Tiscali will sich im B2B-Geschäft über Partner etablieren

06.06.2002
Im vergangenen Jahr entwickelte sich Tiscali ganz still und leise zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten von AOL - im Consumer-Bereich. Auch im B2B-Geschäft ist das italienische Unternehmen gerade dabei, sich zu etablieren, indem es sein Partnernetz konsequent ausbaut.

Tiscali auf Einkaufstour quer durch Europa: Elf Firmen übernahm das Internetunternehmen in den vergangenen zwei Jahren (siehe Kasten). Ein Großteil der übernommenen Provider stammt aus dem Consumer-Bereich und war, vor allem durch die Konsolidierung der Internetbranche, relativ günstig zu haben. "In diesem Segment kauft man vor allem Kunden ein", erzählt Geschäftsführer Diethelm Siebuhr im Gespräch mit ComputerPartner. Europaweit zählt das Unternehmen derzeit 7,6 Millionen Kunden, in Deutschland sind es 2,5 Millionen. Die meisten sind Nutzer des Tiscali-Internetportals.

Einige der Firmen wie Nextra und Nikoma konzentrieren sich aber von jeher auf Business-Kunden. Der B2B-Bereich bei Tiscali soll auch künftig ausgedehnt werden. Ziel sei es, Neukunden aus dem Business-Bereich zu gewinnen und ein Partnernetz aufzubauen.

Connectivity, Hosting, Security, Streaming

Das Leistungsspektrum der Tiscali Business GmbH umfasst die Bereiche Connectivity, Hosting, Security und Streaming. Ein Highend-Internetzugang wird im Bereich Connectivity ermöglicht. Tiscali verfügt über ein eigenes Glasfasernetz mit Ausgangsbreiten bis zu 2,5 Gbit pro Sekunde. In den Data-Centern haben Kunden die Möglichkeit, ihre gesamte Hard- und Software auszulagern (Hosting). Im Network Operation Center werden die Kundensysteme überwacht. Die Gesamtfläche beläuft sich laut Siebuhr auf 3.500 Quadratmeter.

Im Bereich Security bietet die Internetfirma nicht nur Firewall-Lösungen, sondern auch die Konzeption und Implementierung von Virtual Private Networks (VPN). Diese kann das Unternehmen laut Siebuhr weltweit anbieten: "Wir wollen klar im Markt erkennen lassen, dass Tiscali für eine solche Art von Lösungen steht." Über ein eigenes Media Delivery Network eröffnet Tiscali den Kunden individuell zugeschnittene Streaming-Lösungen, also Audio- und Videoübertragungen via Internet.

Gemeinsame Planung

Siebuhr setzt dabei auf den indirekten Vertrieb und die Zusammenarbeit mit Partnern. Obwohl eine Zertifizierung nicht zwingend erforderlich ist, müssen die künftigen Partner fachliches Know-how mitbringen. Neben Schulungen unterstützt Tiscali die Partner mit Marketing-Support sowie Messebeteiligungen. Um das Produktfolio kennen zu lernen, erfolgen außerdem Produkt- und Strategieberatungen. Über die Sales-Plattform sollen die Partner Produkte online bestellen und verwalten können. Die Business-Planung erfolgt laut Siebuhr mit den Partnern gemeinsam und ist individuell geregelt.

Tiscali bietet zwei Möglichkeiten der vertrieblichen Zusammenarbeit: als Sales- oder Solution-Partner. Während die Sales-Partner nur die Akquise und den Verkauf der Produkte übernehmen (Billing, Rechnungstellung und Kundenbetreuung liegen bei Tiscali), bieten die Lösungspartner komplette Projekte an: Tiscali liefert nur dieInfrastruktur; Rechnungsstellung, Support und Billing erledigt der Partner.

Lösungspartner gesucht

30 Partner konnte Tiscali nach eigenen Angaben bis jetzt gewinnen, davon aber nur ein Drittel aus dem Bereich Solutions: "Wenn das alles Lösungspartner wären, dann wäre ich zufrieden", resümiert Siebuhr. "Bis Ende des Jahres wollen wir 50 Partner haben, davon etwa 30 aus dem Bereich Solutions."

Die B2B-Dienstleistungen machen elf Prozent des Gesamtumsatzes von Tiscali aus (siehe Kasten). Auf Gerüchte, Tiscali könne die angemieteten Leitungen nicht mehr bezahlen und dem Unternehmen gehe es nicht gut, reagiert Siebuhr gelassen: "Das sind wirklich nur Gerüchte." Ganz im Gegenteil: Das Unternehmen meldete für das abgelaufene Geschäftsjahr ein positives Ebitda und ausreichend liquide Mittel (siehe Kasten). Siebuhr ist froh darüber, dass es Tiscali gut geht, äußert jedoch Bedenken, da die Konsolidierung im Markt noch besteht: "Durch die vielen Insolvenzen in unserem Geschäftsbereich werden die Kunden verunsichert."

