Toshiba will zurück auf den Thron

29.04.2004
Notebooks finden seit zwei Jahren reißenden Absatz. Dennoch verlor Toshiba immer mehr an Boden. Kurze Reaktionszeiten sind gefragt. Dies setzt optimale interne Abläufe voraus. ComputerPartner-Redakteurin Beate Wöhe sprach mit Toshiba-Europa-Chef Michael Fassbender über Restrukturierungsmaßnahmen und die Zukunft des Unternehmens.

Das vergangene Geschäftsjahr war für Toshiba weltweit nicht einfach. Es wurden Reorganisationen angekündigt und teilweise auch schon umgesetzt. Wird das 2004 so weitergehen?

Fassbender Die Toshiba Corporation hat am 9. April in Japan eine Reihe von Strategien und Initiativen für die kommenden drei Jahre vorgestellt, die den Business-Plan vom März 2003 ergänzen werden. Teile der Reorganisation sind bereits abgeschlossen, das heißt, es sind viele Anstrengungen unternommen worden, sich in erster Linie effizienter aufzustellen und natürlich auch Kosten zu reduzieren (siehe dazu Kasten "Toshiba gibt Pläne bis 2006 bekannt").

In Deutschland hat sich Toshiba bereits in drei Vertriebsbereichen neu aufgestellt. Welche sind das?

Fassbender Wir haben uns entsprechend der Ausrichtung auf unsere wichtigsten Kundensegmente und Absatzkanäle in drei Lines of Business aufgestellt. Mit der Line of Business "Home" sind wir in Deutschland bei Retailern präsent. "SMB" ist zuständig für die Distribution sowie unsere direkten und indirekten Fachhandelspartner. Dem "Large-Account" sind Partner zugeordnet, die im Großkundengeschäft zu Hause sind.

Was versprechen Sie sich von dieser Reorganisation?

Fassbender Eine noch stärkere Nähe zum Kunden. Innerhalb der Abteilungen werden die für die Kunden wichtigen Aktivitäten entwickelt und noch spezifischer auf die Zielgruppe zugeschnitten. Jede Line of Business hat eine eigene Budget-Verantwortung. Damit fördern wir das unternehmerische Denken jedes Mitarbeiters: Wir sind Unternehmer im Unternehmen.

Und wie sieht die Aufstellung des Marketings aus?

Fassbender Das Marketing in seiner ursprünglichen Form wurde aufgelöst. Jetzt ist in jeder Line of Business ein eigenes taktisches Marketing platziert, das durch die strategische Marketingausrichtung im Strategic Business Development (SBD) unterstützt wird. Das erfordert natürlich, dass unsere Marketingkolleginnen und -kollegen jeden Tag beim Kunden sind. Der Markt ist heute sehr schnell. Speed ist angesagt. Die Ergebnisse, die vom Markt und von den Kunden zurückkommen, werden sofort vom Strategischen Business Development unter Thomas Kissel-Müller bearbeitet und über Europa nach Japan weitergegeben. Somit verkürzen wir in Zukunft unsere Produktfindungszyklen.

Einer der Gründe für die Reorganisationsmaßnahmen war auch der starke Preisverfall im NotebookBereich. Auch im laufenden Jahr werden die Preise weiter fallen. Einzelne Marktbegleiter prognostizieren Notebooks im Retail-Einstiegssegment für 799 Euro. Wie sieht Toshiba diesen Preispunkt?

Fassbender Ich denke auch, dass der Preisverfall anhalten wird. Auf der anderen Seite sehe ich den Rückgang nicht mehr in der Größenordnung von 20 bis 25 Prozent wie im Vorjahr. Der Preisverfall wird sich im B2B-Segment nicht so dramatisch fortsetzen. Im Consumer-Geschäft sind 799 oder 899 Euro sicherlich die kritische Grenze. Komponenten kosten Geld, und ich kann mir nicht vorstellen, diese magische Schwelle zu unterschreiten. Vielleicht dann, wenn wir statt einem Magnesiumgehäuse ein "Pappgehäuse" verbauen. Es entspricht unserer Strategie, qualitativ hochwertige Produkte zu einem angemessenen Preis anzubieten. Ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ist unser Ziel. Das muss nicht immer der niedrigste Preis sein.

Wo produziert Toshiba derzeit, und wo wird das Unternehmen in Zukunft produzieren?

Fassbender Wir produzieren in unserer Stammfabrik in Ome bei Tokio. Im April vergangenen Jahres haben wir ein weiteres Toshiba-Werk in China eröffnet. Dort werden wir systematisch die Produktionsstückzahlen steigern, weil der chinesische Markt sehr viel versprechend und Toshiba auch dort einer der führenden Player ist. Außerdem sind wir sehr stolz darauf, dass wir durch unser Werk in Regensburg bis zum heutigen Tag Produkte "Made in Germany" anbieten können.

