Teles verhandelt nicht nur mit "Mister Apple" Horlitz

10.01.2002
Der im August 2001 angekündigte MBO (Management-Buy-out) des AppleHändlers Gravis AG gerät ins Stocken. Der Berliner Internet-Service-Provider Teles schlug ganze zehn Prozent der Gravis-Aktien los. Doch der Apple-Händler istbegehrt. Schon haben zwei weitere Interessenten in Berlin angeklopft.

Die Banken haben die Hosen gestrichen voll." Der das sagt, heißt Archibald Horlitz, ist Gründer des Apple-Händlers Gravis AG, und er hat ein Problem. Er will Gravis zurückkaufen, doch dazu fehlt ihm das Geld. Jedenfalls in ausreichender Menge. Sonst hätte er bereits mehr als zehn Prozent der nicht börsennotierten Gravis AG-Anteile zurückgekauft und müsste jetzt auch nicht befürchten, dass andere, zum Beispiel die Cancom AG, um die freien Anteile feilschen.

"Was wir nicht machen wollen, ist, bei den heutigen Marktverhältnissen Gravis auf Biegen und Brechen rauskaufen", schildert Horlitz sein momentanes Unglück. Dass aber der Markt sich in diesem Jahr deutlich ändern wird, sodass Banken wieder auf IT-Firmen setzen, fällt ihm schwer zu glauben: "Die Kapitalgeber wollen wissen: Wie kriegen wir unser Geld mit guter Verzinsung wieder zurück?"

"Die Fristen sind verstrichen"

Dabei war alles anders geplant - von ihm, seinen beiden Vorstandskollegen Martin Wuppermann und Wilfried Gast sowie von Teles-Chef Sigram Schindler. Als dieser Ende 1999 Gravis samt der HSD Consult GmbH kaufte, waren die vier überzeugt, dass der Internetboom scharenweise in die 22 deutschen Gravis-Filialen treiben wird, um dort Teles-Geräte und DSL-Zugänge via Satellit ("Sky-DSL") zu kaufen.

Doch der Kombination Hersteller-Händler war, wie Schindler rückblickend feststellen muss, ein nur mäßiger Erfolg beschieden. Zwar wollten die Kunden ins Internet, doch nicht mit Teles-Produkten. Die ISDN-Telefonanlagen von Teles wollten sie auch nicht, und DSL-Verbindungen erwiesen sich mangels erschwinglicher Flatrates als Ladenhüter.

So stampfte Teles Ende 2000 die Verlustbringer ISDN-Produkte ein. Und da die Berliner auch ihre Pläne beerdigen mussten, in Europa weitere Computerhandelsketten einzukaufen, hatte sich Gravis in einen recht überflüssigen Klotz im Teles-Konglomerat verwandelt.

Also wurde der Verkauf beschlossen. Zunächst an den Gravis-Vorstand, der sich diese MBO-Option 1999 in den Übernahmevertrag hatte schreiben lassen. Allerdings stand da auch drin, zu welchem Preis ("Konditionen") und in welchem Zeitraum.

Diese Vertragsklauseln bringen Horlitz jetzt in Schwierigkeiten. "Wir haben Fristen gesetzt, und die sind verstrichen", erklärt Schindler gegenüber ComputerPartner. "Es ist eine Frage des Preises", sagt Horlitz. Er möchte "nicht feilschen", dazu sei er "zu loyal" gegenüber Teles. Diese habe in Gravis investiert; der Umsatzzuwachs um 30 Prozent seit 1999 sei zum Teil der Schindler-Company zu verdanken. Außerdem müsse Teles Gravis nicht verkaufen, versichern Horlitz und Schinlder unisono.

Wer kauft Gravis?

Sicherer als gerade diese Aussage erscheint jedoch, dass das "große Rad", wie Teles-Vorstand Schindler Gravis bezeichnet, nicht weiter gedreht werden soll. "Das macht keinen großen Sinn", sagt er. Denn Teles will, nach massiven Schwie- rigkeiten in den Jahren 2000 und 2001, allein im angestammten Geschäftsbereich Webhosting und in den angeschlossenen Bereichen E-Learning, DSL-Verbindungen via Satellit sowie Infrastruktur-Systeme wachsen.

Um diese Geschäfte voranzutreiben, wurde vor Weihnachten 2001 ein "Letter of intent" mit einem ungenannten Internet-Service-Anbieter unterzeichnet. Sollte die Kooperation zustande kommen, würde laut Schindler Teles "den größten Vorgang erleben, seit es die Firma gibt". Wie die Kooperation konkret aussehen wird, darüber werde intensiv verhandelt.

Für Gravis ist in diesem Szenario lediglich vorgesehen, als Vertriebspartner für das geplante, mit dem Label "my Websuccess" versehene, flächendeckende E-Business-Ladennetz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu fungieren. Die Läden sollen bis 2003 realisiert sein.

So nimmt der Teles-Vorstand jetzt Kaufangebote für Gravis entgegen. Zwei Interessenten an den verbleibenden 90 Prozent Anteilen haben sich gemeldet. Dass die Cancom-Gruppe, das größte Apple-Systemhaus Europas, einer der beiden Interessenten ist, dementiert Schind- ler nicht. Doch muss bezweifelt werden, ob das Bundeskartellamt einer Gravis-Übernahme durch das größte Apple-Systemhaus Deutschlands zustimmen würde.

Wer der zweite Interessent ist, will Schindler nicht sagen. Doch wer auch immer es ist - in Branchenkreisen sogar wird der kleine Hamburger Apple-Händler Comspot genannt-, er wird sich mit Horlitz auseinander setzen müssen.

Denn Horlitz ist zwar loyal, und außerdem wird er Schwierigkeiten haben, einen Kreditgeber zu finden, der auf die Geschichte "glänzende Aussichten für Mac-Händler" verzichtet und ihm trotzdem Geld für den Zurückkauf der AG leiht. Doch dass der auch "Mister Apple" genannte Gravis-Gründer dem Ausverkauf seines Firma zusieht, wäre zu viel verlangt. Ob es ihm nützt, dass "Teles fest an unserer Seite steht", wird sich zeigen.

ComputerPartner-Meinung:

"Die Frage ist, welcher Kapitalgeber heute in einen Computerhändler investiert", so ComputerPartner (Heft 34/01) in einem offenen Brief an Archibald Horlitz. Jetzt ist die Frage beantwortet: keiner. Das ist schlimm - für Holitz und den mittelständischen Computerhandel. Denn ohne Kapitalgeber können er und der Handel nicht überleben. Man muss deshalb Horlitz und seinen beiden Weggenossen Mut und Glück wünschen. Und die Unterstützung durch Apple. Oder braucht Apple, im zurückliegenden Jahr im Endkundenbereich eingebrochen, Gravis nicht mehr? (wl)

www.teles.de

www.gravis.de

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