UPDATE: Blick auf HV verdrängt schwache freenet-Zahlen

07.08.2008
(NEU: Details, Hintergrund, Analystenstimmen, Aktienkurs) Von Nico Schmidt DOW JONES NEWSWIRES

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HAMBURG (Dow Jones)--Die freenet AG hat im zweiten Quartal wegen eines Einnahmeneinbruchs im Schmalbandsegment deutlichere Umsatz- und Gewinneinbußen erlitten als erwartet. Die von dem Hamburger Telekomkonzern am Donnerstag vor Börseneröffnung vorgelegten Zahlen sorgten unter Analysten deshalb für Enttäuschung. Den Aktienmarkt bewegte das Quartalsergebnis jedoch kaum: Bis gegen 12.20 Uhr gewinnt die freenet-Aktie im TecDAX sogar 1,2% auf 11,22 EUR.

Heike Pauls, Analystin bei der Commerzbank, sieht mehrere Gründe für die nahezu ausbleibende Reaktion des Aktienmarktes. Erstens seien bereits am Dienstag sehr schwache Zweimonatszahlen von freenet bekannt geworden, so dass der Markt das "Worst-Case-Szenario" antizipiert habe, so die Branchenkennerin. Am Dienstag war aus dem Wertpapierprospekt zur jüngsten Kapitalerhöhung bekannt geworden, dass freenet in den Monaten April und Mai einen Vorsteuergewinn von lediglich 1,9 Mio EUR erwirtschaftet hatte, nachdem im Jahr zuvor noch 39,5 Mio EUR Gewinn ausgewiesen worden waren.

Zudem führt Commerzbank-Analystin Pauls die nur schwache Marktreaktion darauf zurück, dass momentan vielmehr die freenet-Hauptversammlung im Fokus des Anlegerinteresses stehe als die Quartalszahlen. Auch die "sowieso sehr schlechten Erwartungen" hätten eine große Kursreaktion verhindert, so Pauls.

Nach Angaben von freenet wurde die Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr nicht nur durch den Einnahmeneinbruch im Schmalbandsegment um 49,3% auf 44,4 Mio EUR belastet, sondern auch durch die "weiterhin schwierigen allgemeinen Rahmenbedingungen". So hätten der anhaltende Preisverfall auf dem Mobilfunkmarkt und die scharfe Wettbewerbssituation im Breitbandsegment auf der operativen Entwicklung gelastet.

Auch "unternehmensspezifische Entwicklungen" - wie etwa der aufwendige Erwerb des Wettbewerbers Debitel sowie die Vorbereitungen eines möglichen Verkaufs der Breitbandsparte - seien Belastungsfaktoren gewesen, hieß es von freenet.

Der im TecDAX notierte Telekommunikationskonzern wies am Morgen für den Zeitraum zwischen April und Juni einen Umsatzrückgang auf 435,0 (Vorjahr: 466,9) Mio EUR aus. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) verdiente freenet 53,7 (70,5) Mio EUR, das Konzernergebnis sank auf 10,2 (39,9) Mio EUR. Das deutlich gesunkene EBIT von 9,2 (45,9) Mio EUR im Vergleich zum Vorjahresquartal ist laut freenet im Wesentlichen eine Folge "deutlich erhöhter Abschreibungen auf aktivierte Kundenakquisitionskosten". Auch im ersten Halbjahr musste freenet damit teilweise deutliche Einbußen bei allen wichtigen Finanzkennziffern hinnehmen.

Damit schnitt freenet schwächer ab als erwartet: Acht von Dow Jones Newswires befragte Analysten hatten für das zweite Quartal im Mittel mit einem EBITDA-Rückgang um etwa ein Fünftel auf 56,5 Mio EUR, einem um rund 5% niedrigeren Umsatz von 443,9 Mio EUR sowie einem Konzernergebnis von 13,2 Mio EUR gerechnet.

Für den schrumpfenden Umsatz war vor allem ein "technologisch bedingter" Einnahmeneinbruch im Schmalbandsegment verantwortlich. Wegen der abnehmenden Bedeutung der klassischen Festnetztelefonie sowie des Schmalbandzugangs in das Internet, halbierten sich die Erlöse von freenet in diesem Segment.

