Data?

Dürst: Habe ich gesagt, das Unternehmen sei schlecht?

Anders gefragt: Hatte Tech Data in Deutschland wirklich nur ein Imageproblem?

Dürst: Nein. Das Unternehmen stand in der Vergangenheit für sehr viel Potenzial. Auch in der Zeit, in der man Tech Data oder Computer 2000 nicht gerade als agil, flexibel oder kundenfreundlich wahrgenommen hat. Logistik und Backoffice haben schon damals einen sehr hohen Qualitätsstandard erfüllt - konzernweit. In den vergangenen zwei Jahren war das Unternehmen aufgrund der Positionierung im Markt - und falscher Entscheidungen für Vertrieb und Marketing - angeschlagen.

Welche Entscheidungen meinen Sie?

Dürst: Wir hatten beschlossen, bestimmte Kundengruppen nur noch über das E-Commerce-Sys-tem zu bedienen. Oder die Zulassung von Neukunden: Hier waren wir ziemlich stur und unflexibel. Dieses Vorgehen hat unser damaliges Image geprägt.

Langfristig ist mit der neuen Tech Data das Ziel verbunden, sich wieder die Spitzenposition in der deutschen Distributionslandschaft zu erkämpfen. Nach verschiedenen Aussagen von Wettbewerbern liegt Tech Data aber derzeit meilenweit hinter Ingram Micro zurück: 50 Prozent weniger Umsatz als Ingram soll Tech Data im ersten Halbjahr erwirtschaftet haben. Herr Dürst, Hand aufs Herz, ist die Spitzenposition nicht nur ein schöner Traum?

Dürst: Habe ich gesagt, in welchem Bereich ich die Spitzenposition für Tech Data Deutschland anstrebe?

Nach Umsatz?

Dürst: Nein. 20 Jahre ist das Unternehmen jetzt im deutschen Markt vertreten. Computer 2000 hat lange Zeit den Takt angegeben. Es war der innovativste Distributor in Sachen Marketing, Vertrieb, Logistik und MehrwertLeistungen. Wenn ich von der Nummer-eins-Position spreche, meine ich das Angebot der Mehrwert-Leistungen für die Partner und die Lieferanten. Der Rest kommt dann von selbst. Uns ist klar, dass diese Zielsetzung sehr ambitioniert ist. In gewissen Bereichen wie zum Beispiel Credit Services besetzen wir bereits die Spitzenposition, in anderen wie dem Vertrieb nicht.

Auf der Cebit haben Sie Tech Datas SMB-Offensive "Tech Select" vorgestellt. Wie wird die Kampagne von Partnern und Lieferanten bisher angenommen?

Dürst: Wir arbeiten jetzt mit rund 400 autorisierten Partnern zusammen und haben Verträge mit zehn Herstellern abgeschlossen (Anm. d. Red.: AVM, Belkin, Cisco, FSC, Lexmark, Logitech, Microsoft, Samsung, Symantec, Toshiba). Tech Data hat hier ein neues Konzept mit Mehrwert-Leistungen in Zusammenarbeit mit den Herstellern präsentiert. Trotzdem ist natürlich nicht alles so einfach und läuft von Anfang an rund. Man braucht Geduld und muss viel Arbeit investieren, dann geht die Saat auf und wächst. Und in dieser Phase sind wir jetzt.

Wettbewerber der Broadline-Organisation werfen der von Ihnen geführten Tech Data eine sehr aggressive Preispolitik vor. Sätze wie "Die Margenvernichtung schadet allen Marktteilnehmern" und "Preiskämpfe gehen auf Kos-ten von Tech Datas Profit" waren zu hören. Außerdem habe das Unternehmen mit seiner Preispolitik keine Marktanteile dazugewonnen. Was sagen Sie dazu?

Dürst: Dass es nicht stimmt. Wir haben die Preise nicht nach unten gezogen. Und wir konnten unsere Profitabilität sogar steigern. Das zeigen die vergangenen Monate. Und das beweist klar, dass Tech Data nicht die Preise für den Gesamtmarkt ruiniert hat. Wir haben mit interessanten Bundles den Markt animiert. Die andere Aktion war, dass wir eine Preisgarantie abgegeben haben ...

