Think different? Nicht wirklich...

22.10.1998

Jubelfeiern bei Apple: In den Kassen klingeln wieder Profite. Das grenzt fast an ein Wunder, noch vor einem Jahr lag der Verlust des Unternehmens bei einer satten Milliarde Dollar. In den Schubladen lagen bereits die fertigen Grabesreden für den Hersteller mit dem Apfel-Logo - da erschien Steve Jobs und ließ sich, ganz der stolze Vater, mit seinem neuen "Baby" - werbewirksam in den Arm drapiert - fotografieren: Der iMac ward geboren.Was dann folgte, beherrscht niemand besser als amerikanische Firmen. Der Computer, den seine Designer laut Jobs als "Rechner zum Anfassen" entwarfen, wurde und wird mit einem unerhörten Aufwand angepriesen. Völlig überraschend für die Computerwelt zielt die Werbung dabei eindeutig auf Emotionen und unseren Sinn für Ästhetik. Und erzielt ihre Wirkung: "zum Knuddeln", "Dino-Ei" oder schlicht "süß" - das High-Tech-System muß sich Vergleiche gefallen lassen, die Steven Spielbergs E.T. zur Ehre gereicht hätten. Wobei da eine gewisse Verwandtschaft wohl nicht auszuschließen ist, der kleine, eigentlich ziemlich unattraktive Außerirdische stieß ja auch vor allem wegen seines "Kindchenschema"-Designs auf so viel Sympathie. Ergo: Mit seinem Slogan "Think different" hat Apple im Fall iMac voll ins Schwarze getroffen - der Rechner kommt im Heimanwendermarkt gut an, und die ungewöhnliche Werbestrategie, einen Computer als Sympathieträger zu vermarkten, hat sich als Bombenidee erwiesen.

Völlig überraschend dabei ist aber, daß sich sogar professionelle Apple-Vertriebspartner in die Reihen der Jubelnden stellen, auch in Deutschland. Denn im Grunde haben sie doch nichts davon - bis auf die Tatsache, daß ihr Hersteller nur noch heftiger mit Lieferengpässen zu kämpfen hat als sonst. Aber: Sie waren hautnah dabei, als das Apple-Ei in den deutschen Markt gelegt wurde, ja, sie durften es sogar exklusiv anbieten. Und nicht irgendeine Kette oder irgendein Retailer. Damit ist im lange schmählich vernachlässigten Handelskanal des Herstellers das alte "Wir-Gefühl" wiederbelebt worden, das sich so manche Mac-Anwender immer noch gerne auf die Stirn schreiben. So gehen einige kritische Stimmen, die das neue Mac OS 8.5 beispielsweise nicht für die Antwort auf alle Betriebssystem-Fragen halten, vorerst unter. Ein weiterer gelungener Marketing-Coup.

Dabei macht Apple-Deutschland-Chef Peter Dewald gar keinen Hehl daraus, daß er jetzt noch vor dem Weihnachtsgeschäft einem deutschen Retailer den Zuschlag für den iMac-Vertrieb geben will. In Frankreich wird der Rechner von einer Bücher-Kette angeboten, in Großbritannien erhielt jetzt die Dixons Group, mit 58 Superstores landesweit der größte Retailer, die Vertriebsrechte. Ähnlich wie dort will Dewald hier mit einem "Shop-in-Shop"-Konzept landen und die Verkäufer schulen lassen. So weit weg von der Vertriebsstrategie der PC-Konkurrenz ist Apple also gar nicht. Schließlich soll auch der Internet-Store samt Direktvertrieb in den USA ausgebaut werden. Da befindet sich Apple in bester Gesellschaft mit Compaq, IBM und all den anderen. Think different? Sicher nicht im Vertrieb. Nur eines kommt laut Dewald nicht in die Tüte: "Ein Apple-Rechner in einem Lebensmittelgeschäft? Sie scherzen!"

Ute Dorau

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