Aufgrund der Investitionszurückhaltung vieler Unternehmen gehen einige Software-Hersteller inzwischen unkonventionelle Wege und verschenken ihre Business-Programme zum Nulltarif. Im Gegensatz zu Promotion-Aktionen mit beispielsweise Antivirus-Programmen gehen nun immer mehr vor allem kleinere Softwarehäuser den Weg, Vollversionen, die sonst nicht uneingeschränkt nutzbar sind und mehrere 1.000 Dollar kosten, frei am Markt anzubieten. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, sieht Tideway Systems, ein britischer Software-Spezialist für Business-Software im Back-Office-Bereich, mit den Give Aways die Chance, trotz Rezession und Wirtschaftskrise neue Kunden zu akquirieren.
"Grundsätzlich sind solche Aktionen auf den ersten Blick zwar sehr ungewöhnlich. Dahinter steckt jedoch eine tiefere Logik. Aus der Forschung weiß man inzwischen, dass unerwartete Geschenke ein Belohnungsempfinden auslösen. Darüber hinaus wäre das Unternehmen, das Software verschenkt, dann bei den Firmen, die das Geschenk annehmen, positiv besetzt. Der Erfolg, diese später als zahlende Kunden gewinnen zu können, bleibt jedoch abzuwarten", erläutert Kommunikations- und Unternehmensberater Dieter Herbst im pressetext-Gespräch. Laut dem Experten könne es genauso gut passieren, dass die Software zwar genutzt wird, sich aber keine weiteren Aufträge ergeben. "Sobald sich der Verstand des Beschenkten einschaltet und kritisch nachhakt, kann es schnell vorbei sein", meint Herbst.
Dabei scheint die von Tideway Systems gestartete Werbeaktion keineswegs freiwillig. Dem Bericht zufolge beklagen die Londoner, dass die Software-Umsätze bereits seit 18 Monaten kontinuierlich zurückgehen und radikale Maßnahmen erforderlich machen. Dabei nimmt man das Risiko in Kauf, dass sich die Beschenkten nicht wie zuvor beabsichtigt als Tester, sondern vielmehr als neue Besitzer der Software betrachten. Bereits über 4.000 Kopien der Software, die jedoch maximal 30 Firmenrechner überwachen kann, wurden über das Internet herunter geladen. "Wenn ich mit der Aktion nur fünf Kunden gewinnen würde, die ich vorher nicht gehabt hätte, wäre es das wert", lässt sich Tideway Chief Technology Officer Adam Kerrison zitieren. Obwohl man sich vom Erfolg überzeugt fühlt, sei dies eine "Frage des Glaubens".
"Anhand dieser radikalen PR-Schritte sieht man, wie stark einige Unternehmen von der Krise bereits getroffen sind und ihre eigenen Business-Konzepte überdenken müssen. Wenn wie im Fall Tideway die jährliche Nutzung der Software 20.000 Dollar kostet, sollte man sich zudem fragen, ob der Verkaufspreis überhaupt noch gerechtfertigt ist", so Herbst auf Nachfrage von pressetext. Der proaktive Vorstoß Tideways könnte Signalwirkung für die gesamte Branche haben. Bisher war es üblich, im Voraus Entgelte sowie Kosten für monatliche oder jährliche Servicedienstleistungen zu verrechnen. Inzwischen streben Tideway und Co an, Kunden über Gratis-Software zu kostenpflichtigen Upgrades zu überreden. Aber nicht nur kleine Software-Schmieden verschenken Programme. So bietet auch Microsoft Unternehmen Programme zum freien Gebrauch an. Vor allem Start-ups können Office und andere Software kostenlos nutzen. (pte) (wl)