Umbau, Rausschmiss, starke Sprüche

17.01.2002
Was viele Branchenkenner seit längerem munkelten, scheint sich nun zu bewahrheiten: Die Beziehung zwischen Bemi und der Konzernmutter IPC-Archtec ist angespannt. IPC-Archtec-Chef Hermann Krassler sprach als Mehrheitseigner nun ein Machtwort aus - mit massiven Folgen für die Bemi-Mitarbeiter in Braunschweig.

Nach knapp zwei Jahren Partnerschaft kam es zwischen der Bemi-Fachhandelsgruppe und der Hauptanteilseignerin, der IPC-Archtec, zum großen Knall. Hans-Richard Reiners, seit über sieben Jahren Geschäftsführer und Minderheitsbeteiligter der Bemi Marketing GmbH in Braunschweig wird von IPC-Chef Hermann Krassler an die kurze Leine genommen. Krassler will mehr Transparenz, mehr Kontrolle, mehr Anbindung an den IPC-Archtec-Konzern. "Wir wollen eine Bemi, die sich als autarkes Unternehmen selbst trägt", erklärt Vorstandssprecher Andreas Empl im Gespräch mit ComputerPartner "und keine One-Man-Show." Deshalb setzte Krassler - mit der Durchschlagskraft seiner fast 92-prozentigen Beteiligung - Ende Dezember 2001 kurzerhand Alexander Schneider, ehemaliger Chefeinkäufer der Rewe, dem bisher alleinigen Geschäftsführer und Minderheitsbeteiligten der Bemi Marketing GmbH, Hans-Richard Reiners, zur Seite.

Die Begeisterung von Reiners hält sich verständlicherweise in Grenzen. Er hat erst einmal bis zum 25. Januar seinen Resturlaub genommen und der IPC-Archtec-Leitung bis Ende dieses Monats Zeit gegeben, sich mit ihm zu einigen, wie es weitergehen soll. Sollte es zu keiner beidseitig genehmen Einigung kommen, will Reiners wohl die Geschäftsleitung niederlegen und seine Anteile gleich mit anbieten. "Ganz oder gar nicht" ist sein Motto. "Es zeigen viele Signale auf, dass ich das Unternehmen verlassen werde, eventuell zum Ende Januar oder rückwirkend zum Ende Dezember", erklärt Reiners.

Damit rennt er wohl offene Türen bei IPC-Archtec ein. Laut Empl will man bei der Bemi-Gruppe radikal aufräumen. Die gesamte Gruppe, also Bemi Marketing, Bemi Computer KA, Kassel, und die beiden IT-Com-Niederlassungen in Braunschweig und Olching, soll gestrafft und konzentriert werden. "Durch die Aufteilung in Produktion, Einkauf und Verwaltung waren manche Stellen zwei- bis dreifach besetzt und ein Handelspartner musste oftmals bei einem Problem mit mehreren Mitarbeitern sprechen, die dann auch noch unterschiedliche Aussagen machten", so Empl. "Das wollen wir durch die Konzentration beenden. Dabei brauchen wir einen Geschäftsführer, der voll und ganz auf der IPC-Linie liegt."

Schluss mit eigenen Wegen

Gerade die fehlende Einbindung der Bemi in den IPC-Konzern machte laut Empl die massive Umstrukturierung notwendig. Bei den Übernahmeverhandlungen vor gut anderthalb Jahren waren bereits so genannte "Milestones" fixiert worden, die jedoch nicht alle eingehalten wurden. Bemi in Braunschweig wirtschaftete vielmehr unabhängig von IPC-Archtec. Doch das soll sich nun radikal ändern. IPC-Archtec will und muss durch den Börsengang jeden Geschäftsschritt offenlegen, und das sei bei manchem Deal der Bemi-Gruppe in Braunschweig nicht immer hundertprozentig nachvollziehbar.

