Trends, Perspektiven und Veränderungen im IT-Arbeitsmarkt

24.10.1997
MÜNCHEN: IT-Unternehmen bewegen sich in einem der größten Wachstumsmärkte der Welt und haben für große Veränderungen auf dem Weltarbeitsmarkt gesorgt. Doch fällt es schwer, diese Dimensionen im Kleinen nachzuvollziehen, um zu erkennen, welche konkreten Schlußfolgerungen jeder einzelne daraus ziehen muß. Der folgende Beitrag von Stefan Rohr*) faßt einige wichtige Aspekte zum Thema Arbeitsmarkt im Bereich der IT zusammen.Sie, die Leser, sind Manager oder Mitarbeiter und sind so selbst ein Teil einer besonders interessanten Wirtschaftswelt. Eine Welt, die sich mit diversen Charaktermerkmalen von dem großen Feld der klassischen Industrie unterscheidet. Sie vertreten IT-Unternehmen und gehören so zu einem Wirtschaftssektor, den es vor wenigen Jahren noch nicht einmal gab und der jüngst den reichsten Mann des Abendlandes hervorgebracht hat.

MÜNCHEN: IT-Unternehmen bewegen sich in einem der größten Wachstumsmärkte der Welt und haben für große Veränderungen auf dem Weltarbeitsmarkt gesorgt. Doch fällt es schwer, diese Dimensionen im Kleinen nachzuvollziehen, um zu erkennen, welche konkreten Schlußfolgerungen jeder einzelne daraus ziehen muß. Der folgende Beitrag von Stefan Rohr*) faßt einige wichtige Aspekte zum Thema Arbeitsmarkt im Bereich der IT zusammen.Sie, die Leser, sind Manager oder Mitarbeiter und sind so selbst ein Teil einer besonders interessanten Wirtschaftswelt. Eine Welt, die sich mit diversen Charaktermerkmalen von dem großen Feld der klassischen Industrie unterscheidet. Sie vertreten IT-Unternehmen und gehören so zu einem Wirtschaftssektor, den es vor wenigen Jahren noch nicht einmal gab und der jüngst den reichsten Mann des Abendlandes hervorgebracht hat.

Ihre Unternehmen bilden in der Regel Paradebeispiele für Innovation, Flexibilität und Anpassungsvermögen. Ihre und viele andere Unternehmen haben in kürzester Zeit den größten Wachstumsmarkt erobert, die Weltwirtschaft revolutioniert und für viele Veränderungen innerhalb der Weltarbeitsmärkte gesorgt. Viele Ihrer Unternehmen gelten national oder gar international als Vorzeigefirmen und Rekordbrecher.

Sie selbst gehören vielleicht direkt zu den bestimmenden Gruppen eines Arbeitsmarktes, der sich wie kein anderer je zuvor explosionsartig entwickelt hat, weltweit jährlich mehrere Billionen Dollar erwirtschaftet und einem atemberaubenden Wandel unterliegt. Herkömmliche Entwicklungsprozesse sind in ihrer Dimension gegenüber der IT-Welt nahezu als lächerlich zu bezeichnen und reichen in ihrer Kraft und Dynamik selbst bei vorsichtigen Vergleichen nicht an die der IT-Welt heran.

Der IT-Markt ändert sich in Zyklen, die es so kurz noch nie gegeben hat. Techniken, Technologien und Konsequenzen hieraus werden in kürzesten Abständen aus den Labors in die Wirtschaft katapultiert und revolutionieren nahezu täglich ein Stückchen mehr ihre Umwelt. Als ein unscheinbar kleiner Teil dieses Phänomens allerdings fällt es einem naturbedingt sehr schwer, sich einmal die Mühe zu machen, diese Dimensionen nachzuvollziehen und dabei zu erkennen, welche Aufgaben und Pflichten einem selbst in der eigenen Funktion zukommen. Widmen wir uns also einigen wichtigen und aktuellen Aspekten, Trends und Thesen, die unsere Arbeitswelt im Bereich der IT beeinflussen.

Der Wandel im IT-Arbeitsmarkt

1. These:

Mit fortschreitender Zeit steigen die Know-how-Anforderungen an die IT-Mitarbeiter nahezu überproportional.

