Tele-Aktien: Branchenwachstum intakt, aber Kurse sind zu hoch

22.06.2000
Bei den Telekommunikations-Papieren ist eine Reihe neuer Spielregeln zu beachten. Die Chancen sind gegenwärtig nicht besonders üppig. Das gilt auch für die dritte Emission von T-Aktien, die seit Montag notiert werden.

Unerfreulich aus Sicht der Anleger war der hohe Preis, den die britische Regierung bei der Auktion ihrer UMTS-Lizenzen (Universal Mobil Telecommunications Systems) erzielt hat. Denn das hat auch bei den Regierungen anderer Länder Begehrlichkeiten geweckt. In den Jahren1989 und 1993 vergab der Bund die Lizenzen für die D- und E-Netze noch für schlappe fünf Millionen Mark Verwaltungsgebühr. Jetzt rechnen Experten für die deutsche UMTS-Lizenz mit Preisen zwischen sieben und zwölf Milliarden Euro. Angesichts dieser enormen Kosten bekamen Investoren kalte Füße. Nach der ersten Euphorie über die Möglichkeiten des neuen Standards wurde ihnen schlagartig klar, dass der Eintritt in die schöne neue Mobilfunk-Welt riesige Investitionen erfordert. Das verlangt von den bei der Versteigerung zum Zug kommenden Gesellschaften erhebliche finanzielle Klimmzüge.

Rentabilität erst in fünf Jahren absehbar

Das Wachstumstempo und die Rentabilität dürften aber erst in fünf Jahren wirklich absehbar sein. So wird das Mobilfunkgeschäft der Telekom-Gesellschaften neuerdings niedriger bewertet. Die Tele-Papiere leiden seit März/April an dem generell unsicheren Börsenumfeld und der nachlassenden Internet-Euphorie. Auch nimmt die Risikolust der Anleger, die die hohen Bewertungen der Telekom-, Medien- und Technologietitel (TMT) herbeigeführt hat, neuerdings spürbar ab. Daneben geht bei den Börsianern und Anlegern die Furcht vor steigenden Zinsen um, was dem Technologiebereich letztendlich schadet.

An den Börsen sehen in Phasen der Entzauberung berufsmäßige Geldverwalter und Analysten jetzt ganz genau hin. Festnetz? Ein Geschäft mit schmalen Margen. Internet? Wer weiß, was davon Gewinne bringt und wann. Fusionen? Eher enttäuschend. Die Vodafone-Aktie ging nach der Mannesmann-Übernahme von 400 auf 240 Pence zurück. In den USA zieht sich der Merger MCI Worldcom und Sprint mühsam dahin. In Europa wirkte das gescheiterte Zusammengehen von Telefonica (Spanien) und KPN (Holland) negativ auf die Notierungen.

Zwar ist der TK-Sektor noch immer die stabilste Wachstumsbranche, deren Umsätze jährlich sieben bis zehn Prozent zulegen. Allerdings haben die Aktienpreise dies ausgiebig vorweggenommen.

Der europäische Sektor bleibt im Vergleich zu seinem amerikanischen Gegenstück relativ teuer. Der Aktienkurs eines durchschnittlichen europäischen Telekomunternehmens ist seit Anfang 1998 um 90 Prozent geklettert. In den USA lag die Steigerung bei nur zehn Prozent. Gesamt hat das Aktiensegment seit seinem Höchststand am 6. März dieses Jahres rund 35 Prozent an Wert eingebüßt.

Im Vergleich zu früher sind die Tele-Papiere spekulativer geworden. Noch vor vier Jahren wurden sie in erster Linie unter dem Aspekt der hohen Dividenden gekauft. Auch die Deutsche Telekom hob dies bei ihrem ersten Börsengang 1996 besonders hervor. Inzwischen ist die Dividendenrendite fast ohne Belang, weil alle diese Papiere den begehrten Internetappeal haben. Das bedeutet jedoch, dass sie wesentlich höheren Schwankungen unterliegen und nicht mehr als die "sicheren Anlagen" von einst betrachtet werden können.

Hinsichtlich der Bewertung haben die Aktienexperten hohe Maßstäbe im Blick. Entscheidend im Wettbewerb sind die eigene starke Internet- und Mobilfunk-Marke sowie ein schlüssiges internationales Geschäftskonzept, das langfristig trägt. Außerdem ist vermutlich mit Inhalten zukünftig mehr Geld zu verdienen als mit der Bereitstellung der Netz-Infrastruktur. Interessant sind daher Allianzen mit Medienkonzernen, die ihre Inhalte auch über Handy verbreiten. Hier setzen die UMTS-Optimisten an. Sind die Lizenzen erst einmal vergeben, dürfte auch das Fusionskarussell wieder in Schwung kommen und die Aktienkurse liften. Auf der Suche - und noch nicht so richtig fündig geworden - ist die Deutsche Telekom. Eventuell zu haben, ist (wieder) die Telecom Italia.

Analysten bewerten Tele-Aktien positiv

Angesichts der vielen Einwände ist die Stimmungslage für die Tele-Papiere bei den Analysten erstaunlich positiv. Bei der Deutschen Telekom raten 27 Experten bei Kursen der alten Aktien von 55 bis 60 Euro zum Kauf, 17 stimmen für Halten, und nur acht raten zum Verkauf des Papiers. Die Ziffern für andere europäische Größen sind wie folgt: British Telecom: (Kurs 890 pence, Empfehlungen 27-8-2); France Telecom: (Kurs 150; 22-18-1); Telecom Italia: (Kurs 14; 20-14-3-); KPN: (Kurs 90; 27-17-2). Am günstigsten ist die Empfehlungslage für die spanische Telefonica bei Notierungen um 22 Euro (43-1-1). Gelobt wird der Ausbau der Medienbeteiligungen und Kooperationen (Endemol, Pearson, Bertelsmann). Der Erwerb des Portals Lycos ist strategisch wertvoll. Der kräftig wachsende Markt in Lateinamerika, wo die Spanier seit jeher stark vertreten sind, bringt Telefonica zusätzliche Pluspunkte. (kk)

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