Für das laufende Geschäftsjahr plant Siebuhr ein positives Ebitda und die Gewinnung von weiteren 15 bis 20 Solution-Partnern. Die strategischen Hauptthemen werden in den Bereichen Security und Streaming Media liegen, erklärt Siebuhr.

www.tiscali.de

www.tiscali-business.de

ComputerPartner-Meinung:

Tiscali steht noch am Anfang seiner Planungen bezüglich der Zusammenarbeit mit Partnern. Die Produktpalette ist vielfältig und könnte für Händler als Zusatzgeschäft interessant sein. Das Unternehmen muss aber noch beweisen, dass es ein lohnender Partner imB2B-Bereich ist. (kat)

Einkaufstour

Facts & Figures

In den vergangenen zwei Jahren hat Tiscali eine ganze Reihe europäischer Firmen übernommen.

Jahr 2000:

- Übernahme von 80 Prozent der Datacomm AG, einem der führenden Schweizer Internetanbieter

- Übernahme von 80 Prozent der CD-Telekomunikace, tschechischer Anbieter mit einer tschechischen Lizenz zum Vertrieb von TK-Diensten

- Akquisition des belgischen Internet-Anbieters Link Line

- Übernahme der deutschen Nikoma Beteiligungs GmbH

- Übernahme der belgischen Interweb Sprl, Eigentümer von Belgiens erstem Internet-Portal

- Kauf der niederländischen World Online

- Kauf des deutschen Internetproviders Addcom

Jahr 2001:

- Akquisition des französischen Internet-Anbieters Liberty Surf

- 70-prozentige Beteiligung an der italienischen Excite Italia, B.V.

- Übernahme des Festnetz-Internetzugangs und des Portals von Planet Interkom

- Akquisition von Surf EU, einem deutsche Internetanbieter mit Standbeinen in Österreich, der Schweiz und in Finnland

- Übernahme von Line One (Springboard Internet Services Limited), einem Anbieter in Großbritannien

- Kauf des deutschen Unternehmens Nextra, eines Anbieters von IP-basierten Lösungen

Facts & Figures

Tiscali S.p.A.

Der Sizilianer Renato Soru startete im Januar 1998 - kurz nach der Liberalisierung des italienischen Telekommunikationsmarktes - mit Tiscali zunächst als regionaler Telefondienstanbieter. Im März 1999 bot er den ersten kostenlosen Internetzugang Italiens an. Schon im Oktober desselben Jahres ging Soru mit Tiscali an den italienischen Nuovo Mercato. Mit diesem Kapital begann in den folgenden zwei Jahren eine gigantische Einkaufstour den Weg nach Europa zu ebnen. Tiscali kaufte vor allem große unabhängige Internet-Service-Provider (ISP), darunter World Online International oder Liberty Surf, damals der führende ISP in Frankreich. Heute hat Tiscali europaweit 7,4 Millionen Nutzer, die allein im ersten Quartal diesen Jahres 10,9 Millionen Minuten Online waren. Außerdem zählt das Unternehmen mittlerweile 85.000 Breitbandkunden.

Die Produktpalette der Sizilianer reicht vom Internetzugang über Sprachdienste und portalbasierte Produkte bis hin zu den B2B-Dienstleistungen. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres belief sich der Umsatz auf 195,2 Millionen Euro. Gegenüber des Vorjahreszeitraumes ist dies eine Steigerung von 78 Prozent. Davon entfielen mit 137,6 Millionen Euro 70 Prozent auf die Umsatzerlöse aus Zugangsgebühren. Mit den Portaldienstleistungen nahm der Konzern 19,7 Millionen Euro ein, die Sprachdienste brachten einen Umsatz von 12 Millionen Euro. Die B2B-Dienstleistungen machten mit 21,9 Millionen Euro im ersten Quartal etwa elf Prozent des Umsatzes aus. Tiscali meldete ein positives konsolidiertes Ebitda von einer Million Euro. Das Ergebnis vor Steuern in Höhe von 105,9 Millionen Euro hat dennoch weiterhin ein Minus vor der Zahl. Der Konzern verfügte Anfang des zweiten Quartals über liquide Mittel in Höhe von 129 Millionen Euro. (gn) www.tiscali.de

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