Telecom 99

28.10.1999

GENF: Sie findet nur alle vier Jahre statt - die Telecom. Für den Veranstalter ist sie eindeutig die weltweit größte Messe in Sachen Telekommunikation. Aussteller und Besucher sind darüber geteilter Ansicht. Denn mit einem vierjährigen Zyklus verschläft die Telecom im schnellebigen TK-Geschäft ganze Generationen, und der Messestandort Genf ist mit dem Besucherandrang überfordert.Etwa 129.000 Besucher mußte Genf dieses Jahr verkraften. Dies ist im Vergleich zu anderen Messen nicht gerade viel, dennoch waren kaum Taxis zu bekommen, und die Geschäftsleute mußten täglich teilweise über 200 Kilometer Anfahrt zurücklegen, um sich über die neuesten Entwicklungen im Telekommunikationsmarkt zu informieren. Der Grund: Es gab trotz astronomischer Preise keine Hotelzimmer mehr.

Mehr als 1.140 Aussteller präsentierten im Palexpo ihre Produkte und Dienstleistungen. Doch die Resonanz war verhalten - viele Aussteller waren enttäuscht, denn "wirklich viele Geschäftsabschlüsse hat es nicht gegeben". Die Telecom scheint eher eine Kontaktmesse zu sein - man sieht und wird gesehen.

Grosse Übernahmen im Hintergrund

Ein paar Marktbewegungen fanden während der Telecom 99 dennoch statt. France Telecom gab den Kauf von E-Plus bekannt. Die bisherigen Eigner RWE und Veba wollen für ihre Anteile 14,4 Milliarden Mark haben.

Mannesmann dagegen kauft sich für rund 50 Millionen Mark den britischen Mobilfunkbetreiber Orange. Außerdem hat die Mannesmann AG die Internet-Gesellschaft Impulsis gegründet, die internationalen Kunden auf der Basis des Internet-Protokolls Dienstleistungen anbieten will. Geplanter Umsatz bis zum Jahr 2004: 500 Millionen Euro. Neben den Sensationsmeldungen spielten vor allem drei Themen auf der Telecom 99 eine Rolle. Zum einen wurden neue Zugangstechniken vorgestellt - maßgeblich für die Eroberung der Ortsnetze, der sogenannten letzten Meile. Des weiteren gingen fast alle Neuheiten weg vom Sprach- und hin in Richtung Datentransfer und vollständige Verfügbarkeit der Dienste. Nach Einschätzung der Großen wird innerhalb der nächsten Jahre der Datentransfer rund 50 Prozent des gesamten Übertragungsvolumens ausmachen. WAP (Wireless Application Protocoll) und GPRS (General Packet Radio System) hießen hier die am häufigsten verwendeten Schlagworte.

Michael Capellas, CEO des IT-Herstellers Compaq, prophezeite einmal mehr, daß Telekommunikation und Informationstechnik gerade im Begriff seien, miteinander zu verschmelzen. Capellas malte eine Zukunft aus, in der die Menschen ununterbrochen online seien. Miniatur "Handyrechner" in der Hosentasche seien dann die Schnittstelle zum Netz - immer und überall. Die größten Chancen sehe er bei dieser Entwicklung allerdings nicht für die Telekommunikationsunternehmen, sondern eher für die IT-Branche, denn hier werde die Neudefinition des PCs in Angriff genommen.

Sechs Millionen Mark Exportüberschuss

Der ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie) sieht die Lage ein wenig anders - zumindest für Deutschland. In diesem Jahr erwirtschaftete die Telekommunikationsbranche einen Exportüberschuß von sechs Millionen Mark. Der deutsche Markt für Kommunikationdienstleistungen und Kommunikationstechnik legt voraussichtlich in diesem Jahr ebenfalls um rund sechs Prozent zu und erreicht damit ein Umsatzvolumen von 105 Millionen Mark. Der Markt der Telekommunikation habe bei der Konvergenz mit IT über 50 Prozent Anteil.

Die Telecom allerdings wird die Weiterentwicklung der Neuheiten, die dieses Jahr in ihren Hallen zu sehen waren, verschlafen. Denn die nächste Ausstellung wird erst wieder im Jahr 2003 an den Start gehen, und wer weiß, ob es die Bezeichnung Telekommunikation bis dahin überhaupt noch gibt. (gn)

Der Besucherandrang in den Hallen der Telecom war meist übersichtlich - ganz im Gegensatz zu dem Andrang vor den Hallen, der den Genfer Verkehr zum Kollabieren brachte.

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