TOP DE: ProSiebenSat.1 verkauft Nachrichtensender N24

16.06.2010
Von Hans Seidenstücker DOW JONES NEWSWIRES

Von Hans Seidenstücker DOW JONES NEWSWIRES

MÜNCHEN (Dow Jones)--Die Sendergruppe ProSiebenSat.1 hat eine Lösung für ihren Nachrichtensender N24 gefunden. Ein Konsortium um N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann und Medienunternehmer Stefan Aust übernimmt den Sender sowie die Produktionsgesellschaft MAZ&MORE. Der am Mittwoch verkündete Verkauf, mit dem ProSiebenSat.1 den Verlust aus dem Nachrichtengeschäft halbieren will, stößt auf Kritik der Direktoren der Landesmedienanstalten (DLM).

N24 soll zukünftig unter anderem die Nachrichten-Zulieferung für die Sender der Gruppe (SAT.1, ProSieben und kabel eins) übernehmen. Der Vertrag über die Nachrichten-Zulieferung läuft den Angaben zufolge bis zum 31. Dezember 2016. Das "SAT.1-Frühstückfernsehen" und "Das SAT.1-Magazin" sollen weiterhin von MAZ&MORE produziert werden. Dieser Vertrag laufe bis zum 30. Juni 2014.

Der N24 Media GmbH werde künftig etwa die Hälfte des bisherigen Nachrichtenbudgets zur Verfügung stehen, sagte Geschäftsführer Rossmann bei einer Telefonkonferenz. Für die eigenen Nachrichten des Senders N24 sowie für die Zulieferung der Formatnachrichten an die ProSiebenSat.1-Gruppe werden der neuen Gesellschaft rund 30 Mio EUR zur Verfügung stehen. Der Großteil dieser Summe werde sicherlich von ProSiebenSat.1 kommen, sagte Rossmann. 2011 werde die neue Gesellschaft noch defizitär sein, doch bereits ab 2012 wolle man profitabel arbeiten.

Wegen des deutlich gesunkenen Budgets seien aber Stellenstreichungen beim Sender N24 unumgänglich, sagte Rossmann. Durch Fluktuation, Vertragsaufhebungen und Kündigungen soll die Zahl der Vollzeitstellen bei N24 von derzeit 227 auf voraussichtlich 141 nach Ende der Restrukturierung sinken. Nach heutigem Kenntnisstand würden 72 der zu streichenden Stellen durch Vertragsaufhebungen und Kündigungen abgebaut. MAZ&MORE ist den Angaben zufolge von den Restrukturierungsmaßnahmen nicht betroffen.

Der Sparkurs stößt auf heftige Kritik der Landesmedienanstalten. "Angesichts der angekündigten erheblichen Budgetkürzung und des Arbeitsplatzabbaus bei N24 sind berechtigte Zweifel angebracht, ob damit noch qualifizierte Nachrichten bei der Sendergruppe gewährleistet werden können", sagte DLM-Vorsitzender Thomas Langheinrich. Auch nach dem Verkauf von N24 verpflichte ihre starke Marktstellung die ProSiebenSat.1-Gruppe dazu, ein breites Nachrichtenangebot auszustrahlen, fügte Langheinrich hinzu.

Durch den Verkauf von N24 und die Reduzierung des Nachrichtenbudgets kann die ProSiebenSat.1 Media AG den Verlust mit dem Nachrichtengeschäft halbieren. Der Fehlbetrag auf Höhe des bereinigten EBITDA liege künftig jährlich bei 25 Mio EUR nach bislang 50 Mio EUR, sagte Vorstandsvorsitzender Ebeling während der Telefonkonferenz.

Zunächst ist das Ausscheiden von N24 aus dem Konzernverbund für die ProSiebenSat.1-Gruppe mit Kosten von bis zu 41 Mio EUR verbunden. Wie Ebeling erläuterte, handelt es sich dabei im Wesentlichen um Geld das man den Käufern für die Restrukturierung zur Verfügung stelle.

Neben den Einmalkosten von bis zu 41 Mio EUR fallen Abschreibungen auf Anlagegüter von voraussichtlich bis zu 12 Mio EUR an. Beide Effekte sollen im zweiten Quartal gebucht werden. Die Transaktion soll das bereinigte EBITDA ab 2011 jährlich um mehr als 25 Mio EUR verbessern und auch 2010 schon zeitanteilig positiv wirken.

Trotz des Verkaufs von N24 werde der Konzern die kommunzierte Prognose für das Gesamtjahr nicht anpassen, sagte Ebeling. ProSiebenSat.1 hatte Anfang Mai angekündigt, das Nettoergebnis in diesem Jahr deutlich zu steigern. 2009 beendete der Konzern mit einem Nettogewinn von 144,5 Mio EUR.

Auch werde man im zweiten Quartal nicht in die Verlustzone rutschen, fügte Ebeling hinzu. Er ließ offen, ob der Gewinn im zweiten Quartal unter dem des Auftaktquartals liegen wird. Dazu müsse man sich bis zur Bilanzvorlage gedulden, sagte Ebeling. Für die ersten drei Monate 2010 hatte ProSiebenSat.1 ein Nettoergebnis von 21,1 Mio EUR verbucht.

In Zukunft will N24 verstärkt auf Reportagen setzen und sukzessive einen Teil der N24-Magazine, die bisher auf Basis von Zulieferungen der ProSiebenSat.1-Gruppe entstanden, durch Dokumentationen und Reportagen ersetzt. Helfen soll dabei der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Aust. "Meine Aufgabe wird es vor allem sein, mich ab sofort um zusätzliche Aufträge für neue Reportagen und Dokumentationen zu kümmern", sagte Aust. Er habe viele Ideen, um dann auch mit anderen Unternehmen ins Gespräch zu kommen. N24 sei jetzt ein unabhängiger Produzent und könne dadurch sowohl mit privaten als auch mit öffentlich-rechtlichen Sendern ins Geschäft kommen, sagte Aust.

Auch sein Magazin-Projekt will Aust soweit wie möglich in das Unternehmen einbringen. Es gebe Möglichkeiten für die Verbindung von Print und Fernsehen, erläuterte Aust. Nach seinem Ausscheiden als "Spiegel"-Chefredakteur hatte Aust ein neues wöchentliches Nachrichtenmagazin entwickelt. Doch die potenziellen Gesellschafter Axel-Springer-Verlag und WAZ-Gruppe hatten sich mit Verweis auf das gegenwärtige wirtschaftliche Umfeld aus dem Projekt verabschiedet.

Vom Verkauf des Nachrichtensenders konnte ProSiebenSat.1 am Aktienmarkt nicht profitieren. Gegen 15.23 Uhr lag die Aktie des MDAX-Konzerns um 3,3% niedriger bei 12,37 EUR, während der MDAX rund 0,7% leichter notierte.

Webseite: www.ProSiebenSat1.com -Von Hans Seidenstücker, Dow Jones Newswires, +49 (0)69 29725 104, unternehmen.de@dowjones.com DJG/has/kla Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de

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