Tesafilm revolutiniert die Speichertechnik

03.04.1999

MANNHEIM: Bislang kennt man Tesafilm nur als durchsichtigen Klebestreifen, als Helfer in Büro und Haushalt. Wenn es nach dem Physiker Steffen Noehte geht, wird der klebrige Film in Zukunft die Speichertechnik revolutio-nieren.Am Lehrstuhl für Informatik 5 der Universität Mannheim läutet der Physiker Noehte mit seiner Arbeitsgruppe vielleicht eine neue Ära der Speichertechnologie ein. Er hat eine Methode entwickelt, um auf einer Rolle handelsüblichem Tesafilm mit 19 Millimeter Breite und 10 Meter Länge etwa 10 Gigabyte Daten unterzubringen.

Der Zufall half mit

Eigentlich suchten die Physiker einen Kunststoff, auf dem sich holographisch Daten ablegen ließen. Alle bislang untersuchten Materialien erfüllten den Zweck nur höchst unvollkommen. Ausgerechnet an einem Freitag dem 13, die Versuchsreihe war schon abgeschlossen, fiel den Physikern eine Tesafilmrolle auf. Die Forscher waren begeistert von dem absolut klaren Material. Aus Spaß klebten sie ein Stückchen Tesafilm auf einen Objektträger, wie er in der Mikroskopie verwendet wird, und spannten ihn in die Versuchsapparatur. Das Ergebnis war verblüffend. Besser als alle anderen Kunststoffe ließ sich der Tesafilm "beschreiben".

Beim Beschießen mit einem Laserstrahl passiert bis 170 Grad gar nichts. Dann verändert der Kunststoff schlagartig seine Eigenschaften und behält sie auch nach dem Abkühlen bei. Die erhitzten Stellen ändern ihre Reflexionseigenschaften, bleiben dabei aber durchsichtig. Dadurch kann der Laser quasi im Inneren einer Tesafilmrolle Informationen schreiben und lesen. "In den USA wäre diese Entdeckung nicht möglich gewesen, denn die dort erhältlichen Klebestreifen sind längst nicht so klar wie Tesafilm", sagten die Forscher später.

Entwicklungsarbeit ist noch nötig

Der jetzt erhältliche Tesafilm ist zwar schon in der Lage, Daten zu speichern, aber er birgt noch gewaltiges Verbesserungspotential. Zur Zeit lassen sich etwa fünf bis sechs Lagen des Tesafilms "durchleuchten". Dieser Wert muß noch erhöht werden. Dazu sind einige Änderungen am Material notwendig. Der Film muß noch dünner und die Klebeschicht reduziert werden. Zur Zeit mißt die Klebeschicht etwa 25 Mikrometer -sie soll auf etwa zehn Mikrometer verkleinert werden. Mit diesen geringen Änderungen können dann etwa 25 bis 30 Lagen übereinander beschrieben und gelesen werden.

Es wird schon zukunftsweisend ein Grün-Laser eingesetzt. Grünes Licht läßt sich noch feiner fokussieren als rotes. Zwar würde auch ein roter Laserstrahl die Änderungen im Tesafilm bewirken, aber mit einem grünen lassen sich noch mehr Informationen auf dem Film unterbringen. "Und wenn das Gerät in etwa fünf Jahren auf den Markt kommt, redet keiner mehr von roten Lasern", ließ Noehte gegenüber ComputerPartner verlauten.

Der fertige Tesafilmspeicher wird nicht viel größer sein als eine gewöhnliche Tesafilmrolle. Die gesamte Schreib- und Leseoptik soll im Inneren der feststehenden Rolle eingebaut werden. Über einen drehbaren Spiegel wird der Laserstrahl mikrometergenau über die Innenfläche der Rolle positioniert. Da die Abtastung optisch erfolgt, werden sehr kurze Zugriffszeiten und hohe Datentransferraten erreicht. Zum Schreiben wird einfach die Laserleistung wie bei einem CD-Brenner erhöht. Beim Lesen arbeitet der Laser mit geringer Leistung und tastet alle Informationen ab. Durch die unterschiedlichen Reflexionen ergibt sich schließlich wieder das Bitmuster der gespeicherten Daten.

In Zukunft kann dieser sehr kleine Speicher zum Beispiel in Videokameras oder Digitalkameras eingesetzt werden. Aufgrund der hohen Datendichte kann man dann auf eine Komprimierung verzichten. Das steigert noch einmal die Geschwindigkeit.

So funktioniert der Tesafilmspeicher

Tesafilm besteht aus einer dünnen Folie, die bei der Herstellung um mehrere Größenordnungen gestreckt wird. Danach wird sie in schmale Streifen geschnitten, mit einem Kleber beschichtet und aufgerollt - fertig.

Erhitzt man jetzt die Folie punktuell mit einem Laserstrahl auf etwa 170 Grad, zieht sich das Material an der erhitzten Stelle zusammen. Die bei der Herstellung durch die Streckung aufgewendete Energie wird jetzt wieder frei. Dabei bleibt das Material aber durchsichtig, es ändert nur seine Reflexionseigenschaften. Nun kann es wie eine CD mit einem Laser ausgelesen werden. Da das Material durchsichtig bleibt, braucht die Rolle nicht abgewickelt werden. Der Laserstrahl läßt sich auf die verschiedenen Ebenen innerhalb der Rolle fokussieren. Dabei trennt die Klebeschicht nicht nur die einzelnen Lagen voneinander, gleichzeitig dient sie als Hilfe bei der genauen Lagebestimmung des Laserstrahls. Die Daten sind also sicher im Inneren der Rolle untergebracht.

Eile tut Not

Vom Labormuster bis zum marktfreifen Produkt ist es ein weiter Weg. Daher wird die Entwicklung der Universität Mannheim von der Klaus-Tschira-Stiftung (einem Gründer von SAP) über das European Media Laboratory in Heidelberg und von Tesa-Hersteller Beiersdorf gefördert. So können die Wissenschaftler den Grundstock für eine neue Speichertechnologie legen. Aber es ist Eile geboten, denn die Konkurrenz ist groß, mächtig und schläft auch nicht. Ohne zusätzliche Unterstützung durch einen großen Speicherhersteller wird die Umsetzung zu einem fertigen Produkt kaum möglich sein. (jh)

Noch wird der Tesaspeicher von außen beschrieben. Doch in Zukunft soll der Laser im Inneren der Rolle untergebracht werden.

Zum Lesen wird der Tesafilm mit einem Laser geringerer Intensität

beleuchtet. Durch unterschiedliche Reflexion ergibt sich schließlich das Bitmuster der gespeicherten Daten.

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