Theoretisch möglicher Defekt beschert Toshiba Milliardenverlust

11.11.1999
MÜNCHEN: Ein alter Controller-Defekt beschert Toshiba Milliarden-Verluste. Zwei Notebook-Besitzer hatten den Hersteller in den USA verklagt. Ihre Anwälte wittern offenbar ein gutes Geschäft: Auch Compaq, HP und NEC werden vor den Kadi gezerrt.

Fünf Millionen Notebook-Besitzer dürfen sich auf Post von Toshiba freuen: Sie werden mit einem Gutschein von 225 Dollar bedacht. Soviel ist dem Hersteller ein Defekt im Controller wert, der seit Ende der 80er Jahre in Millionen von Notebooks schlummert. Zwei User hatten Toshiba in Amerika verklagt, weil die fehlerhafte Software in den Steuerkomponenten für Diskettenlaufwerke dazu führen könnte, daß Daten auf den Disketten verlorengehen. Die Betonung liegt dabei auf "könnte": In der Praxis ist der Defekt laut Toshiba Deutschland noch nie aufgetreten. "Das ist eine rein hypothetische Geschichte. Wir haben die Notebooks unter Labor-Bedingungen getestet. Das Ergebnis ist, daß der Fehler unter normalen Umständen wohl nie auftreten wird", meint Thomas Kisselmüller, Marketingdirektor des PC-Bereichs bei Toshiba Deutschland.

Doch Amerika sei eben das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Hier kann man auch wegen eines theoretischen Problems erfolgreich verklagt werden, während in Deutschland zuerst ein tatsächlicher Schaden nachgewiesen werden muß. Auf einen Prozeß ließ es Toshiba aber erst gar nicht ankommen: Man einigte sich außergerichtlich. Insgesamt werden knapp zwei Milliarden Mark die Konten wechseln. Die Folge: mehr als einer Milliarde Dollar Verlust im laufenden Geschäftsjahr. Toshiba glaubt dennoch, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein: "Hätten wir den Fall verloren, müßten wir möglicherweise bis zu eine Billion Yen bezahlen", soll Toshiba-Präsident Taizo Nishimuro gesagt haben.

HALBPROFIS AUF DER SUCHE NACH KLAGEGRÜNDEN

Ganz so sieht es Thomas Kisselmüller nicht: "Es scheint in Amerika zur Zeit Mode zu sein, daß sich halbprofessionelle Anwender auf die Suche nach möglichen Fehlerquellen machen, um die Hersteller dann zu verklagen." Langfristige Auswirkungen auf das Unternehmen werde die Angelegenheit aber nicht haben. "wir schreiben den Verlust in diesem Jahr halt ab, damit ist die Sache erledigt." Um Eventualitäten vorzubeugen, hat Toshiba Deutschland eine Hotline eingerichtet und Vorsorge getroffen: Ab dem 10. November erhalten alle Notebook-Besitzer eine entsprechende - und kostenlose - Softwarelösung. Entweder auf Diskette, Cd-Rom oder übers Internet unter www.toshiba.de/pc/service/inex.htm.

Unterdessen haben die amerikanischen Anwälte fünf weitere Hersteller verklagt: Compaq, Hewlett-Packard, NEC Corp., Packard-Bell NEC und E-Machines sollen für den möglichen Fehler ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden. Der fehlerhafte Chip basiert ursprünglich auf einem Design von NEC und Intel, das Toshiba Anfang der 80er eingekauft hatte. NEC ließ in den USA vorsorglich verlauten, man habe den Fehler bereits vor zwölf Jahren korrigiert. Auch Compaq will es notfalls auf ein Verfahren ankommen lassen. Der Vorwurf sei "völlig unbegründet", so ein Unternehmenssprecher, Compaq-Notebooks seien von dem Fehler nicht betroffen. Damit dürften sich die Juristen aber nicht zufrieden geben. Laut Toshiba sind es dieselben, die im vergangenen Jahr erfolgreich gegen die Zigarettenindustrie geklagt haben. (mf)

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