Die Mitarbeiter in den Unternehmen, ob nun auf Anwenderseite oder auf seiten der IT-Spezialisten selbst, müssen sich mit immer schneller wechselnden Technologien, Methoden und Standards abfinden. Die Verfallzeiten des Know-hows haben sich so dramatisch verkürzt, daß wir gerade in der IT-Arbeitswelt von einem ständigen Lernprozeß in nahezu überproportionaler Dimension sprechen müssen. Immer höhere Qualifikationen, immer breitere Kompetenzen und immer flexiblere Mitarbeiter sind notwendig, um diesen Anforderungen zu genügen.

Die Unternehmen müssen daher akzeptieren, daß sie die Qualifikation der Mitarbeiter deutlich intensiver zu betreiben und zu fördern haben und wesentlich mehr Investitionen hierfür zulassen müssen, als es noch vor zum Beispiel zwölf Jahren der Fall war. Die Mitarbeiter und deren Betriebsräte haben zu akzeptieren, daß nicht alle Angestellten künftig diesen Anforderungen genügen werden, daß Qualifikation auch nicht allein die Sache des Unternehmers ist und daß der Wettbewerbsdruck und die Veränderungen auf seiten des Kunden unabdingbar eine Bestenauswahl der Mitarbeiter in den IT-Unternehmen zum "Überleben" erfordert.

2. These:

Es findet eine Verlagerung der stellenanbietenden Unternehmen statt.

Der künftige "klassische" IT-Arbeitsmarkt wird von den IT-Unternehmen selbst dargestellt.

Untersuchungen haben ergeben, daß mittlerweile in Deutschland mehr als 60 Prozent der jährlich offenen IT-Arbeitsplätze von den Softwareherstellern, den IT-Dienstleistungsfirmen und dem IT-Handel angeboten werden. Diese sich abzeichnende Verlagerung bedeutet viel für die Mitarbeiter in der IT-Welt. Die Form und die Ausprägung der Arbeitsplätze selbst wird dadurch völlig anders. Denken Sie dabei allein nur einmal an die Mobilität, die Reisebereitschaft, die Serviceorientierung und die wechselnden Tätigkeitsorte.

Immer mehr Jobs entstehen in Beratungsfirmen und setzen so viele zusätzliche Kompetenzen und persönliche Eigenschaften der betreffenden Mitarbeiter voraus, ganz andere als zum Beispiel bislang in der DV-Abteilung eines Versicherungsunternehmens.

Es entstehen weiterhin hohe Chancen bezüglich der Grundzüge unserer IT-Arbeitswelt. Immer mehr Telearbeitsplätze werden geschaffen, das virtuelle Unternehmen hält nach und nach Einzug in unsere Wirtschafts- und Arbeitswelt, und Kunst sowie Kreativität werden zum Beispiel durch das Internet und die diesbezügliche Veränderung der Medienwelt immer häufiger Bestandteil der sonst allein technischen Arbeit in der IT. Die Gruppe der IT-Freiberufler wird zunehmend größer gefragter und gefährdet viele der herkömmlichen "Festanstellungen". In nur zehn Jahren hat sich diese Gruppe von Einzelunternehmern in England zum Beispiel verdreifacht. In Deutschland bahnt sich ein ähnlicher Wandel an. Allein hier schätzen Experten die Anzahl bis zum Jahre 2005 auf 60.000 bis 100.000 IT-Freiberufler. Was nur dieses für den IT-Arbeitsmarkt bedeutet, wird jedem klar sein.

3. These:

Das traditionelle Karrieredenken findet in der IT-Arbeitswelt eine neue Definition und Werteausprägung. Die Karriere- und Laufbahnmöglichkeiten gestalten sich drastisch anders.

Immer schlankere Organisationstrukturen lassen immer weniger Führungsfunktionen in den Unternehmen zu, und immer mehr Führungsverantwortung wird auf die Ebene der fachlichen Eignungsträger verlagert. Karrieredenken in Form eines allein hierarchischen "Aufstieges" in einem Unternehmen hat sich zugunsten eines neuen Wertegefühls verändert. Karriere ist künftig zunehmend als Spezialist möglich und endet nicht automatisch im Mittelmaß der Laufbahnordnung.

