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Umbrüche im Servicemarkt



Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Standardlösungen aus der Cloud vereinfachen IT-Landschaften, die fortschreitende Digitalisierung von Geschäftsmodellen bewirkt das Gegenteil. Das wirbelt den klassischen IT-Servicemarkt ordentlich durcheinander.

Change- Management und Transformation – bei diesen Begriffen bekommen Berater glänzende Augen, weil sie spannende und umfangreiche Projekte versprechen. Die seit geraumer Zeit zu beobachtenden Umwälzungen in der IT durch Cloud Computing wirken aber nicht nur auf die IT-Installationen in den Anwenderunternehmen. Auch die IT-Servicehäuser müssen sich verändern. „Das Geschäftsmodell der Dienstleister lebt von der Komplexitätsbewältigung. Das Cloud Computing ist für sie Fluch und Segen zugleich“, beobachtet der Analyst Stephan Kaiser, Senior Vice President Consulting Services bei Pierre Audoin Consultants (PAC).

Einerseits vereinfache Cloud den IT-Betrieb für Infrastrukturen (IaaS) und Anwendungen (SaaS), so dass es weniger Consulting-Bedarf gebe, andererseits öffneten sich neue Möglichkeiten, das eigene Beratungsportfolio auszubauen. Häufig bieten Dienstleister Cloud-Readiness-Tests an, mit denen Kunden ihre IT-Infrastruktur auf Cloud-Eignung prüfen können.

Einige IT-Dienstleister betreiben selbst Cloud-Lösungen (etwa Capgemini mit den Orchestration-Services „Skysight“), andere positionieren sich als Makler von Cloud-Diensten (etwa T-Systems mit dem „Enterprise Marketplace“) oder schicken komplett neue Geschäftsbereiche in das Rennen um die Cloud-Kundschaft (Atos mit dem Joint Venture Canopy). „Der Druck der Shareholder auf die IT-Service-Provider steigt. Insbesondere die Marge wird kritisch betrachtet. Die Anbieter müssen daher die eigene Transformation vorantreiben“, beschreibt Kaiser die Lage. Die Kernherausforderung für alle lautet, Umsatz- und Gewinnwachstum vom Mitarbeiterwachstum zu entkoppeln.

Near- und Offshore-Centern

Neue Servicemodelle rund um die Cloud sind eine Möglichkeit, um Anleger und Kunden zu befrieden. Ein anderer Weg, bislang nur von großen Anbietern eingeschlagen, ist das Global Delivery mit Hilfe von Near- und Offshore-Centern. Derzeit lastet besonderer Druck auf den Anbietern, weil die IT-Servicegeschäfte nicht so gut laufen wie in den Vorjahren. Die allgemeine Verunsicherung über die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa erfasste auch die Dienstleistungsbranchen, wenngleich die Wachstumsraten immer noch über denen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Für das Jahr 2012 zählte PAC in der IT-nahen Beratung beispielsweise ein Wachstum von knapp über vier Prozent, das lag in den Vorjahren noch deutlich höher.

Das aktuelle Jahr wird keine grundlegende Wendung bringen, die Zuwachsraten trüben sich voraussichtlich sogar leicht ein und erreichen nur noch knapp über drei Prozent. Der Ausblick auf das kommende Jahr lässt jedoch eine leichte Aufhellung erahnen. PAC erwartet, dass die IT-Beratung über das gesamte Jahr 2014 wieder um mehr als vier Prozent zulegen wird. Eine Analyse der Teilsegmente offenbart zudem ein ungewöhnliches Phänomen: Die infrastrukturnahe IT-Beratung legte genauso stark zu wie das Geschäft mit Consulting-Services rund um Applikationen. Üblicherweise verläuft die Entwicklung anders herum, weil Anwendungen die geschäftskritischen Prozesse der Unternehmen abbilden, für ihre Optimierung daher mehr Mittel bereitstehen.

