Umsetzung der Gewährleistung: Kraut und Rüben

22.11.2001
Am 1. Januar ist es so weit: Die verlängerte Gewährleistung tritt auch in Deutschland in Kraft. Völlig verschlafen haben viele Hersteller allerdings das Weihnachtsgeschäft. Gerade bei hochpreisigen Produkten wie Notebooks pochen Handel und Endkunden bereits heute auf ihr Recht und fordern zwei Jahre Garantie.

Ein Meilenstein in der Konsumentenpolitik: Zum Jahresanfang 2002 muss der Bundestag die Änderung der EUVerbraucherschutzrichtlinie in deutsches Recht umsetzen (siehe unten: "Latentes Risiko für den Händler"). Was läge also näher, als dem Konsumenten diese Garantie auch schon vor dem Jahreswechsel, nämlich im Weihnachtsgeschäft 2001, anzubieten?

Der Fachhandel muss sich derzeit auf die Distribution verlassen, die mit den Herstellern an der Front kämpft. Besser dagegen stehen die großen Fachhandelsketten da, die sich auf das Jahresendgeschäft vorbereiten und aufgrund der Abnahmezahlen einen gewissen Druck auf die Hersteller ausüben können. Atelco zum Beispiel spricht, laut Aussage von Einkaufsleiter Dariusz Zwacka, schon seit mehreren Wochen mit den Herstellern. "Viele unserer Filialen fragen jetzt schon nach Geräten mit verlängerter Gewährleistungsfrist, da sich ja der Endkunde danach erkundigt", führt er aus.

Immerhin 80 Prozent der Anbieter ziehen schon vor Weihnachten mit. Die restlichen 20 Prozent werden - zumindest bei Atelco - dem Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr nur von der Weite zuwinken können. "Wir bringen in der 47. Kalenderwoche einen Flyer raus. Da werden die Hersteller, die jetzt noch keine zwei Jahre Gewährleistung zusichern, nicht dabei sein", sagt Zwacka knallhart. Er ist der Meinung, dass "Hersteller, die jetzt die 24-Monats-Gewährleistung noch nicht geben, sich das komplette Weihnachtsgeschäft versauen".

Auch die Fachhandelskette PC-Spezialist hat ihre Lieferanten schon im Vorfeld verpflichtet, für das Jahresendgeschäft Vereinbarungen über zwei Jahre Gewähr-leistung zu treffen. Immerhin hätten 90 Prozent zugestimmt. "Im Notebookbereich war das gar kein Problem", gibt sich Vorstandssprecher Frank Roebers zufrieden.

An der Retail-Front ist für die Hersteller kein Erbarmen angesagt: "Wir kaufen bereits seit Mitte Oktober nur noch PCs ein, die herstellerseitig mit zwei Jahren Gewährleistung ausgestattet sind", sagt Andreas Klett, Produktmanager bei Medi Max. Diese vorgezogene Verlängerung wurde von der PC-Kette bei einigen Herstellern hart erkämpft und kam nicht freiwillig. Hier wird deutlich, wer im Zweifelsfall am längeren Hebel sitzt.

Bei Media-Markt haben die Hersteller dagegen noch Schonfrist. "Wir sind im Moment dabei, intensive Herstellergespräche zu führen", sagt Johannes Kempter, General Manager bei Media-Markt. Man sei noch nicht so richtig mitten im Weihnachtsgeschäft, führt er weiter aus und meint schmunzelnd: "Die Bedürfniskurve ist zwar da, jetzt muss nur noch die Einkommenskurve nach oben gehen."

Nicht geschafft hat es allerdings Filialist Vobis, seinen einzigen Notebook-Lieferanten schon im Vorfeld zu verpflichten. "Bei HP ist noch nicht raus, ob die Gewährleistung vor Weihnachten schon verlängert wird", sagt Dan-Roberto Dobré, Manager Business Unit Retail Products bei Vobis.

Man glaubt es kaum, aber bis vor kurzem soll es sogar Hersteller gegeben haben, die den Unterschied zwischen Garantie und Gewährleis-tung nicht kannten. Um dieses Problem aus der Welt zu schaffen, versucht zum Beispiel der Distributor Computer 2000 schon seit Monaten, Aufklärungsarbeit zu leisten. "Vor einem Jahr haben wir bereits eine Aktion in Richtung der Hersteller gestartet. Das war deutlich zu früh", erzählt Petra Gummermann, Direktorin der Rechtsabteilung bei Computer 2000, mit einem Augenzwinkern.

Doch der Disti ließ nicht locker. Diesen Sommer lief die zweite Aktion. Auch zu diesem Zeitpunkt sei die Resonanz sehr verhalten gewesen. Vor vier Wochen startete Computer 2000 seinen letzten Versuch: "Jetzt ist langsam Gesprächsbereitschaft da", so die Rechtsexpertin. Zumal die Distributoren den Druck von ihren Kunden nun auch massiv zu spüren bekommen. Briefe mit Wortlauten wie: "Bestätigen Sie mir die Verlängerung der Gewährleistungspflicht auf zwei Jahre, sonst müssen wir Sie aus unserer Lieferantenliste streichen", sind laut Aussagen verschiedener Großhändler jetzt keine Seltenheit mehr.