Ende 2002 begann Toshiba auch im Retail stark Gas zu geben. Hat sich der Schritt in diese Vertriebsrichtung für das Unternehmen ausgezahlt?

Fassbender Wir haben uns zur damaligen Zeit den Markterfordernissen angepasst. Vor allem auch, weil der professionelle NotebookBereich durch ein Negativwachstum gekennzeichnet war. In 2003 wurden in Deutschland über 50 Prozent der verkauften Notebooks im Consumer-Segment verzeichnet. Der Consumer-Absatz steigt seit eineinhalb Jahren permanent. Die Forecasts sehen quartalsweise Steigerungen von 30 bis 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum vor. Wir haben uns an diesen Marktprognosen orientiert und sind mit dem Markt gewachsen. Das Geschäft mit den großen Retailern wie Media Markt/Saturn generiert über den eigenen Retail-Kanal hinaus Nachfrage, von der auch der klassische Fachhandel profitieren kann. Letztendlich war die Entscheidung, in den Retail-Markt zu gehen, das richtige Konzept.

Verdient Toshiba im Retail-Markt denn auch Geld?

Fassbender Das Geschäft ist profitabel.

Im indirekten Vertrieb generieren die großen Player, auch Toshiba, Leads für ihre Partner. Werden die Kontakte von Ihrer Seite weiterverfolgt, oder verlaufen sie im Sand?

Fassbender Unsere Kundenanfragen stellen wir Postleitzahlen-orientiert in ein Online-System. Wir kontrollieren auch, ob der Partner sich um das entsprechende Lead gekümmert hat oder nicht. Sollte das nicht der Fall sein, haken wir bei dem Partner nach. Auf dieses System sind wir auch sehr stolz, und es funktioniert hervorragend.

Gericom, der strategische Feind von einst, spielt heute nicht mehr eine so große Rolle wie noch vor zwei Jahren. A-Brands wie FSC und HP haben sich ebenfalls stark im Retail platziert, und Notebook-Hersteller wie Acer und Samsung rücken nach. Wie sehen Sie die derzeitige Situation für Toshiba?

Fassbender Es ist eine altbekannte Tatsache: Je mehr die A-Brands in der Lage sind, das untere Einstiegssegment im Retail-Bereich mit entsprechenden Preispunkten zu besetzen, desto mehr geht dies zu Lasten der B-Brands.

Dass neue Player im Markt nach oben kommen, hat für meine Begriffe eine ganz einfache Bewandtnis: Der Notebook-Markt boomt seit Jahren. Das Desktop-Business konnte lange Zeit kein Wachstum generieren und steigt nun langsam wieder an. Da ist es klar, dass sich fast alle Hersteller auf das Notebook-Geschäft stürzen. Toshiba hat sich im Retail-Business sehr gut positioniert, wir gehören mittlerweile zum Stammsortiment der großen Retailer. An dieser Stelle möchte ich einmal ganz klar sagen: Wir von Toshiba geben zwischen drei und sechs Prozent unseres jährlichen Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus. Meines Wissens trifft das auf gewisse Mitbewerber überhaupt nicht zu. Da wird zugekauft und nicht selbst geforscht und entwickelt.

Mitbewerber wie zum Beispiel Sony oder FSC haben ihr Produktportfolio seit dem vergangenen Jahr sehr stark auch in Richtung Unterhaltungselektronik ausgeweitet. Denkt Toshiba auch über solche Schritte nach?

Fassbender Ich habe kürzlich in einer Wirtschaftszeitung einen Bericht über das Zusammenwachsen der Unterhaltungselektronik mit dem Computer gelesen. Analysten sagen den Herstellern in diesem Markt Milliarden-Euro-Geschäftsvolumina voraus. Da Toshiba bereits heute alle erforderlichen Marktsegmente besetzt, gehen wir natürlich davon aus, dass wir in diesem Geschäftsbereich eine wichtige Rolle spielen werden. Toshiba wird sich entsprechend den Anforderungen des Home-Entertainment-Marktes aufstellen.

Innerhalb welcher Zeitspanne?

Fassbender Relativ kurzfristig.

Welches sind Ihre Ziele und Schwerpunkte für das Geschäftsjahr 2004/2005, das am 1. April 2004 begonnen hat?

Fassbender Unser Ziel als Toshiba Deutschland muss es sein, ein profitables Geschäft zu betreiben und unsere Arbeitsplätze zu sichern. Das zweite Ziel, das ich nicht aus den Augen lassen werde, ist, im Notebook-Markt wieder die Nummer eins zu werden. Im vergangenen Jahr waren wir je nach Analyst entweder an zweiter oder dritter Stelle. Ich denke, dass Toshiba als Hersteller der ersten Stunde des mobilen Computings auf den ersten Platz gehört.

