Tech Data: Neuer Zentraleuropa-Chef greift in Deutschland-Geschäft ein

10.04.2003
Tech Data Deutschland arbeitet derzeit an einem Kampfplan für das laufende Geschäftsjahr 2003/04. Als "interner Berater" hat dafür Andreas Dürst, neuer Senior Vice President für Zentraleuropa, seine Zelte in der Baierbrunner Straße in München aufgeschlagen und startete bereits mit erneuten Aufräumarbeiten. Erste Veränderungen betrafen Produktmarketing und Einkauf.

Lange gewartet hat Dürst mit seinem Einzug in die Baierbrunner Straße nicht. "Für drei bis vier Tage in der Woche" hat der Schweizer den Konferenzraum im dritten Stock, der Geschäftsführungsetage bei Tech Data Deutschland, bezogen. "Der deutsche Markt macht 50 Prozent vom Gesamtumsatz in Zentraleuropa aus. Also ist es logisch, dass ich an der Deutschland-Organisation ein besonderes Interesse habe", erklärt er.

Die Frage, ob sein Einzug denn was mit Umsatzrückgängen und Problemen der Broadline-Organisation zu tun habe, beantwortet der Manager nur ausweichend: "Wir sind hier die klare Nummer zwei. Vielleicht haben wir die Schwächen der Wettbewerber im vergangenen Jahr nicht gut genug ausgenutzt. Auf jeden Fall ist hier noch ungenutztes Potenzial vorhanden."

Klares "Ja" zur Geschäftsführung

Also wird bei Tech Data Deutschland - mit Beratung von Dürst - ein so genannter Kampfplan für das neue Geschäftsjahr 2003/04 ausgearbeitet. Wirklich griffig klingt das Konzept noch nicht: Die interne Kundensegmentierung soll neu gestaltet werden; strategische und damit profitable Lieferantenbeziehungen werden auf weiteren Ausbau analysiert.

Dürst will seine beratende Funktion in der Deutschland-Zentrale aber nicht als Kritik an Geschäftsführer Martin Furuseth verstanden wissen. Auf die Frage, ob die Tech-Data-Deutschland-Geschäftsführung sein uneingeschränktes Vertrauen genieße, antwortet der Schweizer deutlich: "Ja, natürlich!"

Dennoch hat Dürst mit den ers-ten Entscheidungen nicht lange gewartet. Produktmarkting (PM) und Einkauf wurden neu organisiert. Den erst vor rund einem Jahr eingestellten Produktmarketing-Direktor Michael Schüller hat das Unternehmen vor die Tür gesetzt. Die offizielle Version lautet: Er habe Tech Data "aus persönlichen Gründen verlassen". Künftig übernimmt Furuseth Schüllers Job: Denn beide Abteilungen - PM und Einkauf - sind jetzt dem Frontoffice zugeordnet und berichten direkt an den Vertriebs- und Marketing-Geschäftsführer. Vorher trug das Backoffice die Verantwortung für den Einkauf.

Branchenkenner spekulieren bereits seit Montag vergangener Woche, dass mit dieser Veränderung wieder Entlassungen bei Tech Data auf dem Plan stünden. Dürst dementiert: "Wir haben das im Februar begonnene Rightsizing beendet. Der Prozess ist abgeschlossen, und derzeit planen wir keinen weiteren Personalabbau" (siehe ComputerPartner 07/03, Seite 43). Allerdings schränkt er ein: "Wir werden natürlich weiterhin die Absatzsituation genau beobachten und dementsprechend reagieren - wie Wettbewerber auch."

