TOP DE: Dividenden deutscher Konzerne dürften kräftig steigen

17.11.2010
Von Nico Schmidt und Philipp Grontzki DOW JONES NEWSWIRES

Von Nico Schmidt und Philipp Grontzki DOW JONES NEWSWIRES

FRANKFURT (Dow Jones)--In Deutschland brummt der Konjunkturmotor. Selbst die größten Optimisten unter den Wirtschaftsexperten wurden vom Ausmaß der Erholung in den vergangenen Monaten mehr als einmal überrascht. Die Unternehmensgewinne sprudeln wieder, wie die Berichtssaison zum dritten Quartal zeigt, die sich gerade dem Ende zuneigt. Auch Anleger dürfen sich darüber freuen, wie rekordverdächtig schnell die schwere Krise überwunden wird: Denn die deutschen Konzerne werden ihre Aktionäre wieder deutlich stärker am Erfolg beteiligen als noch vor einem Jahr.

Die ersten Ankündigungen zur Dividende in den vergangenen Wochen sind schon vielversprechend ausgefallen. Aktienfondsmanager Jens Labusch von der Deutsche-Bank-Tochter DWS Investments erwartet, dass die DAX-Unternehmen für 2010 im Durchschnitt wohl über 30% mehr ausschütten werden als für 2009. "Mit Ausnahme der Commerzbank werden alle DAX-Werte für 2010 eine Dividende zahlen", sagt Labusch im Gespräch mit Dow Jones Newswires.

Das staatlich gestützte Frankfurter Geldhaus befindet sich aber in einer Sondersituation: Schließlich muss Deutschlands zweitgrößte Geschäftsbank zuerst den Steuerzahler bedienen und kann so lange keine Dividende zahlen, wie nach den Richtlinien des deutschen Handelsgesetzbuches rote Zahlen geschrieben werden - womit in diesem Jahr aber noch zu rechnen ist.

Am deutlichsten ließ sich die aktuell vielfach zu beobachtende Entwicklung zuletzt bei Siemens ablesen: So hat der Münchener Mischkonzern das Geschäftsjahr 2009/10 Ende September mit einem operativen Rekordgewinn von 7,8 Mrd EUR in den drei Kernsektoren Industrie, Energie und Medizintechnik abgeschlossen. "Wir kommen mit vollem Schwung aus der Krise", sagte Vorstandsvorsitzender Peter Löscher in der vergangenen Woche.

Und das sollen auch die Aktionäre spüren: 2,70 EUR je Anteilsschein will Siemens auszahlen - rund 70% mehr als für jedes der drei vergangenen Geschäftsjahre. Eine derart positive Aussicht überraschte auch den Markt, der es wiederum mit einem deutlichen Kursplus dankte. DWS-Fondsmanager Labusch spricht von einer kräftigen Erhöhung nach mehreren Jahren der Umstrukturierung im Konzern.

Von einer solchen Restrukturierung profitieren auch die Infineon-Aktionäre. Der Halbleiterhersteller will 0,10 EUR Dividende je Aktie für 2009/10 zahlen - die erste Ausschüttung seit zehn Jahren und erst die zweite in der Unternehmensgeschichte überhaupt. Basis dafür sind neben der konjunkturellen Erholung Sparmaßnahmen und - wenn auch wenig rühmlich - die Insolvenz der Speicherchiptochter Qimonda.

Nach dem kräftigen Aufschwung in der Chemieindustrie dürfen sich auch Anleger in dieser Branche wieder auf höhere Ausschüttungen freuen. Beim Spezialchemiekonzern Lanxess etwa versprach Vorstandschef Axel C. Heitmann angesichts des erwarteten Rekordgewinns zuletzt, seine Aktionäre am guten Geschäftserfolg beteiligen zu wollen. 2009 hatten die Leverkusener die Zahlung trotz deutlichen Gewinneinbruchs bei 0,50 EUR je Aktie stabil gehalten.

