... und die nächste CeBIT ist schon wieder in Sicht

21.03.1997
MÜNCHEN: Alle Jahre wieder zieht die IT-Welt auf den eigenen Branchenrummel, genannt CeBIT. Viele tausend Aussteller mit zigtausend Mitarbeitern freuen sich auf eine knappe Million Besucher aus aller Herren Länder. Das Spektakel hinterläßt nicht nur umsatzträchtige Neugeschäfte, sondern auch viele Spuren und Erkenntnisse. Und immer wieder fragen die Aussteller nach Sinn und Zweck ihrer Messepräsenz. War diese Messe wirklich ein Erfolg? Stefan Rohr* zieht Bilanz.Der eine oder andere von Ihnen wird diesen Artikel vielleicht im Krankenbett lesen. Mit einer dicken Bronchitis, Angina, Gastritis oder nach einem gerade halbwegs überwundenem Schwächeanfall.

MÜNCHEN: Alle Jahre wieder zieht die IT-Welt auf den eigenen Branchenrummel, genannt CeBIT. Viele tausend Aussteller mit zigtausend Mitarbeitern freuen sich auf eine knappe Million Besucher aus aller Herren Länder. Das Spektakel hinterläßt nicht nur umsatzträchtige Neugeschäfte, sondern auch viele Spuren und Erkenntnisse. Und immer wieder fragen die Aussteller nach Sinn und Zweck ihrer Messepräsenz. War diese Messe wirklich ein Erfolg? Stefan Rohr* zieht Bilanz.Der eine oder andere von Ihnen wird diesen Artikel vielleicht im Krankenbett lesen. Mit einer dicken Bronchitis, Angina, Gastritis oder nach einem gerade halbwegs überwundenem Schwächeanfall.

In der schnittfesten Luft in Ihrer Messehalle, nach überhasteten Zigarettenpausen in der Zugluft zwischen Halle 3 und 4 oder über den leckeren Würstchen von der Imbißbude um die Ecke haben Sie's geschafft, ein Messe-Souvenier mitzubringen, das auch Sie nun in den Kreis der allseits erfahrenen Messe-Profis einreiht.

Eine Messe ohne Blessuren ist keine Messe. Die abendlichen Feten und anschließenden Rundgänge innerhalb und außerhalb des Messezaunes haben vielleicht noch das ihrige dazu getan, Ihnen ein nachhaltiges Andenken zu verpassen. In den Club der richtig alten Messe-Hasen werden Sie allerdings erst aufgenommen, wenn Ihnen die Hannoversche Verkehrspolizei den Führerschein abgenommen hat und Sie nachweislich mindestens eine Nacht in einer Ausnüchterungszelle verbringen durften.

Kärtchen und Anstecker gesammelt

Doch schön war sie wieder - die CeBIT. Nach monatelanger Vorbereitung, Nervosität und autogenem Training ist es den meisten wieder einmal gelungen, das Geschäft neu anzukurbeln. Die eigenen Visitenkarten wurden in Hülle und Fülle unter die Besucher verstreut und selbst hat man zwei Pappkartons mit Kärtchen und Merkzetteln im Gepäck. Zu Hause soll dann alles fein säuberlich ausgewertet und in Geschäft umgesetzt werden. Der Chef kann zufrieden sein: Man hat auch alle Prospekte verteilt, der Vorrat an Kugelschreibern waren bereits am Sonntagnachmittag erschöpft, die Luftballons, Lutschbonbons und Jojos gar hielten nur bis zum Samstag.

Als erfahrener und professioneller CeBITianer hat man natürlich Anstecker gesammelt. Drei Anzüge wurden zwar durch die viele Hin- und Hersteckerei versaut. Aber was macht das schon. Jeder Anstecker weist "Ich-kenne-da-einen" auf, zeugt von Wichtigkeit der eigenen Person und einem globalen Branchenkontakt. Wie Trophäen wurden sie während der Messetage getragen und liegen nun in einer der Kisten ganz unten. Direkt neben den VIP-Karten und Promi-Bändchen, die noch vor kurzem für manchen die Welt bedeuteten. Nun ist alles Schall und Rauch.