Viel früher als noch vor wenigen Jahren hat sich der Mitarbeiter zu entscheiden, welchen Karriereweg er gehen möchte. Oft wird seine Zielorientierung bereits mit der Wahl seines Studienganges verankert. Das stellt die jungen Einsteiger in die IT-Arbeitswelt vor viele Probleme. Vor Probleme der äußerst frühen Wegentscheidung und vor viele soziale Folgeerscheinungen, insbesondere dadurch, daß sich das klassische Denken zum Beispiel der erziehenden Generation oder der "älteren" Führungskräfte kaum mit diesen "neuen" Laufbahnmöglichkeiten identifizieren und "abfinden" können.

Gesellschaft, Berufsvorbereitung, Schulen und Universitäten bereiten hier noch nicht genug vor, begegnen diesem Wandlungsprozeß unzureichend und vermitteln eher noch gegenteilige Werte und zum Teil kontraproduktive Einstellungen. Das trägt sich somit weiter in die IT-Arbeitswelt und stellt alle verantwortlichen Gremien, Führungskräfte und Betriebsräte gleichermaßen vor viele Indifferenzen bezüglich der Karriereerwartungen und der real machbaren Laufbahnplanung, Qualifizierung und individuellen Karriere.

4. These:

Im Gegensatz zu der erziehenden und "älteren" Arbeitnehmergeneration haben die jungen Mitarbeiter weitaus andere persönliche Vorstellungen und Prioritäten für ihr Berufsleben. Es vollzieht sich ein Wandel der Werteempfindungen und Wünsche qualifizierter Mitarbeiter.

Die Philosophie, die Arbeitgeberloyalität vor die Eigeninteressen zu stellen, ist kaum noch anzutreffen. Das Selbstverständnis um das Verhältnis zwischen Leistungserbringung und Leistungsentlohnung nimmt die vorrangige Empfindungshaltung ein. Man arbeitet nicht mehr für den Arbeitgeber und den Arbeitsplatz, sondern für sich selbst, für die berufliche Zufriedenheit, für die Umsetzungsmöglichkeit des Erlernten in die Praxis sowie die Erfüllung privater Ziele und Wünsche durch das verdiente Entgelt.

Im Mittelpunkt steht daher das sichere und objektive Bewerten der eigenen Aufgabe und der eigenen Leistung. Es wird nach Orientierung und nach konstruktiver Kritik gesucht. Qualifizierung wird nicht mehr als "Geschenk des Arbeitgebers" betrachtet sondern vielmehr als unabdingbare Voraussetzung für die Aufgabenerfüllung und Zielerreichung.

Es werden klare Ziele erwartet, die es mit einer möglichst hohen Eigenverantwortlichkeit zu erfüllen gilt. Gängelei und Bevormundung werden strikt abgelehnt und als Einschränkung der persönlichen Leistungsflexibilität verstanden.

Der Wunsch nach Verantwortung für sich selbst und auch für einen bestimmten Verantwortungskreis steht über dem Wunsch nach Titel und hierarchischem Rang. Wechselnde Aufgaben werden als interessant verstanden und nicht mehr als unangenehmes Neulernen, dem es mit steigendem Alter zu entgehen gilt. Mit diesem Selbstverständnis haben sich Unternehmen, Führungskräfte und Betriebsräte viel intensiver zu befassen, als es derzeit noch in der Praxis geschieht. Verstehen wir als Führungskräfte und Interessenvertreter diese Einstellungen und Forderungen nicht, so wird eine moderne und zeitgemäße Führung und Mitbestimmung nur unzureichend zu erfüllen sein, was leider auch allzu oft in der Praxis die notwendigen und gewollten Veränderungen verhindert.

Der Trend zur leistungsorientierten Vergütung

5. These:

Die Leistungsorientierung steht im zentralen Mittelpunkt des Erwartungsbildes der IT-Mitarbeiter.

