Umsatzsteuer, Lieferschwellen und OSS-Meldungen

Das ändert sich für Onlinehändler ab dem 1. Juli 2021

Annika Haucke ist Rechtsanwältin und seit 2013 als Fachredakteurin bei der Steuerberatungsgesellschaft Felix1 tätig.
Zum 1. Juli 2021 treten einige für Onlinehändler wichtige Änderungen im grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU in Kraft.
Für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU gelten ab dem 1. Juli 2021 neue Regeln zur Abführung der Umsatzsteuer in den einzelnen EU-Ländern.
Für den grenzüberschreitenden Handel innerhalb der EU gelten ab dem 1. Juli 2021 neue Regeln zur Abführung der Umsatzsteuer in den einzelnen EU-Ländern.
Foto: koya979 - shutterstock.com

Verkaufen Sie als Onlinehändler Waren - ob über Amazon Marketpace oder den eigenen Shop - und haben noch nichts vom "One Stop Shop" (OSS) und Änderungen bei den Lieferschwellen gehört? Dann sollten Sie jetzt dringend weiterlesen. Denn ab dem 1. Juli 2021 wird alles anders - und (vermeintlich) einfacher.

Für wen gilt die Änderung?

Ab dem 1. Juli 2021 gelten für Onlinehändler geänderte Bestimmungen im Bereich der Umsatzsteuer. Diese Änderungen betreffen alle Händler, die

  • die ihren mit Sitz in der EU haben

  • die Waren online verkaufen

  • die Waren an Verbraucher liefern lassen (B2C; Business to Customer)

  • und deren Kunden in einem anderen Land innerhalb der EU wohnen.

Sofern dies für Sie zutrifft, sind Sie von der Neuregelung betroffen.

Was ändert sich?

Zentrale Elemente der größten EU-Umsatzsteuerreform der letzten Jahre sind zwei Änderungen:

  • Es wird eine einheitliche Lieferschwelle für alle EU-Länder geben.

  • Die Umsatzsteuer für alle EU-Länder können Sie über eine zentrale Stelle - den One Stop Shop (OSS) - abführen.

Einheitliche Lieferschwelle innerhalb der EU - was hat es damit auf sich?

Verkaufen Sie als Unternehmer innerhalb der EU Waren an Privatkunden, mussten Sie als deutscher Händler bisher grundsätzlich in Deutschland die Umsatzsteuer abführen. Ausnahme: Sie überschreiten mit den Umsätzen die jeweilige Lieferschwelle, die in dem Land gilt, in dem der Verbraucher sitzt. Die einzelnen Lieferschwellen waren bisher in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich - zwischen 35.000 und 100.000 Euro. Folge für Onlinehändler: Sie mussten sich bisher in jedem einzelnen Land umsatzsteuerlich registrieren, die einzelnen Lieferschwellen genau prüfen und dann in dem jeweiligen Land umständlich Umsatzsteuer abführen.

B2C-Handel in Europa wird vereinfacht

Hier kommt ab dem 1. Juli 2021 eine große Vereinfachung: Denn dann gilt eine einheitliche Lieferschwelle von 10.000 Euro für sämtliche Verkäufe in der EU. Und: Die Umsätze müssen insgesamt - also zusammengerechnet anhand sämtlicher B2C-Verkäufe in einen anderen EU-Mitgliedstatt - diese Schwelle überschreiten.

Beispiel: A verkauft Mode über seinen Onlineshop. An seine Privatkunden in Österreich (Lieferschwelle bis 30. Juni 2021: 35.000 Euro) verkaufte er im Jahr 2020 Kleidung und machte einen Umsatz von 30.000 Euro. Durch Warenverkäufe an Privatkunden in Polen (Lieferschwelle bis 30. Juni 2021: 160.000 PLN) machte er Umsätze von 200.000 PLN (Polnische Zloty).

A musste für 2020 die Umsatzsteuer für die Verkäufe nach Österreich in Deutschland abführen, weil er die dortige Lieferschwelle nicht überschritten hat. In Polen dagegen musste er Umsatzsteuer abführen, denn die dort geltende Lieferschwelle hat er überschritten.

Ab dem 1. Juli 2021 müsste A bereits dann Umsatzsteuer in beiden Ländern abführen, sobald er zusammengerechnet 10.000 Euro netto Umsatz erwirtschaftet hat. Ab dem Zeitpunkt, ab dem er die Lieferschwelle überschritten hat, muss er dann für den Rest des Jahres die Umsatzsteuer immer in dem jeweiligen EU-Land abführen.

Die Lieferschwelle ist ja viel niedriger. Habe ich dann nicht viel mehr zu tun als vorher, um die Umsatzsteuer abzuführen?

Man könnte glauben, dass nun viel mehr Arbeit auf Onlinehändler zukommt, weil sie ja die Schwelle nun viel schneller überschreiten als vorher. Aber damit genau das nicht passiert, bietet die Reform eine weitere Neuerung und Vereinfachung: Als Händler können Sie Ihre Umsatzsteuer, die Sie bisher in sämtlichen EU-Ländern zahlen müssen, an einer zentralen Stelle anmelden und dort abführen: dem One Stop Shop (OSS). In Deutschland müssen Sie sich dafür beim Bundeszentralamt für Steuern anmelden, was bereits seit dem 1. April 2021 möglich ist.

One Stop Shop - Steuersätze EU-weit

Für die Nutzung des OSS muss sichergestellt sein, dass Sie die Steuersätze automatisiert und EU-weit bestimmen können - idealerweise erfolgt das über die Zolltarifnummer. Das Verfahren ist freiwillig - Sie können sich also auch weiterhin in dem jeweiligen Land registrieren und dort die Umsatzsteuer abführen.

Achtung: Die OSS-Meldungen müssen Sie quartalsweise machen und innerhalb eines Monats nach Ende des Vorquartals einreichen. Das bedeutet auch: Wenn Sie zum 1. Juli 2021 noch nicht zum OSS angemeldet sind, müssen Sie bis zum nächsten Quartal warten.

Bringt das OSS also wirklich eine Vereinfachung?

Die große EU-Umsatzsteuerreform scheint für Onlinehändler viele Vereinfachungen mit sich zu bringen. "Die bisherigen Regeln passten einfach nicht so richtig für den Versandhandel - sie waren für Onlinehändler einfach nicht praktikabel und hier bringt die Reform enorme Erleichterungen", sagt Nadja Müller, Steuerberaterin und Leiterin E-Commerce bei Fynax, einem Steuerberatungsangebot für E-Commerce. "Allerdings ist das nur auf den ersten Blick der Fall. In Einzelfällen kann es für bestimmte Händler mit den Steuern auch komplizierter werden, sodass ein spezialisierter Steuerberater hier wohl am besten weiterhilft."

Nadja Müller, Steuerberaterin und Leiterin E-Commerce bei Fynax: "Die OSS-Reform bringt enorme Erleichterungen."
Nadja Müller, Steuerberaterin und Leiterin E-Commerce bei Fynax: "Die OSS-Reform bringt enorme Erleichterungen."
Foto: fynax
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