UPDATE: ThyssenKrupp blickt noch pessimistischer aufs Jahr

12.05.2009

(NEU: Details, Analyst, Aktienkurs)

Von Martin Rapp

DOW JONES NEWSWIRES

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Wirtschaftskrise und der weltweite Einbruch der Stahlnachfrage setzt der ThyssenKrupp AG stärker zu als erwartet. Der Stahlkonzern blickt nun noch pessimistischer auf sein bis 30. September laufendes Geschäftsjahr 2008/09 und stellt für den Zeitraum ein negatives bereinigtes Vorsteuerergebnis im mittleren bis höheren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich in Aussicht. Börsianer reagierten verschreckt auf die Ankündigung: Nach Veröffentlichung der Zahlen am Dienstagnachmittag brach die Aktie ein und verabschiedete sich mit einem Minus von 6,4% bei 16,30 EUR aus dem Xetra-Handel.

Zuletzt hatte ThyssenKrupp am 19. März einen Verlust im zweiten Quartal 2008/09 auf operativer Ebene angekündigt und schwarze Zahlen auf operativer Ebene und vor Sonderposten im Geschäftsjahr 2008/09 unter der Annahme einer konjunkturellen Erholung im Gesamtjahr als möglich bezeichnet.

Ursprünglich wollte ThyssenKrupp die Zahlen für das zweite Quartal 2008/09 und das erste Halbjahr 2008/09 erst am Mittwoch präsentieren.

Von Januar bis März gingen die Erlöse um 25% auf 9,9 Mrd EUR zurück. Der Auftragseingang schrumpfte um 46% auf 7,6 Mrd. Von dem Rückgang waren nach Unternehmensangaben bis auf den Bereich "Technologies" alle Bereiche betroffen Von Dow Jones Newswires befragte Analysten hatten mit Erlösen von 9,7 Mrd EUR und Neuaufträgen von 10,71 Mrd EUR gerechnet.

Vor Steuern verbuchte ThyssenKrupp einen Verlust von 455 Mio EUR, bereinigt um Sonderfaktoren blieb ein Minus von 283 Mio EUR. Die Analysten hatten das Vorsteuerergebnis bei minus 425 Mio EUR und das bereinigte Vorsteuerergebnis bei minus 316 Mio EUR gesehen.

Unter dem Strich ergab sich für das zweite Quartal von ThyssenKrupp ein Verlust von 362 Mio EUR. Im Vorjahr hatte das Unternehmen noch einen Gewinn von 502 Mio EUR ausgewiesen. Die Analysten hatten einen Verlust von 214 Mio EUR im Quartal und von 51 Mio EUR im ersten Halbjahr erwartet, in dem das Unternehmen letztlich einen Fehlbetrag von 199 Mio EUR verbuchte. Das Unternehmen wies auf die "erhebliche Verschlechterung" der konjunkturellen Rahmenbedingungen hin. Der Nachfrageeinbruch auf den Märkten für Stahl, Edelstahl und Werkstoffdienstleistungen sei drastisch gewesen, die Preise hätten stark nachgegeben. Zudem hätten die Rückgänge auf den internationalen Automobilmärkten und im zivilen Schiffbau das Geschäft belastet. Am heftigsten hat es den Edelstahlbereich erwischt. Hier brachen im ersten Halbjahr 57% des Auftragseingangs weg. Der Umsatz fiel um 43% auf 2,2 Mrd EUR. In der Folge wurde der Verlust vor Steuern auf 622 Mio von 7 Mio EUR im Vorjahr ausgeweitet. Dazu haben auch Abschreibungen von 220 Mio EUR auf Rohstoffvorräte und Sachanlagen beigetragen. Auch die Stahlsparte spürte die Wirtschaftskrise deutlich. Hier halbierten sich die Neuaufträge, der Umsatz ging um 22% auf 5,3 Mrd EUR zurück. Vor Steuern stand dennoch ein Gewinn von 307 Mio EUR nach 749 Mio EUR im Vorjahr. Vorräte wurden um 20 Mio EUR nach unten korrigiert. Der Bereich "Technologies" steigerte laut ThyssenKrupp vor allem durch Aufträge im Marineschiffbau den Auftragseingang in den ersten sechs Monaten um 5%. Der Umsatz lag mit 5,6 Mrd EUR nur leicht unter dem Vorjahresniveau, der Vorsteuergewinn mit 59 Mio EUR dagegen deutlicher. Den Abstand zum Vorjahreswert von 365 Mio EUR führte ThyssenKrupp auf Stornierungen und höhere Projektkosten zurück.