Anonymität im Kreise der Belegschaft ist zunehmend unerwünscht. Aufgabe und Auswirkung innerhalb der eigenen Tätigkeit muß verständlich sein und wird von immer mehr Mitarbeitern gefordert. Das führt auch zu einer gezielten und gewollten Abgrenzung der eigenen Leistung gegenüber anderen Leistungsträgern. Insbesondere

wenn die eigene Leistung als überdurchschnittlich empfunden wird, verlangen jüngere Mitarbeiter die individuelle Betrachtung und Würdigung.

Der Gedanke der Leistungsorientierung kann deshalb nicht mehr als clevere Form der "Ausbeutung" herabgewürdigt werden. Vielmehr trifft ein derartiges Führungsinstrument die ureigene Erwartungshaltung der Mitarbeiter. Leistungsorientierung kann nicht zum Feindbild geraten, sie kann lediglich falsch konzipiert werden, an der Unternehmensrealität vorbei gehen und vor allem von unwilligen, schlechten oder falsch qualifizierten Führungskräften unzureichend umgesetzt werden.

Die eigene Leistung gilt für viele Mitarbeiter als Antrieb und als Motiv für die Selbstzufriedenheit. Wird daher eine Leistungsorientierung im Unternehmen richtig und fair durchgesetzt, ist sie ein unverzichtbares Instrument der Mitarbeiterführung und bestimmt auf förderliche Weise die Unternehmenskultur. Wo Leistung gemessen, beurteilt und in den Personalentwicklungsprozeß überführt wird, da ist auch eine gezielte Qualifikation möglich. Wer die Zusammenhänge zwischen Führung, Leistungsmessung, transparenter Zielvorgabe, Qualifikation und Mitarbeiterentwicklung ignoriert, sie als unbezahlbar abstempelt oder die Führungskräfte nicht zur Erfüllung verpflichtet, der wird künftig keine leistungsfähigen Mitarbeiterpotentiale vorfinden.

Insbesondere in der IT-Arbeitswelt, in der wir meist hochqualifizierte und überdurchschnittlich intelligente Mitarbeiter vorfinden, muß sich diesem Themenkomplex verstärkt gewidmet werden.

6. These:

Die Leistungsorientierung und deren Auswirkungen auf die Vergütung sind nicht voneinander zu trennen.

Der immer höher bewertete Freizeitausgleich muß bezahlt werden. Kino und Lesen sind nicht mehr die alleinigen Freizeitbeschäftigungen anspruchsvoller Mitarbeiter. Insbesondere in der IT-Welt finden wir ein buntes Kaleidoskop von Hobbys, Interessen und Vorlieben bei den Mitarbeitern vor, mit denen man sich vom technisierten Alltag löst und Entspannung findet.

Gehalt spielt natürlich nicht nur deshalb eine bedeutende Rolle. Auch unsere Väter werden sich wohl kaum dagegen gewehrt haben, kontinuierlich ein bißchen mehr zu verdienen. Allerdings ist die Ver

bindung zwischen der eigenen Leistung und der zunehmend offen kommunizierten Forderung nach adäquater Entlohnung bei den heutigen Mitarbeitern in einer ganz anderen Ausprägung vorhanden und wird viel selbstverständlicher in Anspruch genommen.

Je besser die Leistung, desto höher die Erwartung an eine gerechte Vergütung. Je höher die Leistung, desto deutlicher die Abgrenzung zu Leistungsschwächeren. Ganz simpel und doch so kompliziert. Diesem zu folgen setzt klare und einheitliche Leistungsmessungen voraus. Das wiederum kann nur dann gewährleistet werden, wenn Vergleiche im Unternehmen auf objektiver Basis erfolgen können und nicht durch persönliche Animositäten oder Führungsunfähigkeiten der Manager geprägt sind.

Dieses zu gewährleisten ist schwer und setzt viele Prozeßschritte sowie Selbstkritik voraus. Allerdings gibt dieser Umstand nicht das Recht, derlei Vorhaben zu verhindern und damit abzuweisen, daß die vermeintliche Objektivität ebenso unrealistisch ist wie der Mann im Mond. In jedem Wertschöpfungsprozeß gibt es Starke und Schwache. Wissen und Engagement, Qualitätsbewußtsein und Lernwille sind insbesondere in der IT-Arbeitswelt meßbare Kriterien und zeichnen den Leistungsträger aus. Wer will denn ernsthaft annehmen, daß eine überdurchschnittliche Leistung dauerhaft erbracht wird, wenn diese nicht gleichsam belohnt wird. Leistungsmessung und leistungsorientierte Vergütung sind daher verbunden, wie das Ei mit der Schale. Trennt man beides, so wissen Sie selbst, was man sodann in Händen hält.

