UPDATE: Bertelsmann schreibt ersten Nettoverlust seit 175 Jahren

23.03.2010
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Von Matthias Karpstein

DOW JONES NEWSWIRES

BERLIN (Dow Jones)--Europas größter Medienkonzern hat trotz seines straffen Sparkurses 2009 erstmals in seiner 175-jährigen Unternehmensgeschichte einen Nettoverlust erlitten. Nach Steuern und Dritten verbuchte die Gütersloher Bertelsmann AG 2009 einen Verlust von 82 Mio EUR nach einem Nettogewinn von 142 Mio EUR im Vorjahr, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Finanzvorstand Thomas Rabe erklärte in Berlin, ihm sei kein weiterer Nettoverlust in der Geschichte des Unternehmens bekannt. Beim Konzernergebnis vor Minderheiten fuhren die Gütersloher noch 35 Mio EUR Gewinn ein, im Vorjahr lag das Konzernergebnis bei 270 Mio EUR.

Für 2010 erwartet das Unternehmen Umsatz und operatives Ergebnis auf dem Niveau des Vorjahres, das Konzernergebnis soll aber deutlich gesteigert werden. Mit 400 Mio bis 500 Mio EUR rechnet Finanzvorstand Thomas Rabe. "Wir werden aber wahrscheinlich eher am unteren Ende der Spanne liegen", sagte er am Dienstag in Berlin. Größere Akquisitionen plane das Unternehmen im laufenden Jahr nicht. Sollte der angeschlagene britische Musikkonzern EMI allerdings zum Verkauf stehen, würde man sich diesen ansehen. Der Fokus liege im laufenden Jahr aber auf dem Cashflow und der weiteren Rückführung der Schulden.

Seit 2006 rückt Bertelsmann den Cashflow verstärkt in den Fokus. "Für ein nicht an der Börse notiertes Unternehmen ist die Innenfinanzierung sehr wichtig", sagte Finanzvorstand Rabe. Er will auch das Verhältnis der wirtschaftlichen Finanzschulden zum operativen Ergebnis (Leverage-Faktor) verbessern, das Ende 2009 bei 3,15 lag. "Per Ende Februar lagen wir aber schon unter 3", sagte der Finanzvorstand.

Die Verbesserung des Leverage-Faktors ist für Bertelsmann wichtig, um bessere Bewertungen bei den Ratingagenturen zu erhalten. Standard & Poor's und Moody's hatten Bertelsmann im vergangenen Jahr herabgestuft. Rabe will nun wieder bessere Bewertungen erreichen, wofür ein Leverage-Faktor von 2,5 nötig sei. Die Gesamtschulden hat Bertelsmann 2009 auf 6,02 (6,63) Mrd EUR reduziert. In der Werbekrise hatte Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender Hartmut Ostrowski den Rotstift angesetzt und im abgelaufenen Jahr nahezu 1 Mrd EUR eingespart. Dadurch entstanden Restrukturierungskosten von 195 Mio EUR. Insgesamt wurde das Ergebnis 2009 durch Sondereinflüsse von 730 (Vj 676) Mio EUR belastet.

So fielen bei der RTL Group Wertberichtigungen von 255 Mio EUR an, beim Dienstleister Arvato beliefen sie sich auf 153 Mio EUR. Beim Verlagshaus Gruner + Jahr entstanden Restrukturierungskosten von 67 Mio EUR. Für 2010 rechnet Finanzvorstand Thomas Rabe mit deutlich geringeren Sondereinflüssen. Mit dem Sparkurs konnte Bertelsmann dem Umsatzrückgang 2009 entgegensteuern. Und so entspricht das Sparvolumen auch nahezu dem Umsatzschwund. 15,36 Mrd EUR nahmen die Gütersloher im vergangenen Jahr ein, 16,25 Mrd EUR waren es ein Jahr zuvor.

Am Verlagshaus Gruner + Jahr hält Bertelsmann weiter fest. "Wir werden Gruner + Jahr behalten", sagte Ostrowski. Er trat damit anhaltenden Spekulationen entgegen, Bertelsmann könne seinen Anteil von 74,9% an Gruner + Jahr ganz oder in Teilen verkaufen. Im abgelaufenen Jahr gehörte Gruner + Jahr allerdings zu jenen Geschäftsbereichen, die den Konzern in die Verlustzone brachten. 18 Mio EUR betrug der Fehlbetrag, wie Gruner + Jahr-Vorstandsvorsitzender Bernd Buchholz erklärte. Er ist jedoch überzeugt, dass die Sonderbelastungen im laufenden Jahr geringer als 2009 ausfallen werden und das traditionsreiche Verlagshaus damit 2010 wieder in die Gewinnzone zurückkehren kann.

Dem fortgeführten Schuldenabbau sollen 2010 aber nicht erneut Arbeitsplätze geopfert werden. Ostrowski erwartet daher für das laufende Jahr eine stabile Mitarbeiterzahl. Ende 2009 hatte Europas größter Medienkonzern noch 102.983 (107.154) Mitarbeiter. In attraktiven Wachstumsregionen will Ostrowski die Präsenz erhöhen. "Hier denken wir in erster Linie an China und Indien", erklärte er. Bertelsmann müsse neue Geschäftsfelder erschließen. Hoffnung setzen die Gütersloher dabei in Geräte wie Apples iPad, die digitale Zeitschriften und Bücher wiedergeben. "Die digitalen Alleskönner sind endgültig im Massenmarkt angekommen", sagte Ostrowski.

Webseite: www.bertelsmann.com -Von Matthias Karpstein, Dow Jones Newswires, +49 89 55214030, matthias.karpstein@dowjones.com DJG/mak/cbr Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de

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