Unternehmensberatung - für den Mittelstand eine Qual der Wahl

10.05.2000
Unternehmensberater sind wichtige Partner für den Aufbau, den Erhalt und die Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen. Wilfried Domke* will mit diesem Beitrag kleinen und mittelgroßen Unternehmen helfen, sich besser im Beratermarkt orientieren zu können.

Mit der Beauftragung von Unternehmensberatern erkauft sich ein Unternehmen Fach- und Methodenkompetenz, Erfahrung und auch Zeit oder einen Zeitvorteil. Die Nachfrage nach Beratung hatte in der letzten Dekade Jahr für Jahr zweistellige Zuwächse.

Anders als in den 50er und 60er Jahren sind Berater heute aber keine Allrounder mehr, sondern Spezialisten in einem bestimmten Beratungsbereich, in dem sie sowohl den Stand der Wissenschaft und der Technik kennen, als auch die Wege und Methoden zur Umsetzung von zeitgemäßen Lösungen in die Praxis eines Unternehmens.

Die Bandbreite der Spezialisierungen ist laut Auflistung des BDU (Bundesverband Deutscher Unternehmensberater) auf über 300 Tätigkeitsbereiche angewachsen und erstreckt sich auf alle betriebswirtschaftlichen Hauptfunktionen vom Finanz- und Rechnungswesen über Logistik und Beschaffungs-Management bis hin zu Organisation, Strategie und Personalbeschaffung.

Heute haben wir nach Schätzungen des Berufsverbandes rund 12.300 Anbieter im Consulting-Markt (exklusive Personalberatung). Diese große Zahl und die vielen Spezialisierungen verhindern eine Markttransparenz. Statt Beratung wird Ratlosigkeit für nach Lösungen suchende Auftraggeber geschaffen.

Sicher, jeder halbwegs an Wirtschaft interessierte Mitmensch hat schon Namen gehört wie McKinsey, Roland Berger oder Kienbaum. Aber wer kennt schon die Namen Arthur D. Little (die älteste Beratung der Welt!), AT Kearney oder Dr. Wieselhuber - drei weitere aus der Riege der 25 größten Anbieter in Deutschland.

Suche ist alles andere als einfach

Hat man einen Berater, kann man sich beruhigt zurücklehnen. Hat man ihn nicht, braucht man eigentlich schon einen Berater bei der Suche nach einem Berater. Denn diese Suche ist alles andere als einfach.

Sie bedingt zunächst einen langen Blick in die Branchenstrukturen der Unternehmensberatung beziehungsweise des Consulting.

Wer beauftragt eigentlich Unternehmensberatungen? Welche Unternehmen geben viel Geld dafür aus, um immer wieder besser zu werden? Hier geben jüngere Branchenerhebungen Aufschluss.

Bei einem Gesamtvolumen von 19,3 Milliarden Mark (1999) kommen rund 37 Prozent aller Aufträge für Unternehmensberatungen aus Unternehmen, die mehr als 5000 Mitarbeiter haben - 19 Prozent aus Firmen, die zwischen 1000 und 5000 Mitarbeiter und 44 Prozent aus Firmen, die weniger als 1000 Mitarbeiter haben. Aus typischen Mittelstandsfirmen in der Größenordnung zwischen 50 und 499 Mitarbeitern kommen lediglich 28 Prozent, obwohl gerade die Unternehmen dieser Betriebsgrößen der Motor unserer Wirtschaft sind.

Die Inanspruchnahme und der Einkauf von externem Rat ist also eher eine Sache großer Unternehmen und der Konzerne. Es sind nur wenige hundert, aber sie sind die Umsatzgaranten für die Beratungsbranche.

Zudem haben große Unternehmen und große und bekannte Beratungsgesellschaften oft eine gemeinsame, jahrzehntelange Vergangenheit. Es sind zunächst die großen Unternehmen gewesen, die auch in Deutschland das aus den USA importierte externe Beratungswesen für sich entdeckt haben. Man kennt sich lange, es gibt einen gewohnten Umgang miteinander, und man ist zusammen erfolgreich und groß geworden.

Aber auch wegen der Komplexität der Großunternehmen und ihren komplexen Problem- und Projektstellungen tendieren die Entscheider in Konzernen zu großen Beratungsgesellschaften. Hier sind breites Know-how auf unterschiedlichen Beratungsfeldern und zeitschonende Kapazitäten sowie lange Referenzlisten gleichartiger Projekte vorhanden. Es gibt hier kaum eine Aufgabenstellung, die nicht in ähnlicher Form irgendwo auf der Welt im zumeist internationalen Netz schon einmal gelöst worden ist.

Die Folge: Die 25 größten Anbieter von Unternehmensberatung in Deutschland - also 0,2 Prozent von allen - haben einen Marktanteil von zirka 25 Prozent (zirka vier Milliarden Mark).

Berücksichtigt man hier, dass bei den meisten großen Beratungen durchschnittlich 70 Prozent aller Aufträge als Folgeaufträge aus den Unternehmen kommen, für die schon einmal ein Beratungsprojekt gelöst wurde, muss festgestellt werden, dass diese großen nicht nur konzernorientiert, sondern sogar konzernfixiert sind. Ihre Strukturen, ihre Honorargefüge und auch ihre Mentalitäten sind auf Großmandate ausgerichtet.