Die gesamte Bemi-Gruppe macht rund 25 Prozent des IPC-Archtec-Konzern-Umsatzes. Dabei ist die IT-Com Olching mit 95 Prozent die mit Abstand umsatzträchtigste. Laut Empl geben die Olchinger auch keinerlei Grund zum Klagen. Im Gegenteil, das Unternehmen sei komplett in die IPC-Archtec-Konzern-Architektur integriert. Warenwirtschaft, Buchhaltung, einfach alles würde transparent abgewickelt.

Die Aufräumarbeiten

Anders sieht es in Braunschweig aus. Die restlichen fünf Prozent des gesamten Gruppenumsatzes wurden bis dato dort erwirtschaftet. Das ist eigentlich ein minimaler Bereich, der jedoch der Konzernmutter durch gelegentliche "Eigenwilligkeiten bei den Buchungen und Provisionsabrechnungen" (Empl) die meisten Kopfschmerzen bereitete. So durchforsteten Prüfer des Finanzamtes in den letzten zwei Jahren dreimal die Geschäftsunterlagen. Auch jetzt sind Wirtschaftsprüfer, jedoch im Auftrag der Muttergesellschaft, in Braunschweig auf Spurensuche.

Auch sonst hat sich in Braunschweig einiges getan. Mitte Dezember machte man die IT-COM Braunschweig zu. Offiziell wurde eine Firmensitzverlegung nach Olching beantragt. Nur eine von einem guten Dutzend Mitarbeitern nahm das Angebot an, nach Süddeutschland zu wechseln. Andrea Siebert, bis dato Assistentin von Reiners bei der Marketing GmbH sowie zeitgleich Geschäftsführerin der IT-Com, legte die Geschäftsleitung nieder. Laut Empl hat sie aber trotz Krankenstands bis 21. Januar die Bemi Marketing GmbH ebenfalls verlassen.

Dort wird weiter kräftig aufgeräumt. Den ersten Mitarbeitern wurde wegen Verschlankung der Organisation gekündigt, andere erhielten das Angebot der Änderungskündigung. Denn die Bemi Marketing GmbH soll ebenfalls nach Süddeutschland ziehen. Hier, genauer gesagt in Niederaichbach, in den Räumen der Muttergesellschaft IPC-Archtec, hat der neue, und zukünftig wohl einzige Geschäftsführer der Bemi seinen Bürositz.

Wie es bei der Bemi Computer KA in Kassel weitergeht, ist noch unklar. IPC hält 51 Prozent des Unternehmens, Geschäftsführer Matthias Poetter die restlichen 49 Prozent. Wie beide Seiten bestätigten, wird derzeit über eine komplette Übernahme der Anteile - sowohl durch Poetter als auch seitens IPC - verhandelt.

Transparenz ist auch die IPC-Devise bei den Handelspartnern. Es wurden nicht nur alle Handelspartner über die veränderte Situation informiert, man untersucht auch gerade, wieviele Händler tatsächlich zur Kooperation gehören. Laut Empl liegen 150 unterschriebene Kooperationsverträge vor. Weitere 150 Händler unterhalten eine sehr lockere Geschäftsbeziehung zu Bemi.

Es sind je 50 Prozent Retailer und Fachhändler, wobei den Fachhandelspartnern eine besonders wichtige Rolle zugeschrieben wird. Sie sollen laut Empl noch stärker im After-Sales-Service geschult und unterstützt werden, während die Retailer verstärkt für den Produktverkauf eingeplant werden. Die neuen Partnerkonzepte sollen ein "gewisses Miteinander" der beiden so unterschiedlichen Handelsausrichtungen vertiefen.

www.bemi.de

www.archtec.com

ComputerPartner-Meinung:

Bei der Bemi und IPC-Archtec prallten vor knapp zwei Jahren sehr unterschiedliche Geschäftssysteme aufeinander. Während die "alte" Bemi in ihrer Struktur und durch ihre Historie sehr stark durch die Person Reiners geprägt war, wollte man bei IPC-Archtec einen kaufmännisch geprägten und absolut transparenten Konzern aufbauen. Da ist kein Platz für Individualisten oder Visionäre. Und wer sich nicht den veränderten Gegebenheiten anpasst, bleibt auf der Strecke. (go)

Zur Startseite