Veränderungen der Gehaltssystematiken unter der

Prämisse "Flexibilisierung"

7. These:

Die IT-Unternehmen unterliegen dem Zwang zur Aufweichung des kontinuierlichen Besitzstandswachstums. Nur so ist ein ungewollter Arbeitsplatzabbau in Krisenzeiten und die kontinuierliche Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten.

Die IT-Branche ist von einer besonderen Personalintensität betroffen. Die Mitarbeiter sind zudem hochqualifiziert und in der Regel akademisch vorgebildet. Schon fast als traditionell kann das in der IT-Arbeitswelt hohe Gehaltsniveau bezeichnet werden, das zudem eher ansteigt als absinkt, was wiederum mit den immer höher vorgegebenen Qualifikationen und Arbeitseinflüssen zusammenhängt.

Im IT-Dienstleistungsmarkt wird sehr oft das gesamte Kostengerüst bis 80 Prozent und mehr durch Personalkosten gebildet. Dieser Umstand ist einerseits nicht gerade als arbeitsplatzsichernd zu betrachten und zudem für viele Unternehmen der IT-Dienstleistung durchaus bestandsgefährdend.

Dem Druck und der Marktsituation folgend zahlen viele Unternehmen gute Gehälter, honorieren Mobilität und funktionsbedingte Unannehmlichkeiten mit entsprechenden Höchstgehältern. Der große Wettbewerbsdruck und der Wandel des Kundenmarktes in einen Käufermarkt, in dem der Kunde die Leistungen bestimmt (was noch vor wenigen Jahren umgekehrt war, da bestimmten die Anbieter, was der Kunde zu kaufen hat), dieses sorgte in den vergangenen fünf Jahren für deutliche Rückschritte der Profitmarge.

Noch 1982 war eine Umsatzrendite von unter 15 Prozent ein Zeichen für ein bereits dem Tode nahes IT-Dienstleistungsunternehmen. Der Schnitt lag durchaus bei 20 Prozent und mehr, bis zu 35 und 40 Prozent. In der heutigen Situation freut sich bereits das Gros dieser Branche über Umsatzrenditen von sechs Prozent. Zehn Prozent und mehr ist nur sehr wenigen vergönnt.

Im IT-Handel sieht dieses noch viel düsterer aus. Auch Sie kennen sicherlich die dünnen Margen, und der Verbraucher freut sich natürlich über den steten Preisverfall seines privaten PCs. Dem Unternehmen Escom allerdings hat unter anderem genau das den Kopf gekostet und dem Arbeitsmarkt eine Vielzahl von vakanten Mitarbeitern beschert. Somit sind stets und ständig in Deutschland viele der Arbeitsplätze in den IT-Dienstleistungsfirmen als latent gefährdet zu betrachten, da in schlechten Zeiten spontane und deutliche Kostensenkungen nur über die Gehälter machbar werden.

Dem allerdings stehen Gesetze, Verordnungen und Arbeitsgerichte entgegen. So rangiert in der Regel in Krisenzeiten der Arbeitsplatzabbau zwangsläufig vor der Gehaltskürzung. Arbeitsplatzabbau bedeutet jedoch auch ein Verlust an Kompetenz, Wettbewerbsfähigkeit und Marktbedienung. Ein Kreislauf, der bereits viele deutsche IT-Dienstleister in kurzer Zeit von der Oberfläche verschwinden ließ. Aus diesem Grund entwickelt sich ein massiver Trend dahin, die Gehälter in den IT-Dienstleistungsunternehmen zu "flexibilisieren", was nichts anderes heißt, als bestimmte, verträgliche Gehaltsbestandteile der Kürzungsmöglichkeit zu unterziehen.