Mittelständische Auftraggeber sind von ihnen noch nicht als notwendig entdeckt oder zumeist als zu unattraktiv eingestuft worden. Als Anlaufstationen für Problemstellungen und Bedürfnisse kleiner und mittelgroßer Unternehmen fallen die Großen der Branche deshalb in der Regel aus, obwohl sie wegen ihrer relativen Bekanntheit für den suchenden Mittelständler am leichtesten zu identifizieren, in ihrer Leistung am leichtesten einzuschätzen und ergo am leichtes- ten anzusprechen wären.

Kleinere Beratungen sind die Favoriten

Neben den umsatzstarken und bekannten Beratungen haben nur 37 Prozent aller Beratungsanbieter Jahresumsätze von mehr als einer Million Mark (47 Prozent Umsatzvolumen im Markt) und 63 Prozent aller Beratungsgesellschaften nicht mehr als eine Million Mark, womit sie rund 28 Prozent der Gesamtnachfrage auf sich vereinen.

Die Beratungen in diesen beiden Größenordnungen teilen sich in etwa hälftig das Honorarvolumen, das auftraggebende Unternehmen mit Jahresumsätzen von 5 bis 50 Millionen Mark für Beratungsprojekte ausgeben.

Kleinere Beratungen sind (also auch) eindeutig die Favoriten der kleineren Unternehmen.

Und hier tritt das Dilemma der Branchen-Intransparenz besonders zu Tage. Der Mittelständler fragt sich: "Welche der zigtausend Beratungen kleiner Art hat für mein Problem die richtige Kompetenz, welche vielleicht Erfahrung in der eigenen Branche, welche ist vertrauenswürdig und seriös im Geschäftsgebaren, und welche ist vielleicht regional oder kapazitätsmäßig verfügbar?" Antworten erhält er ohne eigenes Zutun nicht. Alle Beratungsgesellschaften, die in Frage kommen könnten, sind für ihn zunächst eine anonyme Masse, deren Namen ihm alleine nichts beantworten.

Doch es gibt Nachschlageverzeichnisse und Institutionen, die weiterhelfen. Bei den Nachschlageverzeichnissen darf der Preis, der dafür zu entrichten ist, nicht stören - schließlich übertrifft der Finanzeinsatz für die spätere Beratung oft das tausendfache ihrer Preise. In den Verzeichnissen sind Beratungsgesellschaften immer alphabetisch und nach ihren Leis-tungsangeboten und Spezialisierungen gelistet. Die Beratungs- gesellschaften selbst stellen sich in diesen Verzeichnissen zumeist auf individuellen Seiten sehr ausführlich in ihren Kompetenzprofilen dar. Beigefügte Selektions-CD-ROMs erleichtern zumindest beim BDU-Verzeichnis und beim Consulting Guide die Auswahl nach Tätigkeitsgebieten/Brancheneignung und/oder regionaler Präsenz.

Außer bei dem BDU-Verzeichnis ist der Eintrag in solche Nachschlagewerke für Unternehmensberatungen nicht diszipliniert oder überprüft. Deshalb gilt auch hier manchmal für die Selbstdarstellungsinhalte oder für die Leis-tungsbreite der Beratungsgesellschaften: Papier ist geduldig. Im BDU-Nachschlagewerk sind alle - große wie auch kleine - Mitglieder des Verbandes (Marktanteil zirka sechs Prozent) aufgeführt. Mit dem Vorteil, dass sie sich auf die strikten Aufnahmekriterien des Verbandes hinsichtlich Marktpräsenz, Seriosität und Beratungsregeln verpflichtet haben.

Institutionen wie RKW, ZDH, DTA und IHK sowie viele Organisationen der großen Geschäftsbanken kooperieren und empfehlen zumeist Beratungsgesellschaften, die auch in diesen Verzeichnissen zu finden sind und darüber hinaus in vielen Jahren ihre Eignung in der Zusammenarbeit bewiesen haben.

Problembewusstsein hilft bei der Auswahl

Die Frage eines mittelständischen Unternehmers nach der Kompetenz einzelner Beratungsgesellschaften wäre hier halbwegs beantwortet. Aber eben nur halbwegs. Denn die richtige Auswahl der richtigen Unternehmensberatung bedingt, ob man selbst weiß, bei welchem Problem die Unternehmensberatung dem Unternehmen helfen soll. Es empfiehlt sich, schon ein gewisses Problembewusstsein zu haben und ein Wissen - mindestens aber eine Ahnung - welche Ursachen für ein Unternehmensproblem verantwortlich sind, um es mit Hilfe eines Beraters zum Positiven hin zu verändern. Das Beispiel eines Patienten bei einem Allgemeinmediziner sei hier erlaubt, der nur sagen kann, dass er sich irgendwie schlecht fühlt, aber nicht weiß wieso und keine Lokalisierung angeben kann. Man muss dann in Kauf nehmen, dass man lange untersucht wird, was bei einem Unternehmensberater Zeit und Geld kos-tet - besonders dann, wenn er wegen der breiten Spezialisierung seiner Branche eher der "Facharzt" ist und nicht auf allen Gebieten eine Analyse stellen kann.

