Trotz Wachstums: Deutschland hinkt um Jahre hinterher

17.02.2000
Die Wachstumsraten der hiesigen Informationsgesellschaft erreichen zweistellige Zahlen. Trotzdem hinkt Deutschland der Entwicklung um Jahre hinterher. Zu diesem Ergebnis kommt die neueste Bitkom-Studie.

Die gute Nachricht zuerst: Deutschlands Informationsgesellschaft und -wirtschaft wachsen mit ungebremster Dynamik. Zu diesem Ergebnis kommt die neueste Studie des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom). Die Wachstumsraten des Jahres 1999 liegen demnach größtenteils im zweistelligen Bereich.

Elf Millionen Deutsche verfügten inzwischen über einen Internet-Anschluss, das allein sei ein Plus von 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr als 20 Millionen(plus 46 Prozent) telefonierten mobil, 26 Millionen haben der Studie zufolge einen PC (plus acht Prozent). Die Netzinfrastruktur gehöre mit einer international einzigartigen ISDN-Dichte zu den leistungsfähigsten.

Dennoch hinke Deutschland gewaltig hinterher: Der Rückstand beträgt nach Schätzungen des Bundesverbandes in einigen Sektoren drei bis vier Jahre. Die meisten der internationalen Wettbewerber entwickeln sich schneller, meint Jörg Menno Harms, Vizepräsident von Bitkom. Er kritisiert, dass dieser Rückstand bereits seit Anfang der neunziger Jahre bestehe und offenbar keine Besserung in Sicht sei: "Diese Lücke endlich zu schließen, das muss neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zur vordringlichsten Aufgabe deutscher Politik werden."

Weltweit, so Harms, wachse die Informationsgesellschaft nämlich mit atemberaubender Geschwindigkeit: Allein im vergangenen Jahr seien 56 Millionen Rechner installiert, 104 Millionen Mobiltelefone verkauft und 43 Millionen Menschen erstmals ins Internet gegangen. Die weltweite Online-Gemeinde zähle jetzt 176 Millionen Mitglieder, davon seien aber nur sechs Prozent Deutsche. Bei Handys und PCs soll in diesem Jahr weltweit die Marke von 500 Millionen Geräten überschritten werden.

Kapazitäten sind ungenutzt

Laut der Bitkom-Studie werden hierzulande die Kapazitäten der vorhandenen Infrastruktur nur unzureichend genutzt. Deutschland sei beispielsweise das erste Land gewesen, in dem die Vermittlungsstellen durchgängig mit digitaler Technik arbeiteten. Jeder vierte ISDN-Anschluss der Welt liege in einem deutschen Haushalt oder Unternehmen, im vergangenen Jahr habe man hier ein Plus von 23 Prozent verzeichnet. Auch die Zahl der Breitbandkabelanschlüsse legte weiter zu. Mit 53 Anschlüssen je 100 Haushalte liege man nur knapp hinter den USA und eindeutig an der Spitze Europas.

Dennoch glaubt Harms, dass man weitere fünf Jahre benötigen werde, bis das Internet ähnlich stark verbreitet sei wie bei den Nachbarn. Die Zahl der User hat sich 1999 zwar um mehr als ein Drittel auf elf Millionen erhöht, die Internet-Rate in Finnland ist aber immer noch fünfmal höher als in Deutschland. Hierzulande kommen auf 32 PCs je 100 Einwohner, unter den Industrieländern sei das "hinteres Mittelfeld", meint Harms. Denn der Rückstand habe sich 1999 sogar noch erhöht: In den USA liege die PC-Rate inzwischen bei 61 Prozent, in Schweden bei 58 Prozent.

Großes Potenzial bei Handys

Gleiches gelte für Handys: Ende 1999 sei in Deutschland die Marke von 20 Millionen Mobilfunkteilnehmern übersprungen worden. Bitkom erwartet, dass in den kommenden Jahren jeweils weitere sechs Millionen Deutsche in die mobile Kommunikation einsteigen. Dennoch liege man im westeuropäischen Vergleich zurück, in Italien telefoniert beispielsweise schon jeder Zweite mit einem Handy. Aber zumindest räumt man dem deutschen Markt entsprechende Wachstumschancen ein.

Neue Impulse sind laut der Studie dringend notwendig, um den bestehenden Rückstand aufzuholen. Trotz eines dauerhaften Wachstums von etwa acht Prozent lägen die ITK-Investitionen unterhalb des internationalen Spitzengruppenniveaus: Mit knapp 2.500 Mark pro Einwohner befinde sich Deutschland lediglich im Mittelfeld. Die Schweiz liege demgegenüber bei 4.600 Mark, die USA lägen bei 4.000 Mark.

"Das darf uns nicht gleichgültig lassen," kommentiert Harms. "In den führenden Ländern beträgt der ITK-Anteil an der Wirtschaftsleistung bereits bis zu acht Prozent. In Deutschland liegen wir bei 5,3 Prozent. Wir können es uns einfach nicht leisten, die Potenziale der Information und Kommunikation noch länger brachliegen zu lassen." Mit dem "Aktionsprogramm für Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" sei die Bundesregierung auf dem richtigen Weg, meint Harms. "Aber dieser Weg muss schneller und konsequenter gegangen werden." (mf)

www.bitkom.org

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