Überleben im Käufermarkt

07.03.2005
Von Roland J.
Nur solche Unternehmen, die kompromisslos ihre Stärken ins Spiel bringen und sich auf ihre Kernkompetenzen besinnen, haben eine Chance, sich gegen die Konkurrenten zu behaupten. Wer alles allein machen will, wird verlieren. Ein Beitrag von Roland Vogt.

Die Goldgräberstimmung im ITK-Markt ist vorüber. Der Glaube an schnelle, nachhaltige und überproportionale Geschäftserfolge durch den Einsatz von Produkten der Technologieführer ist dahin. Die letzten Heilsbringer mit ihren Vorträgen über "Killerapplikationen" sind verstummt. Geblieben ist die Ernüchterung eines zunehmend reifen Marktes, der seinen Erfolg angesichts der Endlichkeit der Investitionsbudgets von Industrie und Endverbraucher nur noch über die optimale Befriedigung von Kundenbedürfnissen erzielen kann. Wir sprechen vom Käufermarkt.

Kundenbedürfnisse zu befriedigen ist eine Herausforderung für den Profi. Erschwerend kommt dazu, dass sich Kundenbedürfnisse in globalen Märkten über Nacht ändern können. Gefragt sind ganzheitliche, anpassungsfähige und bedarfsgerechte Lösungen, die neben reinen Produkten komplementär aus messbaren Dienstleistungen bestehen.

Das kann und muss nicht jedes Unternehmen allein erbringen. Hier bieten sich strategische Partnerschaften mit spezialisierten Dienstleistungsunternehmen an. Dies sind die Hauptgründe für den überdurchschnittlichen Erfolg von Dell und Cisco. Make or Buy steht hier regelmäßig auf dem Prüfstand. Nur dann, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und die vertriebliche Vorgehensweise auf Lösungsorientierung statt Produktorientierung fokussiert ist, besteht eine gute Geschäftsaussicht durch den messbaren Kundennutzen, beziehungsweise gelingt die Differenzierung von den Wettbewerbern.

Akuter Handlungsbedarf

Trotz der Einsicht in ein verbesserungsfähiges Geschäftsmodell unter den Oberbegriffen "Käufermarkt" und "Lösungsvertrieb" ist nicht jeder ITK-Anbieter vom kleinen lokalen Anbieter bis zum weltmarktführenden Hersteller in der Lage, seine Geschäftsmodelle mit eigenen Mitteln und zeitnah den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Die Gründe sind vielschichtig und bedürfen einer genaueren Betrachtung.

w Sehr häufig führt eine althergebrachte Firmenphilosophie der Unabhängigkeit oder auch das Ego des Managements zur Definition von Kernkompetenzen, die man kontrollieren möchte und damit nicht aus der Hand gibt - ungeachtet dessen, dass man nicht in jeder Disziplin gut sein kann beziehungsweise an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen und gewinnen, geschweige denn die Skaleneffekte generieren kann, um die Kosten langfristig wettbewerbsfähig zu gestalten.

w Falsche Selbsteinschätzung, fehlender Mut zu gravierenden Veränderungen für das Unter-nehmen, Know-how-Defizite der Marktmechanismen, der Strategieoptionen, der Kalkulation von Kostentreibern im Unternehmen und der Trägheit gegenüber ge-änderten Kundenbedürfnissen, ebenso wie immer noch überzogene und damit unrealistische Vorgaben und Ziele, unvorbereitete und überforderte Mitarbeiter, fehlendes Geld, fehlende Erkenntnisse über die internen Prozesse, der wirklichen Kernkompetenzen zur Differenzierung von den Wettbewerbern beziehungsweise genaue Kenntnisse über die heutigen Wettbewerber, die möglichen künftigen Wettbewerber oder geringe Kenntnisse über das Kundenkaufverhalten.

w Bisher nicht bekannte Wettbewerber, die über Nacht aus dem Windschatten treten, machen auch nicht vor ehemals sehr erfolgreichen Unternehmen halt. Neue Marktteilnehmer haben keine Altlasten und können durch die Nutzung von strategischen Partnern kurzfristig einen erfolgreichen Markteintritt realisieren. Dies werden wir alle schon im Weihnachtsgeschäft von bisher nahezu unbekannten Fernost-Unternehmen kennen lernen.