Wenig Schlaf, Termine geplatzt und Handy verloren

Geschlafen hat so mancher in den sieben Messetagen insgesamt vielleicht nur 24 Stunden. Tiefe Augenringe und fahle Haut zeugen von Höchsteinsatz im Zeichen des Neugeschäftes und Umsatzes. Überstrapazierte Stimmbänder, ein leichtes aber immer noch anhaltendes Sausen in den Ohren, nächtliche Wadenkrämpfe und der Geschmack von Muff und Mief aus einer ungenügend belüfteten Halle sind die anhaltendsten Andenken an einen erfolgreichen und durchgehaltenen Messeauftritt.

An einen Abend erinnern Sie sich allerdings nicht mehr so gerne. Das war der Abend, an dem Ihr Unternehmen eine Standpräsentation für Ihre Kunden organisiert hat. Liebevoll wurden Häppchen, Sekt und exotische Longdrinks vorbereitet, Tischdecken verteilt, Servietten gefaltet und Salzstangen in Gläser gesteckt. Sorgsam wurden die Produktdisplays postiert, Präsentations- und Informationsunterlagen drapiert und der Visitenkartenvorrat in der Brusttasche aufgefüllt. Der Chef hat noch kurz vorher alle zusammengeholt und methodische Empfehlungen, Argumentationshilfen, Verkaufstechniken sowie Gesprächsstrategien gelehrt. Als dann um 18 Uhr die ersten Gäste kommen sollten, befand sich die Spannung auf dem Höhepunkt.

In diesem Moment spielte am Stand gegenüber eine Hard-Rock-Gruppe auf. Dort wurde Faßbier in rauhen Mengen spendiert und jeder, der wollte (oder auch nicht), blieb an diesem Stand hängen. Besonders praktisch für all' diese Besucher: die lekkeren Häppchen auf Ihrem Stand. Eine Vielzahl unbekannter Besucher, Schüler und Messehilfen aus allen umliegenden Hallen zählten nun zu Ihren Gästen. Wie nach einem schlagartigen Angriff von Myriaden wilder Heuschrecken war in einem Nu alles futsch und leergefressen. Der eine oder andere Kunde von Ihnen wurde zwar im Gewimmel entdeckt, Gespräche, Präsentationen oder gar Akquisitionen waren jedoch bei dem Geräuschpegel und dem Gedränge völlig unmöglich.

Der im Vorfeld der Messe sorgsam aufgebaute Terminkalender, der Ihre Gespräche während der Messe festlegte, hat Sie ebenso enttäuscht. Von den zwanzig "festen" Terminen klappten nur drei. Die übrigen wurden abgesagt oder man verpaßte sich im Wirrwarr des Business. Als dann auch noch Ihr Handy geklaut wurde, brach eine Welt für Sie zusammen. Wie jetzt noch kommunizieren? Davon einmal abgesehen - was ist ein "echter" Messe-Profi ohne ein dauerhaft fiepsendes Handy!

Erfolgsauswertung

Nun aber geht's an die Auswertung der Erfolge. Die Beweise geschäftlichen Kontaktes in Form von Visitenkarten und schnellen Aufzeichnungen werden hervorgekramt und in die Verwertung überführt. "Meier, Rolf, Vertriebsleiter der Knerzenbeck-Systeme". ...?... Was war das denn noch einmal? Verdammt - keine Notiz darüber, was der eigentlich wollte. Oder wollten Sie etwas von ihm? Auch bei der nächsten Visitenkarte das gleiche. Mist! Wenn man sich doch bloß mehr Zeit gelassen hätte, die Kontaktinhalte besser zu erläutern.

