UPDATE: Siemens sieht sich bei SEN-Verkauf nicht unter Druck

07.06.2008
(NEU: Weitere Aussagen CFO, Hintergrund) Von Nico Schmidt DOW JONES NEWSWIRES

(NEU: Weitere Aussagen CFO, Hintergrund) Von Nico Schmidt DOW JONES NEWSWIRES

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Siemens AG, München, sieht sich bei dem möglichen Verkauf der verbliebenen Geschäftsbereiche aus der ehemaligen Kommunikationssparte SEN und SHC nicht unter Druck. Die Verhandlungen um SEN befänden sich aber in einem "fortgeschrittenen Stadium", sagte Joe Kaeser, der Finanzvorstand des DAX-Konzerns, am Samstag am Rande einer Konferenz an der "Frankfurt School of Finance and Management". Mit dem Verlauf des operativen Geschäfts im dritten Quartal zeigte sich Kaeser mit Blick auf die Umsatzentwicklung "ganz zufrieden".

Die "Nachfrage" nach der Tochtergesellschaft Siemens Enterprise Communications (SEN) habe sich zuletzt "ordentlich entwickelt". Dabei sei der Wettbewerb um SEN stärker geworden, nachdem Siemens die Restrukturierung des Geschäfts in die Hand genommen habe. Mit Blick auf die Restrukturierungsmaßnahmen sagte Kaeser, dass diese nötig geworden sei, da ohne eine konsequente Neugestaltung des Geschäftsbereiches eine "werthaltige Transaktion" unmöglich gewesen sei. Allerdings sei es - trotz der schnell voranschreitenden Restrukturierung - um die Werthaltigkeit von SEN bislang noch nicht unbedingt besser bestellt.

Siemens will die Tochter SEN, die Telekommunikationslösungen für Firmenkunden anbietet, schon länger loswerden. Damit das Geschäft anders als bei BenQ Mobile langfristig gesichert wird, hat der Konzern die Sanierung noch in Eigenregie eingeleitet. So wurde im Februar der Abbau von weltweit bis zu 6.800 der zuletzt noch 17.500 Arbeitsplätze angekündigt.

Ende April hatte Siemens mitgeteilt, im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2007/08 Restrukturierungskosten von 109 Mio EUR verbucht zu haben. Zudem sei eine Vermögenswertminderung von 12 Mio EUR vorgenommen worden, hieß es seinerzeit. Namen von potenziellen Kaufinteressenten wollte Kaeser am Samstag "alleine aus verhandlungstaktischen Gründen" nicht nennen. Wie Dow Jones Newswires von mit der Situation vertrauten Personen erfahren hat, sind die Wettbewerber Alcatel-Lucent und Nortel Networks sowie der US-Finanzinvestor Cerberus an SEN interessiert.

Es bestehe aber auch kein Verkaufsdruck, sagte Kaeser. Siemens habe sich bislang viel Zeit gelassen. Das werde sich auch nicht ändern, da der zeitliche Faktor nicht im Vordergrund stehe. Viel wichtiger ist es nach Aussage des Managers, mit der Transaktion die Nachhaltigkeit des Geschäftsbereiches zu sichern.

Die Tochtergesellschaft Siemens Home and Office Communication (SHC) gehöre im Grundsatz" nicht mehr zu den drei Kerngeschäftsbereichen, sagte Kaeser auf die Frage nach einem möglichen Verkauf der Sparte. Die Siemens-Tocher, die unter anderem die Schnurlos-Telefone "Gigasets" herstellt, ist neben SEN das letzte größere Geschäft aus der ehemaligen COM-Sparte des Konzerns.

Es gebe aber auch hier keinen Verkaufsdruck, da SHC eine "sehr starke" und "hochrangig innovative" Marke sei, sagte der Manager. Allerdings wachse das Geschäft in diesem Bereich nicht mehr. Sollte sich ein "verlässlicher und guter Partner finden", stünde Siemens Verhandlungen positiv gegenüber.

Innerhalb der Mobility-Division die zum Industry-Sektor des Unternehmens zählt, sieht Kaeser "ein riesiges strategisches Potenzial". In der Vergangenheit sei die Ertragsentwicklung in diesem Segment aber volatil verlaufen. Deshalb werde es im Rahmen des im April angekündigten Effizienzsteigerungsprogramms "Mobility in Motion" zu "produktivitätssteigernden Maßnahmen" kommen.

