Trend zur Harddisk nach Mass

26.08.1999

MÜNCHEN: "Immer größer, immer schneller" lautete lange Zeit die einzige Entwicklungsrichtung im Festplattenmarkt. Mit einem differenzierten Produktangebot, das auf unterschiedliche Anwenderbedürfnisse eingeht, und speziellen Laufwerksfunktionen versuchen die Hersteller jetzt, den auf ihnen lastenden Druck zumindest etwas zu reduzieren.Der Bedarf an preisgünstigen PCs auf Einsteigerniveau wächst weiterhin. "1999 werden Festplatten mit einer Kapazität von weniger als zehn Gigabyte 75 Prozent des Desktop- und Upgrade-Marktes ausmachen. Mehr als ein Drittel aller neuer US-amerikanischer Desktop-Systeme für den Consumer-Bereich werden weniger als 1.000 Dollar kosten", erläutert Danielle Levitas, Senior Research Analyst bei der International Data Corporation (IDC), die Situation im Massenmarkt. IDC schätzt, daß in diesem Segment bis zum Jahr 2001 ungefähr 38 Millionen Festplatten verkauft werden.

Führende Festplattenhersteller wie Seagate, Quantum oder Western Digital haben ihre Entwicklungsstrategie dem geänderten Markttrend angepaßt. Sie haben ihre Angebotspalette deutlich erweitert und bieten dedizierte Produkte, beispielsweise für die Zielmärkte der PCs unter 1.000 Dollar beziehungsweise unter 700 Dollar, an. Gleichzeitig ist eine Veränderung in den Marketingstrategien zu beobachten. Differenzierung ist angesagt. Standen jahrelang Leistungsmerkmale wie Kapazität und Performance uneingeschränkt im Mittelpunkt der Werbeauftritte, gewinnen jetzt unternehmensspezifische Funktionen zur Erhöhung der Datensicherheit und Zuverlässigkeit an Bedeutung.

hersteller setzen auf unterscheidungsmerkmale

"Laut einer unabhängigen Marktstudie von 1998 war die Zuverlässigkeit eines Produktes bei Resellern ausschlaggebend für die Empfehlung eines Produktes. Performance und Preis waren weniger wichtig", erklärt Brian Dexheimer, der bei Seagate für das Desktop-Marketing zuständig ist, die Beweggründe seines Unternehmens für die Zuverlässigkeitskampagne.

"Seashield" ist die Bezeichnung eines Leistungspakets, mit dem mittlerweile alle neuen Seagate Desktop-Festplatten, wie beispielsweise die für PCs unter 800 Dollar konzipierte U4-Serie, ausgerüstet sind. Maßnahmen zur verbesserten Datenintegrität sind genauso enthalten wie ein Festplatten-Selbsttest und ein elastisches Cover aus stoßdämpfendem, flexiblen Material. Die Einführung von Sea-

shield ist nicht ganz uneigennützig. Die Verantwortlichen hoffen, damit die Rücklaufquote bei Festplatten weiter zu senken.

Shock Protection System (SPS) bzw. Data Protection System (DPS) heißen ähnliche Systeme, mit denen Mitkonkurrent Quantum seine neue Fireball-ICT-Serie ausgestattet hat. Die Produktlinie ist mit Kapazitäten von 4,3 bis 26 GB erhältlich und soll nach Vorstellung von Quantum das Segment der PCs unter 700 Dollar adressieren.

Den Anspruch, als erstes Unternehmen die Notwendigkeit erkannt und spezielle Features zum Datenschutz in seine Festplattenlaufwerke integriert zu haben, proklamiert Western Digital für sich. Die integrierten Funktionen des sogenannten Data

Lifeguard ermöglichen nach WD-Angaben die automatische Erkennung, Isolation und Reparatur von Problembereichen auf der Festplatte, noch bevor ein Datenverlust eintreten kann.

Robert Peyton, Director European Storage Research bei International Data Corporation (IDC), betrachtet den neuen Trend zur Zuverlässigkeit pragmatisch. "Bei den meisten dieser Sicherheitspakete handelt es sich um Softwarelösungen innerhalb der Laufwerks-Firmware. Dem Anwender wird ein Mehrwert geboten, der den Hersteller nichts oder nur sehr wenig kostet."

Ein Rückblick auf das Jahr 1998 macht das Dilemma deutlich. Die Zahl der verkauften Laufwerke stieg zwar weltweit um 11,1 Prozent auf 143,6 Millionen Stück, gleichzeitig wurde allerdings beim Umsatz ein Rückgang um sieben Prozent verzeichnet. Noch krasser waren die Umsatzeinbußen bei Desktop-Platten. Sie lagen sogar bei zehn Prozent.

"Mit einer Festplatte, bei deren Entwicklung Wert auf Kosteneffizienz und wettbewerbsfähige Leistungsmerkmale gelegt wurde, helfen wir unseren Kunden, neue Computing-Märkte zu erschließen", erklärt Brian Dexheimer von Seagate. Eine Entscheidung, die mittlerweile von vielen OEM-Kunden begrüßt wird. Mußten bisher preiswerte Massenmarkt-PCs aus Kostengründen häufig mit Festplatten älterer Modellgenerationen bestückt werden, kann man aufgrund der neuen Produktpolitik der Harddisk-Hersteller heute Festplatten mit neuester Technologie einsetzen. Abstriche bei der Rotationsgeschwindigkeit, der Zugriffszeit oder der Datentransferrate werden aufgrund des attraktiven Preises in Kauf genommen. Dennoch gibt es keinen Grund für Entwarnung an der Preisfront, wie IDC-Analyst Peyton bestätigt. Seine Prognose, daß die durchschnittlichen Abgabepreise im dritten Quartal 1998 mit 128 Dollar ihren Tiefpunkt erreicht haben, muß er mittlerweile revidieren. "Der Anstieg im vierten Quartal 1998 auf 130 Dollar war offenbar kein Trendwechsel. Die Zahlen von 1999 zeigen, daß die Preise für Desktop-Platten wieder spürbar nachgegeben haben." Ob sich die Festplattenhersteller unter diesen Umständen über die für 1999 erwartete Zuwachsrate von 17,8 Prozent auf 169 Millionen verkaufte Laufwerke freuen können, scheint mehr als zweifelhaft. (sd)

Mit Kapazitäten bis zu 8,4 GB wurde die Seagate U4-Serie speziell für den Entry-Level-Markt der PCs unter 800 Dollar entwickelt.

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