Derlei Methoden sind nicht neu. Im Verkauf und im Vertrieb kennen wir dieses schon lange in Form der Variabilität. Je mehr Umsatz produziert wird, desto mehr verdient der Vertriebsmitarbeiter. Ein Regulativ, daß durchaus Sinn macht, allerdings nur bei IT-Funktionen, die auch direkt den Verkauf verantworten. Flexibilisierung dagegen ist ein Verfahren, daß sich über ein gesamtes Unternehmen erstreckt und alle Funktionsgruppen zunächst methodisch gleichermaßen betrifft. Ist alles in bester Ordnung, so spürt die Belegschaft kaum etwas von der Flexibilisierung. Erst in Krisenzeiten wird der benötigte Teil aus den flexiblen Gehaltsbestandteilen eingespart. Da es sich dabei um einen unternehmensübergreifenden Schritt handelt, ist die Auswirkung für den einzelnen Mitarbeiter durchaus als verträglich und sozial gerechtfertigt anzusehen, vor allem vor dem Hintergrund, daß Entlassungen und Arbeitsplatzstreichungen somit nicht notwendig werden.

Die Unternehmen behalten ihre Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitsplätze insgesamt bleiben erhalten. Dieser Vorgang verlangt allerdings von allen beteiligten Parteien (Unternehmensleitung, Management und Betriebsrat) ein gegenseitiges Verständnis für Fairneß und betriebswirtschaftliche Notwendigkeit sowie ein soziales Grenzverständnis. Zudem birgt die Flexibilisierung enorme Möglichkeiten der Verbindung und Verknüpfung mit modernen Führungsphilosophien, wie Leistungsbeurteilung, Zielvereinbarungsverfahren (Management-by-objectives), Mitarbeiterbeteiligung, Cafeteria-Systeme, Incentives, Qualifizierung und dem allgemeinen Personalmarketing.

Innovationspotentiale innerhalb der betrieblichen Mitbestimmung

8. These:

Der Gewerkschaftsgedanke wandelt sich von dem Ziel der Systemabschaffung hin zum Ziel der Systemveränderung.

Die Gewerkschaften und die Betriebsräte haben das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht abschaffen können, ob sie dieses nun wollten oder nicht. Sie werden durch ihre Führungen nunmehr eher aufgerufen, das System in ihrem Sinne zu verändern und innovativ zu befruchten.

Abschaffung hieß bislang Kampf. Veränderung bedeutet dagegen konstruktive Mitarbeit und der positive Wille zur aktiven Gestaltung. Nahezu allein auf das Reagieren ausgerichtete Mitarbeitervertretungen sind allerdings leider noch in der Überzahl. Es fällt in der praktischen Arbeit immer wieder auf, daß sich seitens der Betriebsräte konsequent gegen eine Mitgestaltung ausgesprochen wird. Der Gedanke, sich "vor den Karren spannen zu lassen", die Vertretung der Mitarbeiterinteressen damit zu kolportieren, somit gegen die eigenen Interessen zu handeln, ist zutiefst verankert und so unnütz wie ein Kropf.

In vielen Fällen gelingt es, die Mitarbeitervertretung in die aktive Mitgestaltung einzubeziehen. In solchen Fällen kommt es nahezu immer zu äußerst erfolgreichen Lösungen, und es gelingt, daß Unternehmensleitungen und Mitarbeiter gesunde und tragfähige Kompromisse vereinbaren können. Mitgestaltung der Interessenvertreter, dieses auf allen Seiten, ist Voraussetzung für förderliche Ergebnisse und eine Chance, die eigenen Vorstellungen frühzeitig und abgewogen zu vertreten. Ein "Verrat" an der jeweils eigenen Gruppe kann nicht unterstellt werden, solange die Vorteilsnahme ausgewogen und im Einklang mit der Mitbestimmungsverpflichtung und den intern abgestimmten Zielen bleibt.

9. These:

Für eine derartige Mitgestaltung fehlt es den Betriebsräten jedoch an Know-how und Erfahrungen.