Das Ziel sei es, das stark wachsende Geschäftsfeld zu stabilisieren und ertragstärker zu machen. Dabei schloss Kaeser "keine Maßnahmen aus", sagte aber auch, dass es noch zu früh für Spekulationen darüber sei. Zudem sagte der Manager, dass Siemens zunächst mit den zuständigen Vertretern der Arbeitnehmer sprechen werde, bevor notwendige Effizienzsteigerungsmaßnahmen an die Öffentlichkeit getragen würden.

Siemens hatte Ende April mitgeteilt, ein Profitabiliätsprogramm für die zuletzt wiederholt margenschwache Division Mobility gestartet zu haben. Ziel des Programms "Mobility in Motion" sei es, das mittelfristige Zielband von 5% bis 7% zu erreichen. Dazu würden Struktur, Organisation und Portfolio der Division analysiert sowie Maßnahmen zur Kostenverbesserung definiert, erläuterte Siemens. Die Umsetzung von Mobility soll spätestens im Oktober 2008 und damit mit Beginn des neuen Geschäftsjahres 2008/09 starten.

Mit dem Programm zur Kürzung der Vertriebs- und Verwaltungskosten (SG&A) auf Konzernebene sieht sich Siemens im Plan: Es gebe in diesen Bereichen Einsparpotenziale, die schnell zu erschließen seien. Siemens will weiterhin Kosten für externe Berater bis 2010 um rund 300 Mio EUR und die IT-Ausgabe um rund 200 Mio EUR senken. Diese beiden Elemente könnten "relativ kurzfristig" umgesetzt werden, ohne dass dies zwingend Auswirkungen auf die Beschäftigten haben müsse, sagte Kaeser.

Analystenkommentare, denen zufolge die Einsparmaßnahmen mit Kosten von mehr als 1 Mrd EUR einhergehen könnten, bezeichnete Kaeser als "reine Spekulation". Da die Maßnahmen erst angelaufen seien, hält es der Manager noch für zu früh, um konkrete Zahlen zu nennen.

Mit der Umsatzentwicklung im bisherigen Verlauf des dritten Quartals könne Siemens "ganz zufrieden" sein, sagte Kaeser. Besonders der Bereich Automation & Drives (A&D) habe eine positive Umsatz- sowie Ertragsentwicklung verzeichnet und sei auch weiter einer der "wichtigsten Werttreiber".

Kaeser verwies zudem auf die zuletzt positiven Ergebnisse auf der Finanzierungsseite. Die Emission des Eurobonds sei vierfach überzeichnet gewesen. Da der Markt attraktive Konditionen gewährt habe, seien mehr als 3 Mrd EUR statt der im Vorfeld anvisierten 2 Mrd EUR eingenommen worden, so Kaeser.

Mit der Anleihe, die im Rahmen des 5 Mrd EUR schweren Euro-Medium-Term-Notes-Program (EMTN) emittiert wurde, erlöste Siemens insgesamt 3,4 Mrd EUR. Mit dem EMTN kann das Unternehmen beschleunigt Kapital über den Anleihen-Markt aufnehmen. Zuvor hatte der DAX-Konzern 1,1 Mrd EUR über die Begebung eines Schuldscheins eingenommen. Konkrete Angaben zur möglichen Mittelverwendung machte Kaeser nicht. Mit Blick auf die nach seiner Ansicht noch nicht ausgestandenen Folgen der Subprime-Krise, sei weiter mit "instabilen" Zeiten an den Finanzmärkten zu rechnen. Deshalb müsse das Unternehmen so aufgestellt sein, dass Siemens "jederzeit flexibel" sei. "Finanzielle Flexibilität und Stabilität stehen an absolut erster Stelle".

Daher sei gegenwärtig nicht zu erwarten, dass Siemens als "aktiver Käufer auf dem M&A-Markt" agieren werde, bekräftigte Kaeser frühere Aussagen, nach denen derzeit keine größeren Übernahmen bei Siemens anstehen.

- Von Nico Schmidt, Dow Jones Newswires, +49 - (0)69 297 25 100; nico.schmidt@dowjones.com DJG/ncs/abe

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