... die so genannte "Bestpreisgarantie".

Dürst: Genau. Dieses Angebot für die Händler haben wir korrekt kommuniziert, aber es wurde trotzdem falsch verstanden. Die Bestpreisgarantie funktioniert so: Jeder Partner, der uns ein schriftliches und besseres Preisangebot vom Mitbewerb vorlegt, bekommt bei uns den gleichen Preis, wenn unser Produkt teurer ist. Der Markt hat das so interpretiert, dass Tech Data jeden Preis macht. Trotzdem hat uns diese Diskussion ein Stück weitergebracht.

Weil es Sie wieder ins Gespräch gebracht hat?

Dürst: Wenn wir uns die Resultate der vergangenen vier bis fünf Monate ansehen, konnten wir für unsere Top-Hersteller wieder massiv Marktanteile dazugewinnen. Das ist uns gelungen, weil uns Wettbewerber einfach unterschätzt haben. Und natürlich das Überraschungsmoment: Es hat uns keiner mehr eine so schnelle und aktive Rolle im Markt zugetraut. Jetzt werden die Kanonen wieder geladen, und man schießt auf uns - auch in Bereichen, wo es weh tut.

Welche Bereiche meinen Sie?

Dürst: Dort, wo wir große Umsatzvolumina absetzen und noch Geld verdienen. Da werden wir jetzt angegriffen. Was wir uns gerade erarbeiten, ist der Reflex, sofort zurückzuschlagen, wenn das passiert. Ich suche zwar nicht unbedingt den Kampf, denn das schadet uns allen, aber wenn wir attackiert werden, soll es im Gegenzug auch die andere Seite zu spüren bekommen.

Ihr neuer Frontoffice-Geschäftsführer von Tech Data Deutschland ist Marcus Adä, der bisher dem Value Added Distributor TD Midrange als Geschäftsführer vorstand. Das wäre nach unserer Erinnerung das erste Mal, dass ein solcher Wechsel - von einem Value Added Distributor zu einer Broadline-Organisation - erfolgreich wäre.

Dürst: Sie müssen halt die Welt immer wieder neu erfinden. Ich selbst habe beispielsweise zwölf Jahre für amerikanische Hersteller gearbeitet und bin dann in die Distribution gewechselt. Das hat viel Energie und Kampfgeist ge-kostet. Ich will damit sagen, es kommt nicht darauf an, was man in der Vergangenheit gemacht hat, sondern welches Potenzial ein Manager mitbringt und wie er in das Unternehmen reinpasst, dass er leiten soll. Marcus Adä hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er flexibel ist, als sympathisch wahrgenommen wird, er kann sich in Menschen, Organisationseinheiten und Kampfsituationen hineinversetzen. Und er bringt auch den erforderlichen Kampfwillen mit. Wenn wir jetzt eine neue und unkomplizierte Tech Data aufbauen, dann brauchen wir eine Führung, die genau das vorlebt.

Sie haben ja in den nächsten Monaten noch eine Menge Jobs zu vergeben. Gibt es bereits einen Nachfolger für Adä bei Midrange?

Dürst: Als Geschäftsführer der Tech Data Deutschland ist Adä auch verantwortlich für Midrange. Aber wir haben hier eine Lösung vor Augen, die wir in den nächsten zwei Wochen bekannt geben werden.

Marc Müller wird in unternehmensnahen Kreisen als Midrange-Kronprinz gehandelt.

Dürst: Ich habe gehört, es laufen bereits Wetten über verschiedene Kandidaten. Mehr kann ich heute dazu nicht sagen.

Mario Stollmeiers Job als Vertriebsdirektor ist auch noch frei.

Dürst: Ich möchte hier keine verspäteten Vorwürfe äußern, aber gerade im Bereich Vertrieb und Marketing haben wir in den vergangenen zwei Jahren nicht immer den besten Job gemacht. Wir haben bereits Manager für diese Position in der Pipeline und könnten die Verträge morgen unterzeichnen. Wir lassen uns aber noch Zeit, weil der Sales neu definiert werden soll. Wir sprechen nicht von einer kompletten Erneuerung. Was gut funktioniert, wird auch so bleiben. Außerdem soll Herr Adä an der Entscheidung beteiligt werden. Ihm jetzt irgendwen als Vertriebschef reinzusetzen wäre schließlich nicht fair.

