Trotz Hauen und Stechen: Was und wie kann der PC-Fachhandel verkaufen?

12.06.1996
MÜNCHEN: Trotz Weihnachten: Der IT-Fachhandel geht durch das Tal der Tränen. Zwar besteht die IT-Branche zu einem großen Teil aus Dienstleistungen, doch der Kunde ist nicht bereit, für Dienstleistungen extra zu bezahlen. Was man tun kann, um ein erfolgreiches Verkaufsgespräch zu führen, zeigt dieser Beitrag auf.Die Fraktion der Kaufleute neigt dazu, die Lage des IT-Fachhandels optimistischer einzuschätzen, während der technisch versierte Minderkaufmann immer einen Strick in der Hosentasche mit sich führt - sicher ist sicher. Nach den Gründen dafür befragt, zucken die meisten Fachhändler die Schultern und machen "die Preise" haftbar. Ein Politiker in dieser Lage würde sich zu einem "Wir machen gute Politik, aber verkaufen diese schlecht!" hinreißen lassen - wobei die reale Güte der Politik für die Wirksamkeit der Stellungnahme nicht entscheidend ist. Dennoch träfe er damit genau ins Schwarze - Service und Beratung sind vorhanden, auch wenn er lausige Preise erzielt.

MÜNCHEN: Trotz Weihnachten: Der IT-Fachhandel geht durch das Tal der Tränen. Zwar besteht die IT-Branche zu einem großen Teil aus Dienstleistungen, doch der Kunde ist nicht bereit, für Dienstleistungen extra zu bezahlen. Was man tun kann, um ein erfolgreiches Verkaufsgespräch zu führen, zeigt dieser Beitrag auf.Die Fraktion der Kaufleute neigt dazu, die Lage des IT-Fachhandels optimistischer einzuschätzen, während der technisch versierte Minderkaufmann immer einen Strick in der Hosentasche mit sich führt - sicher ist sicher. Nach den Gründen dafür befragt, zucken die meisten Fachhändler die Schultern und machen "die Preise" haftbar. Ein Politiker in dieser Lage würde sich zu einem "Wir machen gute Politik, aber verkaufen diese schlecht!" hinreißen lassen - wobei die reale Güte der Politik für die Wirksamkeit der Stellungnahme nicht entscheidend ist. Dennoch träfe er damit genau ins Schwarze - Service und Beratung sind vorhanden, auch wenn er lausige Preise erzielt.

Symptomatisch ist der Kunde, der sich in meist langwierigen Gesprächen beim Fachhandel beraten läßt, um dann seine Barschaft bei Direkt-Versendern oder dem Groß-Filialisten mit den fünf Buchstaben zu lassen. Erwin Nützl, Geschäftsführer bei Seemüller Computer, meint zwar, daß "es schon mal schlimmer" war, dennoch zieht er die Konsequenz: "Wir schränken die Beratung ein."

Dabei ist das Verhältnis der Fachhändler zu den PC-Kaufhäusern durchaus ambivalent. Josef Zemcak, Filialleiter der Schadt Computertechnik GmbH im Münchner Südwesten, hätte gerne "hier gleich links und rechts von mir einen Vobis und einen Media-Markt". In dieser Lage könnte er den Unzufriedenen eine Alternative bieten und der Laufkundschaft Zubehör verkaufen, das die Großen der Branche schon lange nicht mehr interessiert. Freilich agiert er unter den Fittichen eine Filialisten.

Spätestens an dieser Stelle müssen wir das Rad ein wenig zurückdrehen. Intel und Microsoft schaffen Bedürfnisse - dem Fachhandel bleibt die leidige Angelegenheit der Bedürfnisbefriedigung. Welcher Bedürfnisse?

Vor 40 Jahren waren Autos Luxusartikel

Zunächst sind PCs auszuklammern, die professionell eingesetzt werden.

Genaugenommen im Home-Sektor, denn laut Marktforscher IDC sollen 1997 erstmals weltweit mehr PCs als Fernseher verkauft werden. Und wie Fernseher oder Autos werden PCs immer mehr mit dem Bauch gekauft - mit rationalem Beistand einer Fachzeitschrift oder eines persönlichen Beraters.

Drei Worte genügen, um laut Andreas Schwarz, ein durchs Leben umgeschulter PC-Verkäufer der Schadt Computertechnik GmbH, einen fatalen Kleinkrieg auszulösen: "Ich habe gelesen..." Sollte nun auch noch der Umstand eintreten, daß sich Fachpresse und Verkäufer nicht einig sind, sind die Fronten schlagartig geklärt - dabei versuchen eigentlich ja beide Seiten auch nur ihren Job zu tun. Der Kunde - konfrontiert mit einer relativ komplizierten Materie, sitzt zwischen alle Stühlen.

Einer nicht repräsentativen Blitzumfrage zufolge lautet die Reihenfolge der Kaufkriterien für PCs: Preis, Leistung, Marke. Der PC-Käufer faßt den Punkt Leistung allerdings ziemlich weit. Wie stellt man dar, daß ein PC preiswert ist - seinen Preis wert ist? Wie sieht der optimale PC für ein vorbestimmtes Budget aus?

