UE-Fachhandel: Ohne Telekommunikation und Home-PC ins Abseits?

12.12.1997

STUTTGART: 1997 war für den Unterhaltungselektronik-Fachhandel wie schon in den Jahren zuvor kein leichtes Jahr. Unter dem stagnierenden Konsum leidet auch die Fachhandelskooperation Ruefach GmbH & Co. KG. Als Ausweg aus der Misere machten die Ulmer bereits vor zwei Jahren den Einstieg in den PC- und Telekommunikationshandel aus. Die bisherige, doch recht vielversprechende Bilanz soll nun weiter aufgepäppelt werden.

Im Moment sieht die Sache erfolgversprechend aus. Allein im PC-Geschäft haben sich die Umsätze in der Ruefach-Zentrale und die Außenumsätze der Händler deutlich erhöht." Ruefach-Geschäftsführer Dr. Karl Bernhard Hillen ist zufrieden. Trotz steigender Marktanteile der Retailer glaubt er im PC-Geschäft an ein so starkes Gesamtwachstum des Marktes, daß es seine Händler aus dem Tief holen kann.

Diese kämpfen schon seit Jahren gegen die Unlust der Verbraucher, Unterhaltungselektronik zu kaufen. Selbst bei gleichem verfügbaren Einkommen geben sie deutlich weniger für diese Produkte aus als noch 1995, ergab eine Marktstudie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). "Wir sind unglücklich und unzufrieden mit dieser Entwicklung", so Ruefach-Chef Hillen. Denn gleichzeitig "haben wir permanent rückläufige Kundenzahlen im Fachhandel". Media Markt & Co. bedrängen eben nicht nur PC-Shops, sondern auch UE-Händler.

Für die 2.400 Ruefach-Gesellschafter heißt das konkret: Ihr Umsatz mit klassischer Unterhaltungselektronik ist bis September um 14 Prozent gesunken. Ein akzeptables Jahresendgeschäft könnte das Minus auf zehn Prozent für 1997 abschwächen. Für die Händler besonders unangenehm: Der Rückgang zieht sich fast durch die gesamte UE-Produktpalette. Selbst Fernseher, die 1996 noch steigende Umsätze bescherten, erleben nun ihre Flaute. Positive Ausnahmen machen höchstens neuere Produkte wie 100-Hertz-Geräte oder Breitbildfernseher sowie Digital-Camcorder oder Mini-Disks.

Fachhändler hoffen auf andauernden Mobilfunk-Boom

Unterm Strich erwartet Hillen für die Ruefach-Gruppe trotzdem einen um drei bis vier Prozent gestiegenen Außenumsatz für 1997, insgesamt etwa drei Milliarden Mark. Dieses Plus verdanken die Händler vor allem den Bereichen Telekommunikation und Multimedia/ PC. Immerhin 15 Prozent (1996: zehn Prozent) tragen diese inzwischen zum Gesamtumsatz der Händler bei.

Hoffnungen verbindet die Ruefach nach wie vor mit dem Mobilfunkgeschäft, dessen Boom sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen werde. Gleichzeitig sollen die UE-Fachhändler im nächsten Jahr auch von der Liberalisierung der Festnetze profitieren - einerseits durch eine steigende Nachfrage bei den Endgeräten, andererseits könnten die Händler als Vertriebspartner von Telefongesellschaften und Netzbetreibern auftreten.

Leicht dürfte den klassischen UE-Fachhändlern mit ihrer typischerweise handwerklichen Ausbildung der Einstieg in die neuen Gebiete nicht fallen. "Das ist ein schwieriger Lernprozeß", gibt Hillen zu. Allerdings ein dringend notwendiger: "Vor dem Hintergrund eines rückläufigen UE-Marktes sind wir gezwungen, uns nach neuen Geschäftsfeldern umzusehen", erklärt er gegenüber ComputerPartner. Dabei fiel die Entscheidung zugunsten des Telekommunikations- und des PC-Geschäfts vor knapp zwei Jahren im Vergleich zu anderen UE-Fachhandelskooperationen relativ spät.