Dass in den vergangenen Monaten verhältnismäßig viel Geld in Infrastrukturprojekte geflossen ist, erklärt PAC-Berater Kaiser mit dem Cloud-Geschäft: „Voraussetzung für diese Projekte ist die konsequente Kostenoptimierung von IT-Infrastrukturen, und die ist in den Unternehmen längst noch nicht abgeschlossen.“ Vielerorts überarbeiten die Anwender ihre IT-Systeme, um sie auf die Anforderungen des Cloud-Betriebs vorzubereiten. Dort, wo die internen Installationen weit gediehen sind, locken die Unternehmen mit Projekten zur Integration von Private- und Public-Cloud-Lösungen. In der Regel scheuen die Anwender aufgrund von Sicherheitsbedenken den Schritt in die öffentliche Wolke.

Furcht vor Datenlecks

Die Furcht vor Datenlecks und Compliance-Verfehlungen ist nicht neu, sie bekam durch die Prism-Enthüllungen aber neue Nahrung. Inwiefern sich das auf die Auftragslage für umfangreiche IT-Security-Projekte auswirkt, lässt sich noch nicht abschätzen. Klar ist indes, dass die Unternehmen schon seit Jahren viel Geld ausgeben, um sich der ständigen Bedrohung durch interne und externe Angriffe zu erwehren. Das gestiegene Sicherheitsbewusstsein ist der wachsenden Vernetzung geschuldet, die Unternehmen mehr und mehr durchdringt. Die Energiebranche spricht über Smart Grids und Smart Metering, die Autohersteller arbeiten an Connected Cars, und der klassische stationäre Handel wendet sich intensiv dem E-Commerce zu.

„Die digitale Transformation der Geschäftsmodelle ist der wichtigste Trend der kommenden Jahre“, erwartet Kaiser. „Es geht dabei insbesondere um die Optimierung und Vereinfachung der Schnittstellen zum Kunden, beispielsweise durch den Einsatz von sozialen Plattformen und mobilen Anwendungen.“ Um nicht von Internet-Startups und schnellen Konkurrenten abgehängt zu werden und das eigene Geschäftsmodell zügig zu digitalisieren, benötigen die etablierten Unternehmen externe Hilfe. Sie wollen passende Verfahren und Modelle schnell adaptieren und relevante Trends rechtzeitig erkennen. „Für die Beratungshäuser brechen mit der Digitalisierung spannende Zeiten an“, meint Kaiser.

„Die Transformation wird immer von digitalen Prozessen vorangetrieben, und sie verändert das Geschäftsmodell der Anwender grundlegend. Dafür werden die IT-Berater aber noch tiefer greifende Geschäftsprozess- und Branchenkompetenz benötigen, um langfristig erfolgreich zu sein.“ Hoffnungen weckt indes das Geschäft mit Application-Management, das zuletzt um fünf Prozent wuchs. Nach wie vor besteht in vielen Unternehmen der Bedarf, die zentralen Applikationen zu standardisieren und einem externen Provider die kontinuierliche Betreuung und Weiterentwicklung zu übergeben. Ziel der Kunden ist ein weitgehend reibungsloser Betrieb aller Backend-Prozesse, um Kapazitäten für IT-Innovationsprojekte zur Digitalisierung und Modernisierung ihrer Geschäftsmodelle freizumachen.

Der Markt für IT-Betriebsservices

Der deutsche IT-Outsourcing-Markt hat sich stark abgekühlt. Die Marktbeobachter von PAC erwarten für 2013 nur noch ein Wachstum von 1,3 Prozent und damit deutlich weniger als in den Jahren zuvor. Eine Ursache ist der enorme Preisdruck, der auf der Branche lastet. Erzeugt wird er zum einen von den hoch standardisierten IaaS-Angeboten etwa von Google und Amazon.

Die spielen im reinen B2B-Geschäft zwar bislang nur selten eine relevante Rolle, setzen aber dennoch Maßstäbe bei den Kosten. „Cloud ist ein notwendiges Übel für die Outsourcing-Provider“, erläutert PAC-Analyst Stephan Kaiser. „Sie müssen eigene Angebote bereithalten, obwohl es wenig zu verdienen gibt. Die Kunden verlangen es.“ Zudem gewinnen die indischen Provider auch im deutschen Infrastrukturgeschäft kontinuierlich Marktanteile. Auch dadurch steigt der Preisdruck. (mhr)

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