Für die Vertretung der Interessen des Unternehmens sucht sich das Management versierte Berater. Ein Vorteil, der den Mitarbeitervertretungen meist versagt bleibt und somit eine Benachteiligung beinhalten kann. Die Mitarbeitervertreter stammen aus allen Funktionsgruppen des Unternehmens und haben in der Regel meist völlig unterschiedliche Kompetenzen und Wissensgrundlagen.

Ebenso allerdings sind es zum Teil die Unternehmer und die Geschäftsführer, denen auf ebensolche Weise gravierende Mankos im Bereich der Personalführung und der Handhabung von Instrumenten zugesprochen werden muß. Begegnen sich also diese Parteien, die beide nicht allzuviel Know-how bei der Konzeption und Implementierung von innovativen und förderlichen Personalführungsabläufen aufweisen, kann kaum ein positiver Erfolg generiert werden. Beide Parteien verstecken sich hinter Grundsatzphilosophien, weil die detaillierte Fachargumentation keiner Seite möglich ist. Und das ist natürlich peinlich. Keiner möchte zugestehen, zwar Innovationen fördern zu wollen, jedoch nicht zu wissen, wie das korrekt realisiert werden kann. Macht eine Seite dann Vorschläge, so mangelt es diesen entweder an Umsicht (Fairneß, Realisierbarkeit, Ausgewogenheit) und Beachtung der grundlegenden Regelungen (Mitbestimmung, Betriebsverfassungsgesetz) oder eben an Bodenständigkeit, weil zu viel verlangt wird und die jeweils andere Parteienrolle nicht verstanden wird.

Den Betriebsräten kann nur angeraten werden, sich in den Fragestellungen und Problematiken, in denen sie demnächst zu entscheiden haben, intensiver weiterzubilden. Hier verbirgt sich auch eine enorme Verpflichtung zur Angebotssteigerung seitens der Gewerkschaften, die schließlich die Aus- und Weiterbildung der Betriebsräte in Händen halten und deutlich mehr in diese Richtung zu wirken haben.

Innovationspotentiale in der mitarbeiterorientierten Unternehmens-führung und dem personalführenden Management

10. These:

In keiner Branche wie der IT sammeln sich so viele hochqualifizierte Führungskräfte mit dermaßen wenig Know-how in der Personalführung. Das Defizit innerhalb der Personalführungsqualifikation ist erschreckend.

Üblich ist es in der IT-Arbeitswelt, daß derjenige eine leitende Position erhält, der der beste IT-Experte ist. Wen kann es da noch wundern, daß sich das Führungsverständnis der Führungskräfte in der IT-Arbeitswelt auch nahezu ausschließlich auf Know-how-Fragen konzentriert. Für die kompetente und moderne Personalführung wird niemand so recht qualifiziert. Geld wird schließlich mit der IT verdient und nicht mit Führungstheorie.

Diese Unsitte ist in den meisten IT-Unternehmen bis zum heutigen Tage in Deutschland fest verankert. Dieses hat zur Folge, daß selbst innovativ ausgerichtete Unternehmensleitungen, die die Notwendigkeiten einer professionellen Personalführung erkannt haben, bereits beim Umsetzungsansatz an ihrem eigenen Management scheitern.

Es paart sich Ignoranz, Selbstgefälligkeit mit Arroganz und Unvermögen. Die meisten Führungskräfte befürchten zu sehr die Entlarvung ihrer eigenen Defizite, sobald eine erhöhte und transparente Personalführung von ihnen abverlangt werden würde. Sie sträuben sich daher sehr oft mit Händen und Füßen, künftig dem Gedanken einer systematisierten, offenen und kommunikationsorientierten Personalführung zu folgen und erfinden Ausreden oder boykottieren schlichtweg ganze Projekte.

Konstruktiver Führungsstil wird mit "Führung aus dem Bauch" verwechselt. Nicht selten basiert die eigene Führungskompetenz in der Selbstbetrachtung auf dem gottgegebenen Talent, ein geborener "Chef" zu sein. Jüngere Führungskräfte, die aus eigenem Erleben moderne Werteempfindungen beachten wollen, werden von ihren eigenen Management-Kollegen belächelt und in ihrem Vortrieb behindert.

11. These:

Den Führungsdefiziten in der IT-Welt muß zunächst mit der Verdeutlichung der "Verantwortungsverantwortung" begegnet werden. Hiernach hat eine gezielte Qualifikation zu folgen.

