Unternehmensporträt ART-Voice Gruppe

14.01.1999

MÜNCHEN: Er hat sich organisiertes Chaos und ungebrochenen Pioniergeist auf die Fahne geschrieben: Mit seiner Münchner "Art-Voice-Gruppe" würde Ingo D. Wolf am liebsten in allen Multimedia-Bereichen mitmischen und zugleich die Welt der Datenwiedergabe revolutionieren.Der ehemalige Physikstudent Ingo D. Wolf hat's nicht unbedingt mit gängigem Geschäftsgebahren: Er ist die Begeisterung in persona, spricht am laufenden Band, kichert, sprudelt über vor Ideen und riskiert gern mal eine freche Lippe. Erfrischend unverblümt plaudert er über seine vor acht Jahren gegründete Personengesellschaft, als wäre das ein Freizeit-Club von Gleichgesinnten, die nachts an lustigen Programmen tüfteln. Nach dem Motto: Erfolgreich ist, was Spaß bringt.

Insgesamt 110 Fachkräfte arbeiten für "Art-Voice" mit Hauptsitz in Pullach bei München und den Niederlassungen in Garmisch-Partenkirchen, Essen, Hamburg und Salzburg. Alle freiberuflich und projektbezogen, "nach dem amerikanischen System", wie Wolf meint. Davon allein zehn bis 15 in der Softwareentwicklung.

Diese bildet neben Musikproduktion und einer Event-Agentur das Herzstück der Firma. Wolf rühmt sich einer engen Zusammenarbeit mit Siemens und Sony und auch die Kundenliste verzeichnet namhafte Unternehmen wie Audi, BMW, Ferrari, Compaq, Intel, Lotus und die ARD. Gute Kontakte hat Art-Voice auch zu Computer 2000, Macrotron und Microsoft, allerdings eher als Veranstalter von größeren Events.

Denn die Wurzeln des Betriebes liegen in der Musikbranche: Der Mann hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Er produzierte vor acht Jahren die CD seiner Freizeit-Band "Chantily Lace" selbst, unterstützte diesbezüglich noch einige Freunde und blieb in der Branche. Heute hat er knapp 300 Bands aus 40 verschiedenen Musikrichtungen unter Vertrag.

Vom Freizeitmusiker zum Produzenten

Neben der CD-Produktion gehören die Vermarktung über eigene Labels, Digitalschnitt, Mastering, Grafik und Großflächenplot zu diesem Ressort. Aus der Betreuung der Bands wuchs dann die Party- und Event-Agentur, die nicht nur die eigenen Künstler vermittelt, sondern auch Tanzshows, Workshops, komplette Firmenfeiern und Hochzeiten organisiert und auch Licht- und Beschallungstechnik vermietet. Art-Voice verfügt über ein Riesen-Equipment: vom PC bis zum Kamerakran ist alles im Haus. Daß er nicht alles mieten muß, schlage sich bei seinen Produktionen im Preis nieder, betont der Tausendsassa, die Kunden freut's. Wolf weniger: "Wir machen bisher keinen Gewinn. Wir haben jede Mark wieder investiert. Aber die Umsatzzahlen sind dafür deutlich siebenstellig", umreißt er vage.

Die Bereiche Programmierung und Softwareentwicklung will der Firmeninhaber künftig neben der Film und CD-Produktion weiter ausbauen. Von einigen Produkten, die aus seiner bunten Schmiede kommen, verspricht er sich revolutionäre Erfolge: Da wären beispielsweise der Corporate-Internet-Designer (CID) (ComputerPartner, Nr.32/S.92), eine Software zur automatisierten Erstellung von Web-Sites. Erste Erfolge feierte Art-Voice diesbezüglich mit Präsentations CDs für Intel und Lotus. "An der Intel-CD haben zwei Leute gerade mal drei Tage gesessen", freut sich Wolf.

Ein weiteres Projekt ist das plattformunabhängige Internet-Communcation-System (ICS), mit dem nach Angaben von Wolf zum Ortstarif mit mehreren Gesprächspartnern gleichzeitig telefoniert werden.

Bereits im Frühjahr soll die Multi-Media-Card fertig sein. Dabei handelt es sich um eine wiederbeschreibbare Speicherkarte in der Größe einer Briefmarke mit einer derzeitigen Kapazität von acht Megabyte. Das wir ein Renner, davon ist der Münchner überzeugt. Siemens fertigt die ROS-Karten (Record on Silicon), plant laut Aussage von Wolf sogar, sie künftig in seine Handys einzusetzen.

