Terra incognita - EAI-Markt in Deutschland

17.01.2002
1.018 Unternehmen hat der Marktforscher Metagroup in Deutschland zum Thema Enterprise Application Integration (EAI) befragt # mit erschreckendem Ergebnis. Nur 15 Prozent der Firmen befassen sich überhaupt damit. Viele Entscheider glauben, mit der Einführung eines SAP-Systems wäre weitere Integration obsolet.

Momentan erleben wir die dritte Generation von EAI-Lösungen", beschreibt Anita Liess, Analystin beim Marktforschungsunternehmen Metagroup, die derzeitige Lage auf dem Markt. Dabei ist das Thema Enterprise Application Integration noch gar nicht in die Köpfe der Entscheider in deutschen Unternehmen vorgedrungen. Nicht einmal jede sechste Firma hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt.

Ein Grund dafür könnte laut Meta- group in der hohen Marktdurchdringung von SAP-Systemen hierzulande liegen. Viele Anwender glauben offenbar, dass mit dem Kauf von SAP-Software jeglicher Integrationsbedarf entfällt. Und wenn mal unterschiedliche SAP-Versionen miteinander oder mit Fremdsystemen kommunizieren sollten, liefern die Walldorfer schon die richtigen Konnektoren, so die übereinstimmende Meinung der SAP-Klientel.

Eine weitere Ursache für die schwache Akzeptanz von Enter-prise Application Integration in Deutschland vermuten die Meta-group-Experten in dem noch nicht ausgereiften EAI-Markt. So beendet dieser gerade seine Kindheit (1999-2001), die hauptsächlich durch Middlewarebasierte Messaging-Lösungen charakterisiert war. In der begonnenen EAI-Jugend (2001-2003) werden sich laut Meta- group Message-Broker durchsetzen, also die klassischen EAI-Werkzeuge, die sich auch bis dato in der Praxis am besten bewährt haben. Erwachsen werden EAI-Lösungen im Jahr darauf, wenn sie mit den Applikationsserver-basierenden Integrationslösungen verschmelzen. Beas "Weblogic" wird dann mit Vitrias "Businessware", und IBMs "Websphere" mit Tibcos "Total Business Integration"-Lösungen unmittelbar konkurrieren.

Deutsche warten erst mal ab

Durch diesen Umbruch im Markt verunsichert, zögern viele Unternehmen eine engere Verknüpfung ihrer Geschäftsanwendungen hinaus. Kein Verständnis für diese Haltung zeigt Anita Liess, Verfasserin der Metagroup-Studie: "E-Business und Enterprise Application Integration - Der Schlüssel zum E-Erfolg". Vielmehr sollten die Anwender ihre Geschäftsprozesse einer gründlichen Analyse unterziehen und anschließend deren Integrationsbedarf festlegen.

Laut Liess gibt es derzeit eine ausreichende Vielfalt an Lösungen, die eine individuelle, wenn auch technologisch heterogene Integration von Anwendungen ermöglichen. Die heute verfügbaren Applikationsserver können dies noch nicht leisten, und das Konzept der "Web-Services" ist noch nicht weit genug fortgeschritten, um in Projekten realisiert zu werden. Erst in zwei bis drei Jahren wird es soweit sein.

Die nun aufkommende dritte Generation von EAI-Werkzeugen ist hingegen durchaus in der Lage, so etwas bereits heute zu bewerk- stelligen. Denn während die erste Generation dieser Lösungen (1995-1998) noch von den Begriffen Datentransport, Transaktionen, Persistenz und Sicherheit geprägt war, zeigt die Nachfolgetechnologie bereits weiter gehende Ansätze auf: Datentransformation, Workflow und Automatisierung von Geschäftsprozessen.

Und in der dritten EAI-Generation (2000-2002) spielt der Content eine entscheidende Rolle. "Hier ist bereits das Aufgehen der Portale im EAI-Lösungsportfolio zu erkennen", so Liess gegenüber ComputerPartner. Auch Applikations-server gewinnen an Bedeutung, werden aber laut Metagroup die eigenständigen EAI-Werkzeuge keinesfalls obsolet machen. "Message-Broker integrieren nun mal stabiler als Applikationsserver; es wird sie daher weiterhin geben", macht Liess ihren Standpunkt klar.

Abgrenzung gegenüber Applikationsservern

Im Gegensatz zu den Lösungen von IBM oder Bea, die eher IT-getrieben sind, orientieren sich die EAI-Werkzeuge an Geschäftsprozessen. "Und hier ist derzeit bei den Kunden keinerlei Investitionszurückhaltung festzustellen", so die Metagroup-Beraterin. "Eher sparen die Unternehmen am E-Business oder zögern Collaborationsprojekte hinaus, als dass sie mit der Integration ihrer internen Anwendungen warten würden." Die für Softwarehersteller und Systemintegratoren interessante Zielgruppe schränkt Liess stark ein:"EAI ist nur etwas für Konzerne mit mindestens 2.500 Mitarbeitern".

Trotzdem bleibt den VARs noch genügend Arbeit, denn heutige EAI-Plattformen sind noch weitgehend branchenneutral. Systemintegratoren mit Kenntnissen im Finanzdienstleistungssektor oder im Telekommunikationsbereich sind daher gefragt, denn Kunden wünschen sich nun mal kompetente Beratung, die reine IT-Unternehmen nur selten leisten können.

Aber die derzeit noch zu erzielenden Serviceumsätze, die die reinen Lizenzkosten um das Vierfache übersteigen, werden bald rapide sinken, bis sie die Parität erreichen. Irgendwann werden dann auch die Lizenzpreise sinken, so dass sich auch der Mittelstand EAI wird leisten können. Der deutsche Markt für Anwendungsintegration wird jedenfalls weiterhin wachsen: von einer halben Milliarde Euro im Vorjahr auf 2,15 Milliarden im Jahre 2004.

www.metagroup.de

ComputerPartner-Meinung:

Von derzeitigen Standards wie J2EE hält die Metagroup-Analystin Liess noch nicht all zu viel. Ihrer Ansicht nach werden die momentan am Markt verfügbaren Applikationsserver keinesfalls die individuellen EAI-Lösungen ersetzen, sondern stellen allenfalls eine Ergänzung dazu dar.

Wäre dem wirklich so, bliebe der EAI-Markt in Zukunft klein. Denn kein Mittelständler wird sich eine Integrationsplattform leisten, deren Implementierungskosten sieben-stellig sind. Diese Kunden werden eher warten, bis J2EE-kompatible Applikationsserver diese Aufgaben erfüllen können. Glaubt man den Versprechungen von IBM, Bea und Sun, wird es bereits nächstes Jahr so weit sein. (rw)

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