Heute sind Hillen und die Händler, die diese Entscheidung umgesetzt haben, froh um diesen Schritt. 138 Ruefach-Gesellschafter haben sich inzwischen in den PC-Vertrieb mit der Zielrichtung Privatkunden/SOHO gewagt. "Viele weitere Händler haben sich in diesem Jahr mit dem Einstieg ins PC-Geschäft befaßt; unsere fünf Schulungen waren regelmäßig überbucht", so Hillen. In einem Jahr dürften nach seiner Erwartung 300 seiner Händler im PC-Geschäft mitmischen. In der Telekommunikation tummeln sich heute zwischen 500 und 600 Händler der Ruefach.

Einzelne Händler hätten sogar schon die Unterhaltungselektronik komplett aus dem Laden geräumt und exklusiv der Multimediawelt Platz gemacht. Eine Strategie, die Hillen nicht unbedingt empfiehlt. Er rät seinen Gesellschaftern eher, ihre bisherigen Schwerpunkte fortzuführen und den vorhandenen Kundenstamm für die neuen Felder zu gewinnen.

Große Hoffnungen setzt der Ruefach-Geschäftsführer außerdem in das Zusammenwachsen von Produkten und Märkten. Die Marschrichtung gehe klar von Unterhaltungselektronik zu Multimedia und dem vielzitierten "intelligenten" Fernseher mit Verbindung zum PC und Internet-Zugang. Ganz begeistert ist Hillen auch von digitalen Kameras. "Für die Händler ist das toll." Sein Ziel: Die Ruefach-Händler sollten sich als kompetente Ansprechpartner für Unterhaltung und Kommunikation etablieren.

Die Ausgangsposition, um dieses Image zu gewinnen, sei gut. Hillen geht dabei davon aus, daß ein Fachhändler, der einen Videorecorder programmieren könne, bei den Kunden auch das Vertrauen für das PC-Geschäft genieße. Damit dieses nicht enttäuscht wird, will Hillen seine Händler zur Teilnahme an Schulungen und zur Einstellung neuer Mitarbeiter mit PC-Kompetenz bewegen. Daß es bei weitem nicht genügt, Regale für PCs freizuräumen, haben viele UE-Händler schnell gemerkt. Sie stöhnen nicht selten, daß der Einstieg in die Telekommunikation "ein Kinderspiel gegenüber der PC-Welt" ist.

Wer sich trotzdem engagiert, wird offensichtlich belohnt: Während der Umsatz pro Kunde in der klassischen UE auf 500 Mark gesunken ist und jener der Telekommunikation nicht wesentlich höher ist, kann das PC-Geschäft ein Mehrfaches bieten. "Die knappere Marge wird dabei überkompensiert", so Hillen. Voraussetzung dafür sei Geschwindigkeit: Schlägt ein klassischer UE-Fachhändler sein Lager im Jahr zweieinhalb- bis viermal um, so rät die Ruefach ihren Händlern, im PC-Geschäft die Schlagzahl auf 20 bis 24 zu erhöhen. Durch den niedrigeren Warenbestand sehe die Rentabilität ganz anders als in der UE aus. Vor allem mit C2000, Schadt, Compaq, Canon, Epson und Hewlett-Packard arbeite man zusammen, das Verhältnis zu Peacock sei eher am Einschlafen, heißt es.

Der Umsatzanteil der gesamten Ruefach mit den PCs stieg 1997 von mageren zwei auf fünf Prozent. Für 1998 erwartet Hillen einen Anteil von acht Prozent. Auch längerfristig knüpft Hillen positive Erwartungen an das PC-Fachhandelsgeschäft und hofft dabei auf ein Marktwachstum im Segment der Privatkunden. Dann lasse auch der rasch wachsende Marktanteil der Retailer den Fachhändlern genug zum Leben.

