Treue verpflichtet - auch die Hersteller

15.11.2001

Der Wunsch der deutschen Fachhändler nach einer intensiven, gegenseitigen Partnerschaft mit einem einzigen Hardware-Hersteller ist groß. Ihre Bereitschaft, viel Zeit und Geld in eine monogame Beziehung zu stecken, ist sogar noch größer. Doch wie in jeder echten Partnerschaft verlangt man bei so viel Einsatz auch vom anderen ein gewisses Maß an Hingabe, Unterstützung und Treue. Und hier liegt die Krux dieses empfindsamen Beziehungsgeflechtes. Während ein Systemhaus sehr wohl mit nur einem einzigen Hersteller glücklich und erfolgreich sein kann (siehe dazu den Artikel auf Seite 36), ist diese Monogamie für einen Hersteller absolut unmöglich. Er braucht ein bundesweites Netz an Vertriebspartnern, um seine Produkte an den Kunden zu bringen und Marktanteile zu gewinnen.

Während also der Fachhändler die Monogamie anstrebt, ist der Hersteller eher mit einem Mormonen zu vergleichen, der mit mehreren Frauen eine funktionierende Großfamilie zum Ziel hat. Egal, wie die Beziehung aber aussieht, in beiden Fällen sind alle Partner verpflichtet, ihren Anteil zum Fortbestand der Gemeinschaft zu leisten. Das bedeutet für den Fachhändler: Er muss sich bestens mit allen Produkten auskennen und profunde Zusatzleistungen wie Beratung, Installation und Wartung bieten. Andererseits ist der Hersteller verpflichtet, seinem Partner gute Preise, umfassende Informationen und Schulungen zu bieten und - was besonders wichtig ist - den treuen Fachhändler auch prompt zu beliefern. Es geht nämlich nicht an, dass der Stammkunde als letzter bedient wird, da er vermeintlich keine Ausweichmöglichkeit hat.

Verständlich, wenn die Hersteller neue Partner gewinnen wollen, aber sie dürfen dabei nicht diejenigen vernachlässigen, die sie schon haben und ihnen beim Aufbau ihrer Marktstellung geholfen haben. Das könnte bei einem Ungleichgewicht in der Partnerschaft schnell ins Auge gehen, und zwar in das der Hersteller. Die Fachhändler, die teilweise seit fast zwei Jahrzehnten treu zu einem Hersteller stehen, sind in der Regel etablierte Systemintegratoren, denen ihre Kunden hohe Kompetenz zuschreiben. Diese stehen deshalb treu zum ortsansässigen Fachhändler, nicht zum fernen Hersteller.

Im Falle einer Scheidung wird der IT-Fachhändler den Kunden auf seiner Seite halten. Dann verkauft er eben die vergleichbaren Produkte eines anderen Herstellers, da in der Kunden-Händler-Beziehung das Vertrauen des Anwenders in das Know-how und die Erfahrung des Systemhauses mehr wiegt als das Markenlogo auf der Hardware. Partnerschaft bedeutet also nicht: Mein Partner schafft, und ich schau zu. Wenn aber Treue mit Unterstützung und Anerkennung belohnt wird, dann klappt#s auch mit der Beziehung. Auch oder vor allem in schwierigen Zeiten.

Ulrike Goreßen

ugoressen@computerpartner.de

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