Der Mobile-Disti RFI hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Fachhandel ist verunsichert. "Wir wurden gebeten, die Ware im November zu liefern und erst im Januar zu berechnen", erzählt RFI-Vertriebsleiterin Distribution Barbara Flander. Es gibt auch wohlgemeinte Tipps der Hersteller: "Bei den alten Geräten müsst Ihr sehen, dass Ihr diese bis Ende des Jahres verkauft." Aber das kann Ärger geben. Dementsprechend vorsichtig handelt man derzeit auch bei RFI: "Wir werden im Dezember sehr genau prüfen, was wir einkaufen", meint dazu die Distributions-Vertriebsleiterin.

Vorbildlich läuft die Umstellung bei Actebis. "Wir haben nur A-Brands mit einer 36-Monats-Gewährleis-tung im Portfolio", verkündet Mike Kramer, Bereichsleiter Deutschland bei Actebis, zufrieden und sieht sich damit auf der sicheren Seite. "Auf unsere Eigenmarken ,Targa# und ,Peacock# besteht bereits seit Spätsommer eine Gewährleistung von mindestens zwei Jahren", ergänzt Thomas Kuhnert, Business-Unit-Manager für Targa- und Peacock-Produkte. Ansonsten gebe es keinerlei Umstellungsprobleme, da aktuell keine Ware mehr im Handel sei.

Obwohl sich die Endkunden im Retail-Kanal dieses Jahr ihre Garantieerklärungen genauer durchlesen, die Fachhändler den Distis auf den Tischen herumtanzen und die Distribution keine Lust hat, die Verlängerung bis Jahresende auf die eigene Kappe zu nehmen, gibt es immer noch Hersteller, die mit großen Augen auf das neue Gesetz blicken.

Consumer-König Sony zum Beispiel konnte bis Redaktionsschluss keine Aussage dazu machen, ob und wie man die verlängerte Gewährleistung noch vor dem Jahreswechsel durchführen wird. Nächs-tes Paradebeispiel ist Compaq. "Die meisten Produkte haben heute schon zwei Jahre Gewährleis-tung. Die Geräte, die das noch nicht haben, werden wir entsprechend am 1. Januar anpassen", erklärt das Unternehmen. Es ist allerdings bekannt, dass einige Großkunden diese Anpassung bereits für das Weihnachtsgeschäft durchgefochten haben.

Samsung-Modelle, die bis heute eine einjährige Collect-and-Return-Garantie haben, werden ab 1. Jan-uar 2002 auf zwei Jahre erhöht. Zu einer vorzeitigen Verlängerung sagt Joachim Stiller, Sales- & Marketing-Manager Germany Note PC: "Vielleicht werden ja manche Endkunden mit ihren restlichen ,Schlafmünzen# noch vor Jahreswechsel in die Retail-Märkte gehen." Umso erstaunlicher ist dann aber, dass auch Samsung die Umstellung erst ab 1. Januar 2002 durchführen wird.

Selbst B-Brands wie der österreichische Notebook-König Gericom versichern, dass das Konzept bereits stehe. Seit einem Jahr habe man bei 70 bis 80 Prozent seiner Kunden sowieso schon zwei Jahre angeboten. Ab Jahresanfang wird diese Gewährleistung auf sämtliche Produkte und alle Kanäle ausgeweitet. Die Zusatzkosten übernimmt ebenfalls das Unternehmen, so Gericom. A-Brands wie Toshiba, Fujitsu Siemens Computers und IBM stehen vor der endgültigen Entscheidung oder haben schon klare Konzepte vorliegen. "Wir bemühen uns um eine europaweite Regelung ab 1. Januar 2002", erklärt IBMs Director PC-Marketing Felix Rümmele. Bisher machte der IT-Riese rund 60 Prozent seines Notebook-Umsatzes mit Geräten, die bereits drei Jahre Gewährleistung aufwiesen.

Die Serien, die im Moment zwölf Monate Gewährleistung bieten, sind ab dem neuen Jahr mit 24 Monaten dabei. Bei Toshiba kann man bereits heute beruhigt ins Regal nach einem Notebook greifen. Der Hersteller gibt eine Gewährleis-tung von zwei (Satellite-Serie) beziehungsweise drei Jahren auf alle neuen Produkte. Den Ort, an dem das Weihnachtsgeschäft abläuft, hat auch Fujitsu Siemens Computers erkannt. Seit dem 1. Dezember bietet FSC für sämtliche Produkte im Retail-Bereich mindestens zwei Jahre Gewährleistung. Ab Januar gilt diese Frist dann auch für alle anderen Absatzkanäle. (bw)

Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar auf Seite 8

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