Zudem habe der Fachhandel besonders durch seine Beratung und kostenlose Dienstleistungen gegenüber den großen Elektronikmärkten viel zu bieten. Allerdings gibt Hillen zu: "Viele Händler können ihre Leistungen nicht einmal artikulieren." Dem soll das von der Ruefach jetzt vorgestellte Konzept "Dienstleistungsmarketing" nachhelfen. Ziel des 1998 anlaufenden Konzeptes sei "eine klare Serviceprofilierung" der Händler. Dabei müssen sich die Beteiligten auf ein Mindestmaß an Serviceleistungen verpflichten, wie zum Beispiel Frei-Haus-Lieferungen, den Anschluß von Geräten beim Kunden oder die Garantie, daß die Monteure beim Kunden keinen Schmutz hinterlassen. Begleitet wird das Programm von der Ruefach-Zentrale unter anderem durch Schulungen und Werbemittel. Etwa 750 Ruefach-Händler sollen mit dem Konzept starten.

524 Händler präsentieren sich gleichzeitig mit einem gemeinsamen und überregionalen Marketing. Besonders die gemeinsame Werbung soll die Marktposition des Fachhandels gegenüber den Retailern festigen. Die an dem sogenannten Masters-Konzept beteiligten Händler liegen in ihrem Umsatz immerhin fünf Prozent über dem Ruefach-Durchschnitt.

PC-Händler sind bei der Ruefach willkommen

Seit April bietet die Ruefach außerdem ihren Händlern das Informationssystem PowerNET. Auf zwei CD-ROMs sind dabei etwa 30.000 Artikel mit Abbildungen und aktuellen Preisen gespeichert; das System hilft aber beispielsweise auch beim Erstellen von Preisschildern. Seit Dezember soll eine Online-Anbindung an die Ruefach-Zentrale direkte Bestellungen und die Abfrage von Beständen erlauben.

Solche Unterstützung, die Einkaufsvorteile einer Kooperation und deren Betriebsberatungen machen die Ruefach offensichtlich inzwischen auch für PC-Shops attraktiv, etwa 20 sind bereits Gesellschafter geworden. Deren Aufnahme sowie der Eintritt von Telefonläden in die Kooperation hat vor kurzem eine Satzungsänderung der Ruefach möglich gemacht. "Wir gehen PC-Händler derzeit nicht gezielt an", erklärt Hillen. Schließlich fühle sich die Ruefach zunächst dem Erfolg ihrer Mitglieder verpflichtet. Betont der Ruefach-Chef: "Es wäre jedoch töricht, interessierte PC-Händler nicht aufzunehmen."

CP-Zoom

- Der Umsatz mit der klassischen Unterhaltungselektronik bricht weiter ein.

- Aufgefangen wird dieses Minus bei den Ruefach-Gesellschaftern durch die Bereiche Telekommunikation und Multimedia/PC.

- Bisher haben 138 Ruefach-Mitglieder den Einstieg in das PC-Geschäft gewagt. In einem Jahr sollen es bereits 300 sein.

- Ruefach-Händler sollen sich als kompetente Ansprechpartner für Unterhaltung und Kommunikation etablieren.

- Hilfestellung dafür kommt von der Fachhandelskooperation selbst: Über das Konzept "Dienstleistungsmarketing" erhalten die Händler unter anderem Schulungen und Werbematerial.

- Seit Dezember können die angeschlossenen Mitglieder per Online-Anbindung an die Ruefach-Zentrale sowohl Ware bestellen als auch Lagerbestände abfragen.

- Immer mehr PC-Shops schließen sich der UE-Kooperation Ruefach an.

Die überregionale Marketingkampagne "Masters", an der sich auch Ruefach-Gesellschafter Radio Claaßen in Bockhorn beteiligt, soll den UE-Händlern einen Vorsprung gegenüber dem Retail sichern.

Der Einstieg ins PC-Geschäft ist für viele traditionelle UE-Händler nicht leicht, wie Ruefach-Chef Dr. Karl Bernhard Hillen weiß: "Viele Händler können ihre Leistungen nicht einmal artikulieren."

Thomas Pleil Der Autor ist freier Journalist in Stuttgart.

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