UPDATE: Siemens steigt in Vergleichsgespräche mit SEC ein

24.01.2008
(NEU: Details, Hintergründe) Von Alexander Becker DOW JONES NEWSWIRES

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MÜNCHEN (Dow Jones)--Die Siemens AG ist bei der Aufarbeitung ihrer Korruptionsaffären einen wichtigen Schritt vorangekommen. So will das Unternehmen in Kürze Gespräche mit dem US-Justizministerium und der amerikanischen Börsenaufsicht SEC über einen Vergleich beginnen. Das kündigte der Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme auf der Hauptversammlung des DAX-Konzerns am Donnerstag laut Redetext an. In der vierteljährlichen Aktualisierung der so genannten "Legal Proceedings" fanden sich im Vergleich zu den Vorquartalen kaum Neuigkeiten.

"Die Siemens AG hat mit dem Geschäftsjahr 2007 eines wohl der schwierigsten Jahre überhaupt hinter sich", sagte Cromme den Aktionären. "Korruptionsvorwürfe, nachgewiesene Fälle von Fehlverhalten, so genannte schwarze Kassen in - das ist offensichtlich - mehr als nur Einzelfällen".

Siemens sieht sich derzeit nach wie vor mit Untersuchungen in mehreren Ländern wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen von Siemens-Mitarbeitern konfrontiert. So untersuchen derzeit unter anderem das US-Justizministerium und die US-Börsenaufsicht SEC die Vorgänge bei Siemens.

Eine Strafe der SEC würde voraussichtlich die größten finanziellen Folgen für den Siemens-Konzern haben. Cromme berichtete den Aktionären nun, dass er gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Peter Löscher den US-Behörden bei einem ersten Treffen Mitte Dezember die verschiedenen Maßnahmen aufgezeigt habe, die das Unternehmen inzwischen ergriffen hat. Laut Cromme sehen die US-Behörden Siemens damit auf "dem richtigen Weg".

SEC und US-Justizministerium haben demnach inzwischen ihr Einverständnis gegeben, in Kürze Gespräche zu beginnen mit dem Ziel, eines "umfassenden und fairen" Vergleichs. Die Gespräche könnten schon im Februar beginnen, so Cromme. Wann ein Vergleich geschlossen werden könne, "wissen wir nicht". Die Unterredungen mit SEC und US-Justizministerium würden aber "sicherlich mehrere Monate" andauern. "Jeder Beteiligte weiß, dass dies ein einzigartiger Präzedenzfall ist, so dass die Gespräche sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen werden", so Cromme.

Eine mögliche Strafe der SEC sorgt seit Monaten für Unsicherheit vor allem bei den Angestellten von Siemens. In den Medien war über mögliche Strafen von bis zu 4 Mrd EUR spekuliert worden. Cromme äußerte sich vor den Aktionären nicht zu möglichen Strafen.

Analysten und Investoren räumen dieser Angelegenheit nach wie vor offenbar nicht die höchste Priorität ein. Wichtiger als die Höhe der bevorstehenden Strafe der US-Börsenaufsicht SEC im Zuge der Schmiergeldaffäre sei für Siemens der Fortgang des laufenden Geschäfts, hatte UniCredit-Analyst Roland Pitz angesichts neuer Spekulationen in den Medien kürzlich gesagt. Pitz taxiert die Strafe auf ungefähr 2,5 Mrd bis 3 Mrd EUR, was den Gewinn je Aktie mit etwa 2,50 EUR belasten würde.

Vorstandsvorsitzender Löscher verwies in seiner Rede vor den Aktionären darauf, dass es bei den Compliance-Verstößen nicht nur Einzelpersonen waren, die gegen Gesetze verstoßen haben. "Die Folgen ihres Verhaltens haben unser Unternehmen in die schwerste Krise der vergangenen Jahrzehnte gebracht, und wir werden noch Jahre brauchen, bis wir diese Krise endgültig überwunden haben".

Die Siemens-Familie äußerte sich als größter Einzelaktionär des Konzerns in einer Erklärung "betroffen", traurig" und "schockiert" über das Fehlverhalten im Unternehmen. "Die Nachkommen des Firmengründers stehen selbstverständlich aber auch in dieser schwierigen Phase zu dem Unternehmen", heißt es in der Erklärung. Die Siemens-Familie ist mit rund 6% an dem Konzern beteiligt.

Der Vorstandsvorsitzende Löscher verwies auf den "immateriellen Schaden", der viel schwerer als der materielle Schaden zu messen sei. Bislang belaufen sich die Compliance-Kosten für Siemens auf rund 1,1 Mrd EUR zuzüglich rund 520 Mio EUR steuerliche Verpflichtungen. Im ersten Quartal fielen compliancebezogene Kosten von 127 Mio EUR an.

In den aktuellen "Legal Proceedings" verweist das Unternehmen auf eine Sammelklage in Israel, für die ein Antrag im Zusammenhang mit der EU-Kartellstrafe bei gasisolierten Hochspannungsanlagen eingereicht wurde. Die Sammelklage verlangt 575 Mio EUR Schadenersatz für israelische Strombezieher wegen in Folge der Absprachen zu hoher Strompreise.

Webseite: http://www.siemens.com - Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +49 (0)89 5521 40 30 industry.de@dowjones.com DJG/abe/jhe

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