Wendet sich der Kunde im größeren Stil nun zum neuen Wettbewerber, weil das bisherige Angebot nicht seinen geänderten Bedürfnissen entspricht beziehungsweise er ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bekommt, sorgt häufig eine sich einstellende hausgemachte Panik in den Traditionsunternehmen für eine Eskalation der Lage. Was folgt, sind operative Hektik und Schnellschüsse, die häufig genau das Gegenteil bewirken.

Durchhalteparolen, Verkündung von bahnbrechenden Visionen und großmundige Versprechen sind jetzt nicht mehr gefragt. Auch der häufige Wechsel des Managements hat nur geringen Einfluss auf die Heilung des beginnenden "Zahnausfalles" dieser ITK-Unternehmen, wenn nicht umgehend eine "Wurzelbehandlung" durchgeführt wird. Akuter Handlungsbedarf zur Abwägung, Planung und Umsetzung eines wirkungsvollen Maßnahmenkatalogs zur schnellen Heilung des Unternehmens ist das Gebot der Stunde.

Strategische Partnerschaften

Bei der Abwägung der strategischen Optionen zur Geschäftsentwicklung ist die Betrachtung von strategischen Partnerschaften unumgänglich. Die höchste Priorität hat hier die Erzielung von messbaren Wettbewerbsvorteilen und Stärkung des Kerngeschäfts. Das heutzutage viel beschriebene Outsourcing im Zusammenhang mit strategischen Partnerschaften ist bei weitem kein Modetrend, sondern seit vielen Jahren praktizierte Realität für die weltweite Industrie. Für die ITK-Branche haben sich unter anderem strategische Partnerschaften für die folgenden Geschäftsfelder bewährt:

w Produktion

w Einkauf

w Vertrieb

w Logistik

w Gebäudemanagement

w Personalwesen

w Forderungsmanagement.

Zu erwähnen ist, dass strategische Partnerschaften mit Logistikunternehmen bisher überwiegend nur von großen Netzbetreibern als Vorreiter und von einigen ITK-Herstellern, Distributoren, Retailern und Ebay-Power-Resellern eingegangen wurden, allerdings das Interesse in Form von aktuellen Ausschreibungen ein Indikator für die gestiegene Nachfrage ist. Auffällig ist hierbei, dass die Unternehmen, die eine strategische Partnerschaft mit einem Logistikunternehmen eingegangen sind, zu den erfolgreicheren Unternehmen im ITK-Umfeld gehören. Wichtig ist, dass erkannt wurde, dass hier einer der größten Nachholbedarfe und damit das Nummer-eins-Verbesserungspotenzial für die ITK-Branche anzusehen ist. In einem Käufermarkt zahlt der Kunde nicht für schlechte Leistungen und überhöhte Logistikkosten. Als jüngstes Beispiel ist hier die Quelle Neckermann AG zu nennen, die als Teil ihrer Restrukturierung für die Logistik eine strategische Partnerschaft mit einem Logistikmarktführer anstrebt.

Die Wandlung von festen Kosten in variable Kosten ist ein gern gesehener Mitnahmeeffekt. Allerdings können Wettbewerbsvorteile in einer strategischen Partnerschaft nur erzielt werden, wenn der neue Partner aufgrund seiner Größe und Kompetenz seine Skaleneffekte in Form von Geldwerten und auch messbaren Mehrwerten, wie zum Beispiel die qualitative und quantitative Ver- besserung der erzeugten Produkte und Lösungen und/oder angebotenen Dienstleistungen, mit in die Partnerschaft einbringt. Bei der Gestaltung der Inhalte einer strategischen Partnerschaft gibt es eine große Auswahl an Optionen und niemals eine pauschalisierte Lösung. Alles ist maßgeschneidert auf die jeweiligen Bedürf-nisse des entsprechenden ITK-Unternehmens.

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