Techniker im Vertrieb, das geht nicht - oder ?

19.02.2004
Die Devise für 2004 heißt: die Vertriebsleistung steigern, den Kunden in den Mittelpunkt stellen, den Vertrieb zu mehr Leistung motivieren und die Techniker in den Vertrieb einbinden. Kurz, alles was mit Kunden zu tun hat, muss vertriebsorientiert denken und handeln, meint Ulrich Schappach.

Früher lief der Vertrieb, indem mit der Schrotflinte in den Markt geschossen wurde und man sich sagte: Mal sehen, was wir getroffen haben. Das funktionierte auch irgendwie, es waren ja gute Zeiten, und jeder bekam etwas ab. Unter schlechteren Rahmenbedingungen aber geht das nicht mehr so einfach.

Die erste Reaktion ist, den Vertrieb zur Höchstleistung zu bringen. Dieses Vorhaben ist jedoch nicht einfach, da in unseren Zeiten angesichts gebremster Investitionen und eingefrorener Budgets auch hart verpackte Vertriebler schnell verschleißen.

Was tun? Man kann die Vertriebsmannschaft zu einem teuren Verkaufstraining schicken. Hier lernt man, wie man Kunden fängt: durch Stimmmodulation, motiviertes Gehabe oder das Stellen von vermeintlich trickreichen Fragen. Wenn der Einkäufer auf dem Gegenlehrgang war oder einfach nicht will, bringt dieses Training auch nichts. Abgesehen davon, dass manche der "Spitzenverkauf-Trainings" einen guten Verkäufer zum gespreizten Verkaufsgockel mutieren lassen.

Man sollte über den Vertriebstellerrand hinausschauen und Schwachpunkte wie auch Stärken in der gesamten, den Vertrieb tangierenden Organisation suchen. Es können Kleinigkeiten sein, die den Vertrieb hemmen: eine unfreund-liche Reklamationsbehandlung, eine launische Sekretärin, ein inkompetenter Kollege oder ein mürrischer Techniker. Eine gezielte Stärken-Schwächen-Analyse hilft hier weiter.

Probleme werden unter den Teppich gekehrt

Meistens wird dem Verkäufer oder dem Geschäftsführer von dem betreffenden Kunden nichts gesagt, weil Fehlverhalten in der bekannten Servicewüste als normal erscheint. Es wird einfach der Lieferant gewechselt, es gibt ja genug.

Traditionell orientierte japanische Manager sehen den Geschäftsbetrieb als Kampf und den Wett-bewerb als Gegner. Unter dieser Betrachtungsweise sollten man Vertriebsmitarbeitern motivierte Hilfstruppen zur Seite stellen. Dies sind alle Personen, die direkt und indirekt mit dem Verkauf zu tun haben.

Direkt nach dem Verkäufer kommen der Servicetechniker, der Fahrer, der die Ware bringt, die Hotline, die Fragen beantwortet, der Trainer, der die Einweisung vornimmt. Dies variiert je nach Firmengröße. Oft ist diese Kette kürzer, manchmal länger. Dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Bedeutung.

Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied

Der Schlüssel der Steigerung heißt Gesamtperformance. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Computerhersteller werben mit immer neuen Prozessoren. Der Computerfreak freut sich und möchte immer das neueste Modell, da es vermeintlich leistungsstärker ist. Ein verantwortungsbewusster Entwicklungsingenieur baut aber nicht nur den neuesten Prozessor ein, er achtet beim Design auch auf die Gesamtperformance. Nach dem Motto "Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied", sorgt er dafür, dass die Prozessorleistung unterstützt wird, beispielsweise durch einen schnellen Datenbus, ausreichend Speicher durch einen Co-Prozessor, der den Hauptprozessor bei seiner Arbeit unterstützt, oder eine schnelle Festplatte.

Hier haben wir nun exakt unsere Firma mit dem Vertrieb an der Spitze und einem möglichen Co-Vertrieb beschrieben. Lassen wir den Vertriebsprozessor ohne Unterstützung bei voller Leistung laufen, dann wird er irgendwann versagen; da hilft auch keine Wasserkühlung.

Das wichtigste Element ist der Co-Prozessor, in unserem Fall der Servicetechniker. Er steht direkt hinter dem Vertrieb und kann den Verkaufserfolg wesentlich beeinflussen: Er kann ihn hemmen durch Unfreundlichkeit und mangelnde Kompetenz. Er kann ihn aber auch forcieren durch Freundlichkeit und der Qualität seiner Arbeit.

Er kann aber noch viel mehr. Der Techniker ist ständig beim Kunden. Seine Sicht als Techniker ist bis jetzt fokussiert auf das gemeldete Problem und seine Behebung. Man kann ihn aber auch auf Kundenbedürfnisse sensibilisieren. Das können Ergänzungsprodukte, Schulungen, Upgrades und Software, aber auch Gesamtlösungen sein.

Im Gegensatz zum Verkäufer muss der Techniker keine Blockaden überwinden. Sofern er seine Arbeit macht und freundlich ist, ist er als Berater gut angesehen: "Er will ja nicht verkaufen." Trotzdem - oder gerade um diesen Vorteil nicht zu verspielen - muss behutsam vorgegangen werden.

Überlegter Paradigmenwechsel ist notwendig

Der Techniker muss geschult werden, er muss lernen, innerhalb seiner primären Rolle zu beobachten und Kundenbedarf zu erkennen. Er darf auf keinen Fall in die Druckverkäuferrolle verfallen. Er muss den Kunden vorsichtig aufklären, beraten und den Bedarf an den Verkauf weitermelden.

Der Techniker sollte nicht zu eigenen Abschlüssen berechtigt sein, außer das Vertriebskonzept sieht dies vor. Vielmehr sollte er eine "Tipp-Provision" erhalten, um entsprechend motiviert sein.

Er wird sich dann auch eigene Gedanken machen, neue Kunden suchen, eigene Ideen entwickeln oder zumindest konstruktiv den Vertrieb mitgestalten.

Vertrieb sollte aufgestockt werden

Wirklich gute Vertriebsmitarbeiter sind heutzutage nur schwer zu bekommen. Mit etwas Glück stellt das eine oder andere unentdeckte Naturtalent fest, dass ihm der Verkauf Spaß macht. Dann kann man nur noch gratulieren, man hat einen motivierten Vertriebsmitarbeiter, der etwas von seinem Produkt versteht.

In diesem "Sub-Vertrieb" liegen die zurzeit größten Wachstums-potenziale, aber auch Gefahren, wenn diese falsch angegangen werden.

Das Motto "Wir sind doch nicht doof" stimmt dahingehend, dass der Kunde spürt, wenn ihm etwas angedreht wird. Der vorhandene Außendienst sollte eingebunden werden, damit keine kontraproduktive Konkurrenz entsteht. Es sollte deshalb ein Konzept erstellt werden, und die Beteiligten müssen irgendwann eine Schulung erhalten.

Ulrich Schappach war 1980 einer der ersten Apple-Händler in Deutschland, leitete 20 Jahre lang ein Systemhaus und betreibt nun die Unternehmensberatung Schappach-Marketing.

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