Und erreichen können Sie so kurz nach der Messe sowieso nur die wenigsten. Herr Müller hat Urlaub, Herr Hansen ist krankgeschrieben, Herr Petersen ist nicht mehr in unserem Hause beschäftigt. Dafür klingelt Ihr Telefon freudig. Die Verteilung Ihrer Visitenkarten zeigt Wirkung. Neun Bewerbungen, zwei Nachfragen nach einem Praktikantenplatz, vierzehn Terminanfragen zwecks Präsentation bedeutender und lebenswichtiger Produkte, wie zum Beispiel der neue Gummi-Sitzball (zur Stabilisierung der Rückenmuskulatur) oder das Management-Training im Riedener Gehölz mit Urschrei-Befreiung und Baumhüttenbau. Gott sei Dank ist auch die Bewerbung des neuesten Handy dabei.

Dennoch: Die Messe war trotz allem ein Erfolg. Viele Menschen getroffen, Informationen und die neuesten Neuigkeiten mit Kollegen ausgetauscht, viele Produktneuerungen gesehen, einige gute und vielversprechende Geschäftskontakte entwickelt. Auch verkauft wurde einiges. Na und die Konkurrenz hat einen wesentlich kleineren Stand gehabt, was das Selbstwertempfinden und Image erheblich aufpoliert - oder?

Im nächsten Jahr weitsichtiger planen

Beim nächsten Mal sollten Sie allerdings weitsichtiger sein. Kundenpräsentationen könnten anders organisiert und Standfeiern gänzlich ausgeschlossen werden. Die Dokumentation von Kontakten und Gesprächsinhalten kann standardisiert und formalisiert werden, damit ein Nachhaken auf festen Beinen steht. Luftballons und Kugelschreiber verfehlen ihren Sinn, da sie fast ausschließlich in die Hände von sammelnden Schülergruppen oder Rucksack-BigMac-Besuchern landen. Die Investition in teures, hochglänzendes Präsentationsmaterial ließe sich ebenso optimieren, indem bedacht wird, daß die meisten dieser Unterlagen ohnehin in der Abfalltonne verschwinden. Sie werden sich vielleicht gleich zu Beginn der Messe an den Nachbarständen informieren, ob und gegebenenfalls wann dort die Standfeten geplant sind und was ablaufen soll, damit die eigene Planung ungestörter realisiert werden kann. Vielleicht sagen Sie aber auch, daß diese Messe Ihre letzte war.

Messen haben eigentümliche Effekte

Und das wäre sicherlich verkehrt. Messen haben eigentümliche Wirkungen und Effekte. Henry Ford sagte einmal, er wisse, daß die Hälfte seiner Werbung aus dem Fenster geworfen sei - er wisse allerdings nicht welche. Die vielschichtigen Auswirkungen, Werbeerfolge und Geschäftsanbahnungen, die aus der Messepräsenz entstehen, sind kaum präzise und in ihrer Ursache nachzuvollziehen, erst recht nicht vorzukalkulieren.

Dabei sein und in professioneller Manier das Beste daraus machen, ist zwar nicht gerade eine management-like Empfehlung, dennoch lassen sich die meisten Resümees durchaus auf diesen Satz komprimieren. Jede Messe ist anders. Mal liegt der Stand im Mittelpunkt der Besucherströmungen, mal ist der Standnachbar ein vorzüglicher Anziehungspunkt auch für Ihre Zielgruppe, mal verirren sich die lohnendsten Geschäftspartner an Ihren Stand, mal verankert man den Top-Key-Account der nächsten Jahre über einen ersten Messekontakt.

Aber wie auch immer. Messe ist Messe. Und die CeBIT ist eine besondere Messe. Trotz aller Anstrengungen und unangenehmen Begleiterscheinungen existiert bei vielen Branchenkollegen tief unten eine warme Zuneigung für dieses alljährliche Spektakel. Jeder hat etwas zu meckern. Viele Verbesserungsvorschläge an die Messe-Gesellschaft verhallen ungehört und unbeachtet. Trotzdem planen fast alle ihr Wiederkommen im nächsten Jahr. Wenn auch die Freude vor dem Hintergrund der gerade durchgestandenen Mühen zur Zeit noch eher gedeckt ist, sie kommt wieder. Spätestens im September dieses Jahres. Denn ab dann tickt bereits wieder die nächste CeBIT-Uhr.

* Stefan Rohr ist geschäftsführender Gesellschafter der r&p management consulting Hamburg/Düsseldorf/Frankfurt

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