Seit Sommer 2003 ist die Panel-Verfügbarkeit eine Katastrophe. Prognosen sagen auch für das laufende Jahr nur zeitweise Verbesserungen im 15- und 17-Zoll-Bereich voraus. Was würden Sie dem Fachhandel raten? Notebook-Kauf auf Vorrat, aber dafür den Preisverfall in Kauf nehmen?

Fassbender Das kann keine Lösung sein. Der Händler muss heute rechnen - mehr denn je. Lagerbestände sind für den Fachhändler genauso wie für uns ein großes Risiko. Wir als Hersteller haben uns Produktionskapazitäten gesichert und werden unsere Produkte nach Plan ausliefern können. Auch in 2003 war die Panel-Verfügbarkeit für uns keine Katastrophe, sondern es gab aufgrund unserer langfristigen Planung und der Sicherstellung von Kapazitäten nur einige modellbezogene, temporäre Engpässe.

Wie sieht demnach die Notebook-Verfügbarkeit bei Toshiba bis zum Herbst aus?

Fassbender Gut.

Die Prognosen zur aktuellen Wirtschaftslage und der damit zusammenhängenden Investitionsbereitschaft sind sehr unterschiedlich. Die Palette reicht von einem prognostizierten Aufwärtstrend bis zu verhaltenem Pessimismus. Wie schätzen Sie das Jahr 2004 ein?

Fassbender Ich persönlich glaube noch nicht an dieses Wirtschaftswachstum von 1,5 bis 2 Prozent. Das erste Quartal 2004 hat uns in Deutschland gerade mal ein Plus von 0,2 Prozent beschert. Kurzum: Wir alle verfolgen täglich die politischen Diskussionen in Deutschland. Ich denke, dass nun genug diskutiert wurde; in Berlin muss endlich gehandelt werden. Nach den Einschätzungen von Marktanalysten ist allerdings von steigenden IT-Investitionen der Unternehmen auszugehen, da nach Jahren des eisernen Sparens Hardware und Infrastruktur veraltet sind und durch neue Technologie ersetzt werden müssen.

Eine letzte Frage hätten wir noch ...

... Herr Fassbender, Sie sind nicht nur als Manager in der IT-Branche tätig, sondern auch politisch stark engagiert. Beide Bereiche waren im vergangenen Jahr nicht gerade von Erfolg gekrönt. Welcher Job macht Ihnen derzeit mehr Spaß?

Ich bin ja kein Berufspolitiker und will es auch nicht sein. Meine Arbeit bei Toshiba füllt mich voll aus und macht mir Spaß.

Toshiba entdeckt die Flachen

Um den Wachstumsmärkten Heimkino- und Geschäftspräsentationen Rechnung zu tragen, hat Toshiba eine neue EMEA-Division "Projection & Display Technology" (PDT) ins Leben gerufen sowie die Produktpalette um LCD- und Plasmabildschirme erweitert. Fokus im Bereich großformatige Flachbildschirme ist der professionelle Einsatz. Geleitet wird die neue Abteilung von Gerd Holl, bisher Direktor Vertrieb und Marketing bei Toshiba Professional Visual Products (PVP) in Neuss. "Die neue paneuropäische Struktur ermöglicht es uns, effizient, flexibel und kostengünstig zu agieren. Toshiba hat somit die Weichen für ein weiteres Wachstum in den Bereichen Projektion und Display gestellt", so Holl. BW

Toshiba gibt Pläne bis 2006 bekannt

Eine Umsatzsteigerung von zehn Prozent auf 6.200 Milliarden Yen (48,1 Milliarden Euro) will die Toshiba Corporation bis zum Jahr 2006 erreichen. Gleichzeitig soll auch das operative Ergebnis bis zu diesem Zeitpunkt um zehn Prozent auf 280 Milliarden Yen steigen. Diese Ziele gab die Toshiba Corporation als ihre Basisstrategien bis zum Jahr 2006 bekannt.

Um den Plan in die Tat umzusetzen, will der japanische Elektronikriese in den kommenden drei Jahren insgesamt rund 2.100 Milliarden Yen in die Forschung und Entwicklung sowie in neue Produktionsanlagen für Halbleiter und Flachfernseher investieren.

Die Sparte "soziale Infrastruktur" (Kraftwerke, Medizintechnik, Aufzüge) soll als solide Gewinnbasis beibehalten werden. Für den PC-Bereich ist durch Auslagerung der Produktion nach China und die Abwicklung des bereits angekündigten Personalabbaus noch im laufenden Geschäftsjahr die Rückkehr in die schwarzen Zahlen geplant. BW

Zur Startseite