Als "erfreulich und im Rahmen der Erwartungen" bezeichnete ThyssenKrupp das Geschäft mit Aufzügen und Rolltreppen. Zwar sank der Auftragseingang leicht um 6%, die Erlöse wuchsen jedoch um 12% auf 2,6 Mrd EUR. Auch das Ergebnis vor Steuern verbesserte sich auf 302 Mio von 209 Mio EUR. In der Dienstleistungssparte gingen der Umsatz um 18% auf 6,6 Mrd EUR und der Auftragseingang um knapp ein Viertel zurück. Der Verlust von 48 Mio EUR bedeutete einen Ergebnisrückgang um 315 Mio EUR, da "massive Ergebniseinbußen im Rohstoff- und Werkstoffgeschäft" nicht aufgefangen werden konnten. Neben der Belastung aus dem operativen Geschäft musste ThyssenKrupp auch um 137 Mio EUR höhere Zinsaufwendungen verkraften. Diese seien auf die erhöhte Finanzverschuldung zurückzuführen, erklärte das Unternehmen. Während zum 31. März 2008 die Nettoverbindlichkeiten bei 1,99 Mrd EUR lagen, stiegen sie binnen eines Jahres auf 3,69 Mrd EUR. Nun will ThyssenKrupp sparen und hat bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Im März kündigte der Konzern einen drastischen Konzernumbau an. Aus bisher fünf Segmenten sollen zwei werden, die wohl - wenn sich die jüngsten Anzeichen bewahrheiten - keine Eigenständigkeit mehr haben sollen. Seit März wird über die Höhe des möglichen Stellenabbaus bei ThyssenKrupp spekuliert.

Im ersten Halbjahr waren in Deutschland 23.000 Mitarbeiter, im Ausland 16.000 Mitarbeiter von Kurzarbeit bei dem Stahlkonzern betroffen. Mit der Vereinbarung von vergangenem Freitag, nach der bis Ende September 2010 in der Stahlsparte bis zu 2.000 Stellen sozialverträglich entfallen sollen, ist ein großes Fragezeichen bereits aufgelöst. Dennoch wird die am Mittwoch anstehende Aufsichtsratssitzung, die dann das endgültige Konzept des Konzernumbaus beschließen soll, gespannt erwartet.

Für die unternehmensrelevanten Märkte ist ThyssenKrupp großteils wenig zuversichtlich gestimmt. Auf dem Weltstahlmarkt zeichne sich zurzeit keine Erholung ab, so der Konzern. Die Nachfrage nach Edelstahl werde sich in naher Zukunft nicht wesentlich erholen. Der Rückgang auf den Automärkten werde sich fortsetzen. Die Zeit des Profitierens von hohen Auftragsbeständen im Maschinenbau sei vorbei, die Produktion werde in den Industrieländern abnehmen.

Das Ergebnis des Geschäftsjahres werde zusätzlich zum prognostizierten Verlust beim bereinigten Vorsteuerergebnis erheblich durch den Restrukturierungsaufwand belastet werden, teilte ThyssenKrupp weiter mit. Weitere wesentliche Belastungen erwartet der Konzern aus den Projektkosten für neue Stahlwerke und aus Abschreibungen. Die Höhe der Belastungen sei momentan nicht zu beziffern.

Nach Ansicht des Analysten Heino Ruland von Ruland Research stellt der prognostizierte Verlust keine Überraschung mehr dar, das Ausmaß sei allerdings deutlich.

Webseite: http://www.thyssenkrupp.com -Von Martin Rapp, Dow Jones Newswires; +49 (0) 69 29725 104; martin.rapp@dowjones.com DJG/mmr/cbr Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de

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