"Thin is in" - Hersteller entdecken den Markt für miniaturisierte Massenspeicher

26.08.1999

MÜNCHEN: Die rasanten Fortschritte bei Festplattentechnologien machen es möglich. Das IBM Microdrive bietet eine Kapazität von 340 MB und weist dabei gerade einmal die Größe eines Streichholzbriefes auf. Zielgruppen für den neuen Speicherzwerg sind vorrangig Anwender mobiler IT-Produkte, vom Organizer bis zur Digitalkamera. Vertriebspriorität genießt derzeit der Fotohandel, die IT-Distributoren müssen voraussichtlich noch bis zum Herbst warten.Die Lösungsansätze sind unterschiedlich, die Zielgruppe ist weitgehend identisch. Im Visier der Entwickler und Marketingstrategen steht die wachsende Zahl von Anwendern meist mobiler High-Tech-Produkte, die zunehmend Einzug in unterschiedlichste Lebensbereiche finden. Digitalkameras, Handheld-Computer, Notebooks oder MP3-Player zählen ebenso dazu wie beispielsweise elektronische Navigationssysteme in Kraftfahrzeugen.

Während Iomega mit seiner kürzlich vorgestellten Clik-Technologie (siehe ComputerPartner 25/99, Seite 63) im Stil seiner erfolgreichen High-Capacity-Floppies ein vergleichsweise preiswertes Mini-Wechselspeichermedium für den Massenmarkt konzipierte, setzt IBM als Technologieführer bei Festplatten auf neueste Harddisk-Technologie. Die Entwickler entwarfen ein voll funktionales Festplatten-Laufwerk im Mikro-Format.

Mitte Juni hat IBM weltweit mit der Auslieferung der Mikrodisk begonnen. Die Erwartungen der Verantwortlichen sind hoch. Im Mittelpunkt steht, zumindest in der Anfangsphase, das OEM-Geschäft. "Der Marktauftritt der Mikrodisk ist ein weiterer strategischer und wichtiger Schritt im Wachstum der IBM-OEM-Technologie-Division", erläutert Bill Healy, Direktor für mobile Speicherlösungen. Vorausgegangen waren in den letzten Wochen OEM-Abkommen im Gesamtwert von 28 Milliarden Dollar mit Dell, EMC und Acer, die künftig verschiedene Speicherkomponenten von IBM in ihren Produkten einsetzen wollen. Hier soll sich, so hofft Big Blue, das Microdrive nahtlos einfügen.

Nach IBM-Angaben haben bereits eine Reihe potentieller OEM-Kunden heftiges Interesse an der Mikro-Festplatte bekundet. Casio, Compaq, Canon, Eastman Kodak, Hitachi, Minolta, Nikon, Psion, Samsung und Sanyo planen demnach, die Mikrodisk entweder in ihre eigenen Produkte zu integrieren oder als separate Speicherlösung anzubieten.

Große Hoffnungen setzt IBM insbesondere auf die Hersteller hochwertiger Digitalkameras. "Die Qualitätsansprüche an digitale Kameras steigen kontinuierlich. Der Trend bei der Bildauflösung geht deutlich über die Megapixel-Kamera hinaus", stellt John Fox, OEM-Channel-Marketing-Manager bei IBM fest. Er geht davon aus, daß heute eingesetzte halbleiterbasierte Flash- und Smart-Cards mittel- und langfristig weder hinsichtlich ihrer Kapazität noch der Kosten pro Megabyte in der Lage sind, die Anforderungen von Herstellern und Anwendern digitaler Fotoprodukte zu erfüllen.

IT-Channel muß warten

Daß IBM, zumindest in der Anfangsphase der Markteinführung, dem Markt digitaler Kameras offensichtlich mehr Umsatzpotential zutraut als dem IT-Markt, wird auch in der Channelpolitik für den Fachhandelsvertrieb deutlich. Hier genießt der Fotohandel Priorität gegenüber dem IT-Handel. "Die Mikrodisk wird zuerst als Bundle mit Digitalkameras oder alternativ als hochwertiges Add-on zu Digitalkameras angeboten", erklärt Manfred Berger, zuständiger Customer Application Engineer bei IBM in Mainz. Erst zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb dieses Jahres werden, so Berger, auch die IT-Distributionskanäle mit Mikrodisks beliefert.

"Early Adopters" aus dem Computerbereich, bisher eine der wichtigsten Zielgruppen für IBM-Harddisk-Produkte, werden sich diesmal wohl oder übel auf den Weg ins nächste Fotogeschäft ergeben müssen. Über die Motive dieser Vertriebspolitik läßt sich spekulieren. Ein Grund könnte der mit 499 Dollar angesetzte empfohlene Verkaufspreis sein, der sich über IT-Kanäle wohl nur schwerlich realisieren läßt, wie eine Nachfrage bei IBM-Distributoren ergab.

Hier wird heute bereits mit Abgabepreisen von 350 Dollar bei der Verfügbarkeit der Mikrodisk im Herbst und mit einem drastischen Preisrutsch auf etwa 200 Dollar zum Jahresende kalkuliert. (sd)

Basierend auf der derzeit üblichen Kapazitätssteigerungsrate von

100 Prozent pro Jahr, hält IBM Channel-Mananger John Fox

bereits für Mitte 2000 eine 680-MB-Mikrofestplatte für realisierbar.

(Leider) keine Preisangabe, sondern nur ein Größenvergleich. Die Speicherscheibe des IBM Microdrive ist kaum größer als ein Markstück.

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