Den Durchbruch soll die ROS in ihrer Rom-Version bringen: Sie spielt Musik ab und soll in sechs bis sieben Jahren die CD und die Mini-Disk verdrängen. Die Multimedia-Karte kann zwei Stunden Musik speichern, bis 2006 werden es 20 bis 30 Stunden sein, sagen Siemens und Wolf.

"Das wird ein Meilenstein werden". Wolf schwört, das Ding sei unzerstörbar und schreckt auch vor einer entsprechenden Demonstration nicht zurück: man kann das Teil an gewissen Stellen also auch lochen. Das erste Abspielgerät für diese Karten kommt von der bayerischen Firma Pontis und nennt sich "Mplayer3".

Ein Meilenstein der Datenwiedergabe

In puncto Vermarktung hat der Chef seine eigenen Vorstellungen. Über Plattenläden werde die Karte nicht verkauft: "Die großen Plattenfirmen warten doch wieder ab, bis das Ding etabliert ist", glaubt er, "die werden wahrscheinlich erst in ein zwei Jahren vorsichtig auf uns zukommen". Er spekuliert auf den IT-Händler:

"Ein neues Medium wird doch immer gerne verkauft." Wolf hätte aber auch keine Bedenken, die Produkte über Tchibo oder Aldi zu verkaufen: "Wir wollen das Produkt schließlich bekannt machen. Verkaufen darf jeder, der mit einer witzigen Marketing-Idee auf mich zukommt." Wolf ist überzeugt, daß seine Idee die CD in acht Jahren verdrängt hat. Allein in diesem Jahr hofft er 50.000 Lizenzen verkaufen zu können.

Sein erster Startversuch in der Branche war allerdings weniger erfolgreich: "Ich hatte die ersten 100.000 Mark verdient und dachte die Welt gehört mir". Das war vor sieben Jahren. Da besann er sich auf sein Studium und tüftelte in einer Kellerfirma mit Freunden an einem Computer, dem Hexacom, 486 TD 33 mit 4-fach CD-Rom. Der sollte für 28.000 Mark an den Kunden gebracht werden. Das Gerät begeisterte zwar die Fachpresse, doch der Kleinstfirma fehlten die nötigen Vertriebs- und Produktionsstrukturen, meint Wolf. Das Projekt verlief im Sande, das Geld war futsch. "Wenigstens hab ich noch einen der zwei Rechner, die wir damals gebaut haben".

Nach diesem Dämpfer traute sich Wolf nur noch ganz vorsichtig an die Branche heran. "Aber ich hab zumindest gemerkt, daß mir dieser Bereich wahnsinnig viel Spaß macht". Der Wiedereinstieg begann mit einer simplen Marktlücke: Die Optimierung der Farbgestaltung bei CD und Cover. Für das Cover wird Offset- für die CD Siebdruck verwendet. Die Farben zu optimieren brachte ihm einige Erfolge ein. Danach wagte sich die Crew auch an die Umsetzung größerer Projekte.

Wenn Wolf und seine Mitarbeiter nicht an neuen Revolutionen tüfteln, engagieren sie sich sozial: Sie kooperieren mit der Karl-Böhm-Stiftung zur Förderung hochbegabter junger Musiker/innen. Darüber hinaus ist die ArtVoice Gruppe Mitglied im Bundesverband der Phonografischen Wirtschaft und der IFPI (International Federation of the Phonographik Industry), dem weltweiten Dachverband der Tonträgerhersteller. Helfen will Art-Voice auch in der GEMA-Kommission, die sich mit der Festlegung der Lizenzgebühren neuer Medien befaßt.

Das aktuellste Projekt ist eine Software, die die Welt der Physik "anschaulich aber nicht banal" erklären soll. Diese Idee entstand bei einem Treffen mit anderen Physikern, bei denen Wolf regelmäßig alle vorhandenen Theorien in Frage stellt. Durch das Programm, das noch in diesem Jahr fertig gestellt und vom Schulkind bis zum Professor für alle geeignet sein soll, führt das Markenzeichen der Art-Voice Gruppe: Eine kleine freche Maus. (mf)

Spaßfaktor als Motivation: Inhaber Ingo D. Wolf.

Vom Event bis zur Programmierung: Art-Voice macht einfach alles, wenn es um Unterhaltung geht.

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