Was leistet ein PC?

Abgesehen von den jeweiligen Maximalforderungen stellen sich bei bestimmten Ausstattungs-Parametern nahezu optimale Bedingungen ein, die sich nur durch erheblichen Mitteleinsatz noch mal geringfügig verbessern lassen. Dieses Optimum wird maßgeblich von Intels Preispolitik bestimmt, kann aber durch ungeschickte Auswahl total vernichtet werden.

Der Punkt, wo sich Preis- und Leistungskurve beim Einsatz von Windows 95 derzeit schneiden, ist folgender PC:

Pentium 133; 16 MB Arbeitsspeicher; Hauptplatine mit Intels 430HX-Chipsatz: 1,3 GB Festplatte mit 5400 U/Min; Achtfach-CD-ROM-Laufwerk; Grafikkarte mit 2 MB EDO-RAM; 17-Zoll-Monitor mit 65 kHz maximaler Zeilenfrequenz.

- Dieser generalisierende Waschzettel sollte zu einem PC führen, der billig im Einkauf ist, gängige Anforderungen gut erfüllt und eigentlich in jedem Budget Platz finden sollte. Bei intelligenter Wahl der Komponenten kann dieser PC zudem ökologisch und ergonomisch sein - bei einem Preis zwischen 3.000 und 3.500 Mark.

Aber der emotionale Faktor - diffuse Vorstellungen bezüglich der "Investitionsunsicherheit" - ist hier meist maßgeblich. Er führt zum Wunsch nach einem leistungsstärkeren Prozessor, einer größeren Festplatte und einem noch schnelleren CD-ROM-Laufwerk. Die regelmäßig aktualisierten IDC-Zahlensammlungen zum Thema verkaufte Prozessor-Leistung lassen regelmäßig folgende Schlüsse zu: Die neuen, schnellsten Prozessor-Modelle etablieren sich relativ schnell, während der Optimal-PC die Masse bestimmt. Innerhalb etwa eines halben Jahres mutiert die High-end-Variante zur Massenware, und das Nachfolge-Modell ist bereits auf dem Sprung.

Und schon sind Käufer und Verkäufer bei folgender Mainstream-Ausstattung, die sich in der Vorweihnachtszeit zum Renner entwickeln könnte: Pentium 200; 16 MB Arbeitsspeicher; Hauptplatine mit Intels 430HX-Chipsatz; 2 GB Festplatte mit etwa 4000 U/Min; Zwölffach-CD-ROM-Laufwerk; Grafikkarte mit 2 MB EDO-RAM; 15-Zoll-Monitor mit 65 kHz maximaler Zeilenfrequenz.

Die runde Gesamtleistung des Preis-Leistungs-Königs hat ein paar Lücken bekommen. Die langsamere Festplatte - der höhere Preis für den Prozessor muß ja kompensiert werden - bremst Windows 95 mit 16 MB Speicher merklich aus. Das 12fach-CD-ROM-Laufwerk kostet zwar ebenfalls mehr, ist aber lediglich beim Abspielen von Filmsequenzen schneller. Gerade Applikationen, die direkt von der CD-ROM ablaufen, profitieren kaum von der höheren Umdrehungszahl. Dafür sind die Ultra-schnellen CD-ROM-Laufwerke pingelig hinsichtlich unwuchtiger CDs. Die Ergonomie leidet unter dem 15-Zoll-Monitor in zweierlei Hinsicht: Nicht nur die Fläche ist geringer, sondern die 15-Zoll-Monitore, die eine nennenswerte Ersparnis gegenüber einem 17-Zoll-Monitor bieten, sind nahezu generell qualitativ schlechter. Gute 15-Zöller liegen preislich nicht weit von den 17-Zöllern entfernt.

Das einzige Anwendungsgebiet, dem diese Konfiguration dienlich ist, sind 3D-Spiele - und zwar mit oder ohne 3D-Beschleuniger-Karte.

Trotzdem wird der Preis für diesen PC etwa 500 Mark höher liegen.

Alles unterhalb des 133-MHz-Pentium ist kaum noch zu rechtfertigen und läuft unter der Rubrik Restposten. Andreas Schwarz sieht allerdings schon den einen oder anderen Einsteiger, der "mit so einem System glücklich wird". Der PentiumPro stellt am oberen Ende in der Regel keine echte Alternative dar, da diverse Architektur-Merkmale den Preis zu weit weg vom Mainstream treiben.

Leistungsmessung von PCs

Der verbleibende Spielraum will nun argumentativ gefüllt werden. Ein beliebtes Spiel ist das Vergleichen von Benchmark-Werten. Benchmarks in der Summe für Unsinn zu erklären und die Fachzeitschriften mit diesem Schachzug zu Dilettanten zu erklären, geht an der Sache vorbei. Mit Benchmarks ist es wie mit Statistiken: Die richtige Interpretation macht die nackten Zahlen zu Fakten. Einer der beliebtesten Zahlen-Erzeuger ist etwa CTCM der Zeitschrift c't, der enorme Vorteile und Nachteile hat. Die Vorteile liegen in der begrenzten Messung des Speicherdurchsatzes und seiner deshalb hohen Aussagekraft bezüglich eines eventuell fehlkonfigurierten Arbeitsspeichers. Der Nachteil: Er läßt nur sehr bedingt Schlüsse auf die Arbeitsgeschwindigkeit zu.