Die Unternehmen der Autoindustrie - namentlich die großen Hersteller - haben sich zu ihren Dividendenplänen bislang relativ bedeckt gehalten. Einige Zulieferer wie der Kabelhersteller Leoni ließen aber durchblicken, dass sie ihre frühere Ausschüttungspolitik wieder aufnehmen wollen. 2009 waren in der Industrie teilweise so massive Verluste angefallen, dass die Aktionäre vieler Unternehmen angesichts der daraufhin eingeleiteten strikten Sparprogramme leer ausgingen.

So erging es auch den Aktionären von Daimler. Der Auto- und Nutzfahrzeugbauer will anders als für 2009 nun aber wieder eine Dividende zahlen, zur Höhe äußerten sich die Stuttgarter bislang nicht. "Daimler dürfte nach dem Krisenjahr wieder eine gute Dividende zahlen", schätzt aber Labusch von DWS.

Als besonders attraktiv für Dividendenjäger gelten üblicherweise Telekomwerte. Sie müssen aufgrund ihres geringen Wachstums- und dem damit einhergehenden vergleichsweise geringen Kurspotenzial mit stabil hohen Ausschüttungen am Markt punkten. Um die Unsicherheit für die kommenden Jahre von vornherein zu zerstreuen, hat etwa die Deutsche Telekom schon Ende Februar angekündigt, für 2010 bis 2012 etwa 3,4 Mrd EUR jährlich an die Aktionäre weiterreichen zu wollen, davon mindestens 0,70 EUR je Papier als Dividende.

Nicht für alle Aktionäre übersetzt sich die überall zu beobachtende konjunkturelle Erholung in Spitzendividenden. Die Energieversorger haben ihre Anteilseigner sogar auf sinkende Gewinnbeteiligungen vorbereitet, obwohl auch sie üblicherweise wegen ihrer Ausschüttungen als attraktiv für Anleger gelten. Aktuell werden Versorger in Deutschland von mehreren Problemen geplagt.

E.ON beispielsweise sieht wegen niedriger Energiepreise, verschärftem Wettbewerb und den neuen Steuern auf Brennelemente für Atomkraftwerke Belastungen, die auf das laufende Jahr nur eine stabile Dividende von 1,50 EUR erlauben. In den nächsten beiden Jahren will E.ON mindestens 1,30 EUR zahlen - also möglicherweise sogar weniger als bisher. Die Aussagen des Konkurrenten RWE fallen nicht so deutlich aus, lassen aber darauf schließen, dass künftig kleinere Brötchen bei der Dividende gebacken werden müssen. Denn der Essener Versorger sprach jüngst von "nicht in vollem Umfang" ausgleichbaren Ergebnisbelastungen.

Selbst unter den besonders krisengeplagten Unternehmen gibt es einzelne, die vom Aufschwung so profitieren, dass sie Dividendenzahlungen wieder ins Auge fassen können. So kündigte beispielsweise Helge Hansen, Vorstandschef des Druckmaschinenherstellers Koenig & Bauer, bei Vorlage der Drittquartalszahlen an, über eine Dividende werde nachgedacht, sollte sich die aktuell positive Ertragsentwicklung als "beständig" erweisen. Das wäre, wenn es so käme, eine kleine Sensation. Denn die Druckmaschinenbranche leidet seit Jahren unter einer strukturellen Krise. Seit 2007 hat Koenig & Bauer keine Dividende mehr gezahlt, beim Weltmarktführer Heidelberger Druckmaschinen war es für 2007/08 das letzte Mal.

Fondsmanager Labusch schaut unterdessen schon voraus und glaubt, dass auch 2011 für dividendenorientierte Anleger ein gutes Jahr werden könnte. Denn bei weiter steigenden Gewinnen sei auch mit höheren Ausschüttungen zu rechnen. Und dass die deutschen Unternehmen im nächsten Jahr mit der Wirtschaft insgesamt wachsen, wird kaum bezweifelt.

Die fünf Wirtschaftsweisen haben in der vergangenen Woche für 2011 ein Wirtschaftswachstum von 2,2% für Deutschland vorausgesagt. Zwar dürfte sich der Aufwärtstrend verlangsamen, doch Ende des kommenden Jahres werde die deutsche Wirtschaft das Vorkrisenniveau wieder erreicht haben, so die Experten.

-Von Nico Schmidt und Philipp Grontzki, Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29725 114; tmt.de@dowjones.com DJG/phg/ncs/rio

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