Wann wird es so weit sein?

Dürst: Wahrscheinlich im September.

Über die künftige Ausrichtung von Tech Data gibt es verschiedene Spekulationen in der Branche. Die einen vermuten, dass TD Midrange mehr und mehr in der Broadline-Organisation aufgeht. Die anderen meinen dagegen, dass Tech Data auf dem Weg zum Value Added Distributor ist. Dafür spräche die Azlan-Akquisition. Welchen Weg wird Tech Data tatsächlich einschlagen?

Dürst: Wir werden beides sein: Broadliner und Value Added Distributor. Aber nicht beides in einem Unternehmen, sondern beides im Tech-Data-Konzern. Mit der Azlan-Akquisition haben wir ein klares Zeichen gesetzt, dass wir den Value-Added-Bereich stärker ausbauen werden. Gleichzeitig werden wir die Broadline-Organisation noch effizienter gestalten. In einem Segment, in dem der Preis vom Markt diktiert wird, streben wir klar die Kostenführerschaft an. Das heißt, höchs-te Profitabilität, Innovationskraft und Arbeitsplatzsicherheit für unsere Mitarbeiter.

Kurz zurück zu Azlan: Wie weit ist Tech Data hier, was die Integration angeht?

Dürst: Integration ist nur in den Bereichen geplant, wo sie auch Sinn macht, nämlich hinter den Kulissen: zum Beispiel in der Logistik, im Marketing oder im Backoffice-Bereich. Die Produkte absetzen werden wir weiterhin über zwei Organisationen. Denn hier steht der Kunde im Mittelpunkt. Es soll ihm frei stehen, wo er einkauft. Wir werden die Siegertrophäe schließlich nur bekommen, wenn wir es schaffen, dass die Mitarbeiter motiviert sind und im Unternehmen bleiben. Für Deutschland werden wir mit Tech Data, Midrange und Azlan ab Oktober ein Gebäude teilen, was die gesamte Kommunikation enorm vereinfachen wird.

Neben dem Umzug steht den Deutschland-Organisationen ja noch die SAP-Einführung im vierten Quartal bevor.

Dürst: Nein, erst im nächsten Jahr. Denn wir können nicht alles gleichzeitig machen.

Heute war in den Zeitungen zu lesen, dass es mit der deutschen Wirtschaft wieder bergauf gehe. Was meinen Sie dazu?

Dürst: Ich bin zwar privat ein unglaublicher Optimist, aber ein Realist, wenn es ums Geschäft geht. Und da müssen schon sehr starke Indizien auf den Tisch kommen, bevor ich aufstehe und rufe: "Hurra, das Blatt wendet sich". Und ich persönlich glaube nicht, dass die große Trendwende bereits in Sicht ist.

Wie Sie uns das letzte Mal sagten, verbringen Sie derzeit Ihre Fünf-Tage-Woche komplett in der Baierbrunner Straße. Wann planen Sie denn wieder auszuziehen?

Dürst: Am 29. September 2003 ... (lacht).

Tech Data: Robert Gatz übernimmt die Marketingleitung

Ab 1. August wird Robert Gatz (46) als Marketing-Director die Gesamtverantwortung für das Produktmarketing sowie das Business Development bei Tech Data Deutschland übernehmen. In dieser Funktion berichtet er direkt an den neuen Geschäftsführer Marcus Adä.

Als Director of Volume Business Marketing wird ihm Caroline Jacobi, die dem Konzern seit mehr als sieben Jahren angehört, mit der Verantwortung für das Volume Business zur Seite stehen. Das Value-Business mit den Geschäftsbereichen CAD, Networking und Storage, Software und Lizenzen soll Gatz direkt führen. Gatz kann auf eine mehr als 20-jährige Erfahrung im IT-Bereich zurückblicken. Zu seinen bisherigen Arbeitgebern zählen beispielsweise die Computer 2000 AG und die Autodesk GmbH. Zuletzt stand er bei Commerce One als Direktor Marketing Emea in Lohn und Brot. (bw)

www.techdata.de

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