So ähnlich verhält sich das mit nahezu jedem Benchmark. Die beliebte Babco-Suite etwa testet ein breites Anwendungsspektrum ab und ermittelt einen passablen Vergleichswert für Office-Anwendungen. Eine Eignung für Spiele oder Multimedia-Anwendungen läßt sich dafür nur unter größten Verrenkungen ableiten.

Ein klassisches Beispiel für mögliche Fehlinterpretationen ist auch das hauseigene Window-95-Testprogramm des amerikanischen "Win-

dows Magazine". Der Grafik-Benchmark testet praktisch ausschließlich die klassischen Windows-Beschleuniger, also Funktionen wie Kreise zeichnen und Rechtecke füllen. Eine Vorhersage, wie gut etwa das Win-

dows-95-Spiel Creatures, das nahezu ausschließlich Teilgrafiken via DirectX auf den Schirm kopiert (Bitblt-Funktion), laufen wird, ist damit unmöglich.

Wer versucht, Benchmarks als solche in Abrede zu stellen, beweist letztendlich nur, daß er nicht in der Lage ist, sie in den richtigen Kontext zu stellen und einen möglicherweise objektiven Vergleich scheut. Wenn der Verkäufer Glück hat, merkts der Kunde nicht.

Ergonomie - ein weites Feld

In einer Gesellschaft, die nahezu überall versucht, ein mögliches Risiko zu minimieren, fallen Bedenken bezüglich möglicher gesundheitlicher Schäden fast immer auf fruchtbaren Boden. Wer an einer mehrspurigen Schnellstraße wohnt und dennoch einen PC mit leiser Festplatte verlangt, handelt zwar irrational, aber genau dieser Umstand verhindert zuverlässig das Zurechtrücken der Realität durch Argumente.

Eigentlich sollte jeder Verkäufer diesen Sachverhalt verinnerlicht haben. Dennoch handeln hier nicht wenige grob fahrlässig. Und am liebsten mit dem Argument "Sind ohnehin alle gleich laut - nur die ganz schnellen sind sehr laut". Tatsächlich haben die Auswahl der Festplatte und des Gehäuses, sowie der Montage-Ort zum Teil einen erheblichen Einfluß auf die Lärmentwicklung. Gut versteifte Gehäuse, die meist bereits etwas teuer sind, neigen zu deutlich weniger Resonanz. Festplatten mit niedriger Drehzahl sind nicht zwingend leiser, die Geräuschentwicklung liegt aber in einem niedrigeren Frequenzbereich und wird deswegen als angenehmer empfunden. "Die Leute kommen in den Laden und hören sich gezielt das Betriebsgeräusch der PCs an", berichtet Andreas Schwarz.

Beim Monitor wird dann alles noch eine Nummer schwieriger. Ergonomie ist hier eben nicht nur Bildwiederholfrequenz und TCO-Siegel, sondern auch das subjektive Empfinden. So sorgen etwa die ins bläuliche gehenden Farbtemperaturen bisweilen für leichte Verstimmung, ohne daß der Kunde schon ein Querulant sein muß. So muß als Minimal-Forderung gelten, daß der Kunde die Gelegenheit bekommt, den Monitor, den er kaufen möchte, zu Hause ausprobieren kann. Denn wenn er grundsätzlich nur Ausstellungsstücke begutachten kann, ist es für ihn gleichgültig, wo er den Monitor kauft. Dann kann er gleich dahin gehen, wo nach Entrichtung des Kaufpreises noch eine Pizza übrigbleibt. Nach diesen Aufzählungen sollte es ersichtlich sein, daß es Unmengen Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verkaufsgespräch gibt. Die Ziele sind in der Theorie so einfach wie schwierig: Bevor der Kunde den Ort des Geschehens verläßt, muß er davon überzeugt sein, das ein angebotenes Gerät seinen Preis Wert ist. Er muß sich sogar idealerweise in die Vorstellung verliebt haben, es auch zu besitzen. Und die Kaufkriterien müssen im beratenden Gespräch soweit ausgedehnt worden sein, daß er deren Erfüllung nicht mehr beim Aushilfs-Verkäufer im Kaufhaus feststellen kann.

Und so wird dann das Konzept des Fachhandels zur Gratwanderung. Erwin Nützl möchte trotz des Preisdrucks "mit jedem Kunden im ehrlichen Verkaufsgespräch das für ihn optimale System" finden.

Die Krönung des Erfolgs ist, wenn der Kunde Spiele, Toner und Disketten dort kauft, wo er schon mit Lust einen PC erstanden hat. In diesem Sinne ein gutes vorweihnachtliches Geschäft. (gr)

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