Im Mobilfunksegment - das spätestens mit der Debitel-Übernahme zum Kerngeschäftsfeld von freenet geworden war - stieg die Kundenzahl im zweiten Quartal um gut 14% auf knapp 6 Millionen Kunden. Damit sei der Wachstumskurs beschleunigt worden, hieß es. Allerdings gelang es dem Unternehmen lediglich im Vergleich zum Vorquartal, aus der gestiegenen Kundenzahl Umsätze zu generieren. Denn die Einnahmen im Mobilfunksegment gingen im zweiten Quartal im Vergleich zu den Monaten April bis Juni 2007 auf 283,3 (303,1) Mio EUR zurück.

Der für Telekomunternehmen als wichtiger Maßstab für die Profitabilität geltende durchschnittliche Erlös pro Nutzer ("Average Revenue per User"/ ARPU) sei aufgrund der tendenziell schwachen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bereits in den vergangenen Monaten gesunken, teilte freenet mit. Da sich Kunden vor diesem Hintergrund "zunehmend etwas kürzer am Handy fassen", sei hier für die Zukunft ein weiteres Absinken zu erwarten.

LBBW-Analyst Andreas Heinold zeigte sich von der Entwicklung im Mobilfunksegment trotzdem positiv überrascht und sagte, dass Mobilfunkgeschäft habe sich besser entwickelt als erwartet. Die HSBC-Strategen sehen aber auch in diesem Geschäftsbereich einen Wermutstropfen: Da viele der Neukunden sogenannte "Prepaid"-Verträge unterzeichnet hätten, sei der Aufwärtstrend eher quantitativer als qualitativer Natur.

Das Breitbandsegment stellte freenet im ersten Halbjahr nach eigenen Angaben vor "beträchtliche Herausforderungen". Diese hinterließen auch in der Bilanz ihre Spuren: Die Zahl der Kunden sank zum Halbjahresende erneut - und zwar um 80.000 auf nun insgesamt 1,1 Millionen. Ende Juni 2007 hatte freenet in diesem Segment noch 1,22 Millionen Kunden unter Vertrag.

Commerzbank-Analystin Heike Pauls hält die Schwäche in diesem Segment nicht für besonders schlimm, da der Bereich sowieso nicht weiter geführt wird. Die schwache Entwicklung könnte allerdings beim Verkauf der Breitbandsparte den möglichen Verkaufspreis drücken, so die Analystin. freenet hatte bereits Anfang des Jahres angekündigt, einen Verkauf des Geschäftsbereiches in Erwägung zu ziehen.

Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung waren Analysten einhellig der Meinung, dass Anleger weniger auf die freenet-Zahlen schauen werden als auf Hinweise zur künftigen strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Vor allem steht aktuell die Hauptversammlung im Fokus, die am Freitag in Hamburg stattfinden wird.

freenet-Vorstandsvorsitzender Eckhard Spoerr erwartet auf dem Aktionärstreffen einen "Showdown" mit den Großaktionären United Internet und Drillisch. Gemeinsam halten United Internet und Drillisch über die MSP Holding rund 26% an freenet.

Die Voraussetzungen für einen Machtkampf hat das Registergericht Kiel in der vergangenen Woche geschaffen: Dort konnte sich die MSP Holding mit ihrem Antrag durchsetzen, die Tagesordnung für die Hauptversammlung um mehrere Punkte zu ergänzen. So gibt der Richterspruch der MSP Holding die Möglichkeit, die freenet-Aktionäre über den Entzug des Vertrauens gegenüber dem amtierenden freenet-Vorstand sowie über die Abwahl der Aufsichtsratsmitglieder abstimmen zu lassen.

Hintergrund des Streits ist die Übernahme von Debitel durch freenet, die quasi als Giftpille für die Ziele der freenet-Hauptaktionäre wirkt. United Internet und Drillisch hatten sich selbst vergeblich um eine freenet-Übernahme bemüht. Ende April verständigte sich die freenet-Führung gegen den Widerstand ihrer Hauptanteilseigner mit Debitel auf die Übernahme.

Webseite: http://freenet.de -Von Nico Schmidt; Dow Jones Newswires; +49 (0)69 - 29725 111, nico.schmidt@dowjones.com DJG/ncs/roa

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