"Unsere Aufgabe kann nur darin bestehen, den Nutzen von IT nachzuweisen"

03.07.2003
Die IT-Branche hat sich auf den Mittelstand eingeschossen. Kaum eine andere Zielgruppe wird derzeit so umgarnt, kaum ein Hersteller, der kein Mittelstandsprogramm aus dem Marketing-Hut gezaubert hat. Auch Hewlett-Packard startet nun eine Initiative und hängt seine Mittelstandsfahne ein Stück höher.

"Ich weiß, dass zurzeit seitens der Hersteller ein Mittelstandsprogramm nach dem anderen ins Leben gerufen wird, aber ich denke trotzdem, dass es auch uns gut ansteht, Antworten darauf zu liefern, was wir diesem Zielmarkt zu bieten haben", lauten die fast schon entschuldigend klingenden Einführungsworte von Rainer Kaczmarczyk, Geschäftsführer der Enterprise Systems Group bei Hewlett-Packard, anlässlich der soeben gestarteten Mittelstandskampagne.

Aufgehängt haben die Böblinger ihre Initiative am Stichwort "Paradigmenwechsel", den der Hersteller beim Einsatz von Informationstechnologie in den mittelständischen Unternehmen festgemacht haben will. "Nicht die technischen Möglichkeiten, sondern die realen Geschäftsanforderungen der Unternehmen bestimmen die heutigen IT-Infrastrukturen", erklärt Kaczmarczyk. So sei beispielsweise zu beobachten, dass E-Business allmählich Realität in den Firmen werde. Verstärkt werde versucht, die eigenen Geschäftsprozesse in Form von SCM- und CRM-Lösungen elektronisch abzubilden, um ihre Produktivität und Effizienz zu steigern.

50 Vertriebsmitarbeiter werden abgestellt

Die große Herausforderung bestehe darin, so der Ex-Compaq-Manager weiter, anpassungsfähige IT-Lösungen anzubieten, die zudem einen bestmöglichen Investitionsschutz bieten. "Adaptive IT" haben sich die Böblinger hierzu als Begrifflichkeit ausgedacht. In die Zukunft blickend glaubt HP, dass der Mittelstand vor allem in jene IT-Lösungen investieren wird, die vier Anforderungen genügen: Vereinfachung, Standardisierung, Modularisierung und Dynamisierung. "Jeder Mittelständler will ganz genau wissen, ob und wann sich der Einsatz von IT positiv auf sein Geschäftsergebnis auswirkt", unterstreicht Kaczmarczyk. Zusammen mit seinen strategischen Partnern hat HP derzeit etwa 20 Komplettlösungen zusammengestellt, die ausschließlich über Partner vertrieben werden. Zur Seite stehen den Händlern 50 HP-Vertriebsleute, die dediziert für die Mittelstandsinitiative abgestellt werden. Mit welchen Anbietern die so genannten "Adaptive Enterprise"-Lösungen gemeinsam entwickelt werden, ist klar umrissen. Bei den Anwendungen kommen Microsoft und SAP ins Spiel, bei Datenbanken Oracle oder wiederum Microsoft, Middleware heißt für HP Dotnet, J2EE oder BEA. In Sachen Betriebssysteme dreht sich alles um HP-UX, Linux und Windows. Als Hardwareplattform wurden Intels "Itanium"-Prozessoren auserkoren.

SAP steht mit in den Startlöchern

Abgeleitet daraus hat der Anbieter zahlreiche Lösungsszenarien ausgemacht, die nun über die HP-Partner den mittelständischen Kunden schmackhaft gemacht werden sollen. Da vor der Fusion Compaq eifrig SAP für die Windows- und HP für die Unix-Plattform verkauft haben, kann die neue HP von sich behaupten, dass rund 55 Prozent aller Installationen nunmehr auf den hauseigenen Plattformen laufen. Das verspricht nach Meinung von HP und SAP ein lohnendes R/3-Upgrade-Geschäft. Neukunden sollen vor allem mit SAPs neuer Mittelstands-Applikation "Business One" gewonnen werden. Derzeit sind die Walldorfer eifrig damit beschäftigt, Channel-Partner aufzubauen. Etwa 15 von ihnen sind gleichzeitig HP-Händler. "Unsere Partner haben die Aufgabe, die Prozesse in mittelständischen Unternehmen zu erfassen. Das ist sicherlich keine ganz leichte Aufgabe", beschreibt Michael Schmitt, Leiter des Geschäftsbereiches Mittelstand bei SAP, die Erwartungshaltung an die Vertriebspartner. In den Augen von Jürgen Schäfer, Geschäftsführer der Bechtle Logistik & Service GmbH, ist das aber eher ein Wunschdenken des Herstellers. "Aus persönlicher, langjähriger Erfahrung heraus, kann ich nur sagen, dass ein mittelständischer Unternehmer weder von Prozessen spricht, noch in Prozessen denkt."

Dass der Name SAP automatisch mit kostspieligen Mammutprojekten in Verbindung gebracht wird und mittelständische Unternehmen schon alleine deswegen vor Lösungen aus diesem Haus zurückschrecken, ist Schmitt durchaus bewusst. "Das ist sicherlich noch ein Punkt, an dem wir arbeiten müssen. Dass wir bei Business One von Einführungszeiten von zwei bis drei Wochen reden, ist sicherlich noch nicht allen bekannt", räumt Schmitt ein.

Lohnendes Objekt sind nach Meinung von HP auch die mittelständischen Bestandskunden von Sun. "Ich glaube, wir können jederzeit den Beweis antreten, dass unsere Technologie bei gleichem Leistungsumfang deutlich günstiger in der Anschaffung und bei den Folgekosten ist. Viele Sun-Kunden werden sich sicherlich schon gewundert haben, wie hoch ihre laufenden Kosten sind", glaubt Kaczmarczyk zu wissen und resümiert: "Im Mittelstand ist jede Menge Musik drin."

www.hewlett-packard.de

ComputerPartner-Meinung

Wie bei allen Mittelstandsprogrammen klafft zwischen der Wunschvorstellung des Herstellers und dem tatsächlichen Investitionsverhalten mittelständischer Unternehmen eine Lücke. Die kaufen nicht, was der Anbieter gerade für sinnvoll hält, sondern das, was sie brauchen. Die Partner wissen das und sehen derartige Initiativen eher als Themengestaltung und Anregung. "Wenn ein Hersteller ein Mittelstandsprogramm startet, ist das noch lange kein Marschbefehl für uns", lautet denn auch trefflich der Kommentar von Bechtle-Manager Schäfer. (cm)

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