Wie bei Medizinern gibt es auch bei den Unternehmensberatern fachliche Scharlatane oder solche, die nur auf das Schinden von Honoraren aus sind - also möglichst lange möglichst viel Geld von ihrem "Patienten" erlangen wollen. Hier kommen wir zur Frage der Seriosität.

Große und mittelgroße Beratungen, weil in der Regel lange am Markt, können vom Verdacht einer möglichen Unseriosität im Geschäftsgebaren ausgenommen wer- den. Ein Qualitätszeugnis für kleinere und ganz kleine Beratungen oder Einzelberater ist ebenfalls, wie lange sie schon im Markt tätig sind, ob sie einem Verband angehören und welche nachprüfbaren Referenzen sie vorweisen können. Aber auch junge Beratungsgesellschaften mit erst kurzer Marktpräsenz sollen hier nicht stigmatisiert werden. Oft sind sie Ausgründungen aus anderen "alten" Beratungen (so genannte "Spinoffs") mit Gründern, die hochqualifiziert sind und zuvor die Leistungsträger in großen Beratungen waren. Wählt man als Mittelständler also einen Anbieter aus diesem Bereich, sollte man sich die Vitae des Unternehmenskopfes anschauen oder sogar nachprüfen. Vorteilhaft ist die Wahl einer eher kleineren Beratung, besonders unter dem Aspekt, dass sie aufgrund ihrer Größe einen geringeren Kostenapparat und somit oft auch verträglichere Honorare hat. Wenn eine kleine Beratung gut ist, hat sie oft ein Kapazitätsproblem und ist nicht immer sofort verfügbar und einsatzfähig. Es tröstet dann die Gewissheit, dass man auch als Mittelständler mit seinem Auftrag hier zum Mittelpunkt des Interesses und der Einsatzfreude wird.

Apropos Honorare: Der Berufsverband BDU ermittelt sie regelmäßig unter seinen Mitgliedern und gibt sie in Spannen je nach Größe und Reputation der Beratungen an. Es muss berücksichtigt werden, dass sich auch diese Preise marktwirtschaftlich aus Nachfrage und Angebot gebildet haben. Und wie am Anfang bereits gesagt: Die Branche boomt und kann sich über Nachfrage nicht beklagen.

Schwarze Schafe der Branche

Damit man als Auftraggeber nach den Informationen und Tipps aber ganz bestimmt den richtigen Berater findet, soll an dieser Stelle auch noch die wirkliche Schattenseite der Branche beleuchtet werden: die schwarzen Schafe. Es gibt in Deutschland einige Netzwerke von organisierten "Beratern", die wie Strukturvertriebe organisiert sind und besonders im Mittelstand versuchen, ihre dubiosen Leistungen anzubieten.

Das fast typische Vorgehen ist, dass ein rhetorisch und psychologischer geschulter Mensch plötzlich und unaufgefordert im Betrieb eines Unternehmers auftaucht und ihn mit Hinweisen auf seinen Betriebszu- stand, die schlechte Konjunktur oder den starken Wettbewerb zur zwingenden Not- wendigkeit von Veränderungen und Beratung überredet.

Dieser Mensch macht die Beratung aber nicht selbst, sondern vermittelt den Auftrag an so genannte Spezialisten in einer Argumentationsweise gegenüber dem angesprochene Unternehmer weiter, als wenn es eine große Gunst und ein Glück wäre, gerade von diesen oder diesem Spezialisten beraten werden zu können. Über die anstehende Beratung werden Verträge über eine zumeist günstig kalkulierte Kurzanalyse mit davon abhängigen Beratungs-Folgetagen gemacht. Wenn man diese Verträge unterschreibt, stellen sie sich leider oft auch als gerichtsfest heraus, wenn man nach enttäuschendem Verlauf der oft viel zu langen und fast inhaltlosen Beratung später reklamieren will. Denn der ins Haus kommende "Berater" macht nichts anderes, als lange Gespräche zu führen und schriftliche Empfehlungen oder Gutachten zu schreiben, die aus betriebswirtschaftlichen Fachbüchern abgeschrieben zu sein scheinen und im Umfang beeindrucken - aber meist den Auftraggeber ohne konkrete oder nur mit vagen Empfehlungen in seiner Problemsituation belassen.

Wenn man sich das Phasenmodell des BDU bei der Auswahl von Unternehmensberatungen vor Augen hält, dürften solche Betrüger allerdings keine Chancen mehr im Mittelstand haben.

Ein Fazit zum Schluss: Der Mittelstand braucht Berater, und die Berater brauchen den Mittelstand. Deshalb: Haben sie keine Kontaktängste: Berater sind auch nur Menschen - allerdings zu 99 Prozent sehr seriöse und sehr kenntnisreiche.

Wilfried Domke war von 1994 bis 1998 Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater und ist Inhaber der Domke Dialog Unternehmensbe-ratung in Düsseldorf.

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