Nur mit mühevoller Zuwendung und eindringlichen, detaillierten Argumenten ist es vielfach möglich, eine Verdeutlichung der Führungsverantwortung im jeweiligen Management zu erzeugen. Viele kennen die Inhalte ihrer Rolle nicht und glauben, daß der Titel auf der Visitenkarte ausreicht, den Inhalt der Führungsaufgabe als erledigt zu betrachten.

Die Unternehmen sind aufgefordert, das Selbstverständnis und die Qualifikation zum Thema Führungsverantwortung zu erfüllen und tragen die ursächliche Verantwortung. Qualifikation ist kostspielig, zeitaufwendig und auch nicht immer bequem. Führungskräfte haben nie Zeit und haben doch - recht betrachtet - eigentlich ausgelernt. Dieser simplen Argumentation wird allzu häufig gefolgt, anstatt zu erkennen, daß sich nur durch eine qualitativ hochwertige Personalführung professioneller Unternehmenserfolg generieren läßt. Und wenn schon nicht der eigentliche Sinn die Antriebsfeder darstellt, so sollte es dann doch wenigstens das wirtschaftliche Erfolgsstreben sein. Und dem sind die Manager in jedem Falle verpflichtet.

In guten Systemen wird daher zunehmend auch in der IT-Arbeitswelt die Führungskompetenz von Managern ausgebildet und die Umsetzung im Unternehmen strikt beurteilt. Die Qualifikation der IT-Manager in puncto Führung ist daher nicht als optional zu betrachten. Sie stellt daher eine elementare Vorgabe dar, die es möglichst schnell zu realisieren gilt.

Fazit

Es ist sehr leicht, den Wandel zu beklagen und die Unannehmlichkeiten herauszufiltern. Nur wer Mut hat, den Wandel auch zu gestalten, wird seiner Rolle als Unternehmer, Manager, Betriebsrat, Mitarbeiter oder Berater gerecht. Dieses darf allerdings nicht als Schimpftirade gegen das Althergebrachte verstanden werden. So neu sind die proklamierten Kerninhalte vieler Instrumente und Trends nun auch wieder nicht. Sie sind vielmehr die Veränderung einiger zum Teil als veraltet verworfener Methoden, oft lediglich in neue Amerikanismen gekleidet und von Gurus als Allheilmittel, wie ein Haarwuchsmittel für Glatzköpfe, angepriesen.

Althergebrachtes dient zwar in der Regel nicht, Innovationen zu erzielen. Althergebrachtes muß allerdings auch nicht immer falsch sein und deshalb abgelehnt werden. Jedes Unternehmen ist ein individuelles Konstrukt und lebt mit den Gestaltern, die in diesem die Verantwortung tragen oder mitbestimmen. Dabei ausschließlich auf die aktuelle "Sau" zu setzen, die gerade einmal durchs Dorf gejagt wird, ist nicht immer geeignet, die anstehenden Probleme auch zu lösen.

Ich schimpfe weiß Gott auch nicht auf die Gewerkschaften. Gäbe es keine, so müßten sie heute erfunden werden. Die Rolle der Mitbestimmung ist ein Manifest der sozialen Marktwirtschaft und muß daher überleben. Ein gewerkschaftliches und betriebsrätliches Wirken allerdings, auf Basis der Unbeweglichkeit und Innovationsunfreude, ist hierfür sicherlich die ungeeignetste Vorgehensweise. Und das erlaube ich mir für diesen Fall schon zu kritisieren.

Als Unternehmensvertreter sind wir sicher alle in dem Wunsche verhaftet, mit anspruchsvollen, offenen und aktiven Betriebsräten sowie mit offenen und qualifizierten Führungskräften zusammenzuarbeiten. An beiden Gruppen kommen wir innerhalb unserer Arbeit nicht herum, so schön das auch das eine oder andere Mal wäre. Ich persönlich tue das sogar gerne, da ich fest daran glaube, daß die meisten Führungskräfte und Betriebsräte in den Unternehmen eigentlich auch gestalten wollen, wenn man sie denn nur lassen würde.

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