Während Tech Data Deutschland unter genauer Beobachtung des neuen Zentraleuropa-Chefs steht, lobt er die Value-Added-Tochter TD Midrange: "Die Mannschaft hat ein sehr gutes vergangenes Geschäftsjahr hingelegt." Er bestätigt zwar nicht direkt ein schwarzes Ergebnis des VADs, meint aber: "Die Margen im High-end-Segment von TD Midrange sind weit besser als in der Broad-line-Distribution." Tech Data habe in den nächsten Monaten "einige Ideen, um das Geschäft mit der Value-Added-Tochter auszubauen", ergänzt der Schweizer vorsichtig. Trotz der lobenden Worte haben Midrange-Kunden die Änderung der Unternehmensrechtsform in die Tech Data GmbH & Co. OHG kritisch beobachtet (siehe ComputerPartner 14/03, Seite 41). So mancher fürchtete um die bisher getrennten Kreditlinien bei dem Broadliner und dem VAD. Dürst: "Midrange und die Broad-line-Organisation werden weiterhin getrennt im Markt operieren. Für eine Zusammenführung wären die Kunden, die Produkt-Port-folios und die Logistik viel zu verschieden." Die Änderung basiere in Deutschland und der Schweiz auf rein "steuerlichen Vorteilen" für die US-Mutter.

Auch bei der jetzt abgeschlossenen Azlan-Übernahme setzt das Unternehmen - zumindest vorerst - auf Selbstständigkeit. "Wir werden Azlan vorderhand als autonomen Brand in Europa weiterführen. Das Unternehmen bewegt sich im Highend-Netzwerkmarkt, während Tech Data eher den Lowend-Bereich adressiert", erklärt Dürst auf die Frage nach Überschneidungen der Distributoren. Denn auch die Tech-Data-Broadline-Organisa-tion hat eine eigene Netzwerkabteilung auf Landes- und Europa-Ebene.

www.techdata.de

ComputerPartner-Meinung

Eine Frage drängt sich nach dem Gespräch mit dem neuen Zentraleuropa-Chef auf: Warum braucht der Broadliner einen (internen) Berater, der Strukturen und Prozesse analysiert? Wenn es nach eigener Aussage nicht an den Umsatzrückgängen der Deutschland-Organisation liegen soll? Als Ziel nennt Dürst: künftig Hauptwettbewerber Ingram Micro stärker auf die Füße zu treten. Das heißt, bei den Dornachern Umsätze abgreifen. Bislang ist das eine bloße Ankündigung: Denn das entsprechende Konzept, wie das erfolgreich gelingen soll, ist derzeit nicht erkennbar. (ch)

Who's who: Andreas Dürst

Als dankbaren Job kann man die neue Position des Schweizer Managers Andreas Dürst nicht bezeichnen. In den vergangenen zwei Jahren bekam der jeweilige Zentraleuropa-Chef - neben seiner Verantwortung für die DACH-Region, Polen und Tschechien - den eisernen Besen in die Hand gedrückt, um Tech Data Deutschland wieder auf sichere und profitable Beine zu stellen. Auch Dürsts Vorgänger, der Däne Henrik Funch, bildete da keine Ausnahme.

Funch hat den US-Broadliner Anfang Juli vergangenen Jahres verlassen. Bis zum 1. März 2003 blieben sein Schreibtisch und die Position verwaist. Europa-Chef Graeme Watt übernahm die Aufgaben interimsweise. Seit rund fünf Wochen trägt Dürst jetzt den sperrigen Titel Regional Senior Vice President Central Region Tech Data Europe und damit die Verantwortung für die beiden deutschen Gesellschaften (TD Midrange und Tech Data Deutschland). Bereits vor seiner Beförderung spekulierten Branchenkenner, dass Tech Data seine Führungsmannschaft auf Europa-Ebene verstärken muss, um den Anforderungen - auch personell - der Azlan-Übernahme gewachsen zu sein. In seinem neuen Job berichtet Dürst direkt an Europachef Watt.

Der Schweizer hat nach eigener Aussage "die IT von der Pike auf gelernt". In den vergangenen drei Jahren leitete Dürst als Managing Director die Tech-Data-Niederlassung in der Schweiz und schaffte in dieser Zeit den vorgegebenen Turnaround. Davor stand er bei Unternehmen wie Lucent und Digital Equipment auf der Gehaltsliste. (ch)

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