UPDATE: ThyssenKrupp will kein reiner Stahlkonzern werden

22.05.2007
(NEU: Weitere Aussagen von Schulz, Heuskel, Hintergrund)

(NEU: Weitere Aussagen von Schulz, Heuskel, Hintergrund)

Von Andreas Heitker

Dow Jones Newswires

DÜSSELDORF (Dow Jones)--Die ThyssenKrupp AG sieht nach den Worten ihres Vorstandsvorsitzenden Ekkehard Schulz keinen Grund, etwas an ihrer breiten Aufstellung zu ändern und sich noch stärker auf das Stahlgeschäft zu konzentrieren. Vorstand und Aufsichtsrat stünden geschlossen hinter der aktuellen Strategie, sagte Schulz am Montagabend vor Journalisten in Düsseldorf. ThyssenKrupp werde auch in Zukunft ein "fokussiertes Konglomerat" mit den Geschäftsbereichen Stahl, Investitionsgüter und Dienstleistungen bleiben.

Nach Einschätzung von Schulz gibt es zwischen den heutigen Segmenten Steel, Stainless, Technologies, Elevator und Services "Affinitäten und Synergien". Eine noch breitere Aufstellung mit weiteren Geschäftsfeldern strebe ThyssenKrupp nicht an, sagte er. Es gebe aber auch "keine Segment-Garantie für die Ewigkeit". Das Portfolio werde ständig neu auf den Prüfstand gestellt, um es eventuell an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Die heutige Aufstellung von ThyssenKrupp werde für den Konzern aber zum "Wachstumstreiber".

Nach den Worten von Schulz wird es auch im derzeit boomenden Stahlgeschäft irgendwann wieder eine Abschwungphase geben. Keiner wisse genau, wann diese komme. Wenn es aber soweit sei, brauche ThyssenKrupp einen Ausgleich durch seine anderen Segmente. Der DAX-Konzern ist zurzeit nach Menge der zwölftgrößte Rohstahl-Produzent der Welt. Da sich ThyssenKrupp auf qualitativ hochwertige Produkte spezialisiert, kommt der Konzern in der Umsatz-Rangliste der Stahlkonzerne bereits auf Platz vier - hinter Arcelor Mittal, Nippon Steel und JFE Holding.

Nach Einschätzung von Schulz ist der Weltmarktführer in der Stahlbranche, Arcelor Mittal insgesamt breiter aufgestellt als ThyssenKrupp. Die verschiedenen Stahlsorten, die Arcelor Mittal produziere, böten dem Konzern jedoch keinerlei Synergien. Der Konzern sei daher von einer Abschwungphase deutlich stärker betroffen als ThyssenKrupp. Es sei auch nicht zu erkennen, dass Arcelor Mittal Kosten- oder Margenvorteile gegenüber seinem Unternehmen habe, sagte der Vorstandsvorsitzende.

Schulz verwies auf eine Studie der Boston Consulting Group, der zufolge diversifizierte Unternehmen in den Jahren 1996 bis 2005 im Schnitt eine höhere Rendite erzielt haben als die börsennotierten Unternehmen insgesamt. Auch ThyssenKrupp habe seit ihrer Fusion 1999 im Durchschnitt eine Ergebnissteigerung von 12% und ein Umsatzplus im Kerngeschäft von 9% pro Jahr verbucht. "Wir glauben deshalb auch nicht, dass ein Konglomerats-Abschlag für die ThyssenKrupp-Aktie gerechtfertigt ist", sagte Schulz.

Der Senior Vice President von Boston Consulting, Dieter Heuskel, sagte am Montagabend, seine Studie zeige, dass die Unternehmensergebnisse immer volatiler würden, je fokussierter ein Unternehmen sei. Insgesamt gebe es für Anleger aber keinen Grund, eine bestimmte Konzernstruktur zu bevorzugen. Private Equity-Unternehmen seien beispielsweise oft sehr breit aufgestellt, erzielten aber hervorragende Renditen. Auch würden in Europa Konglomerate deutlich kritischer gesehen als in den USA.

Der ThyssenKrupp-Vorstandsvorsitzende Schulz bekräftigte noch einmal die erst vor knapp zwei Wochen angehobenen Umsatz- und Ergebnisziele des Konzerns. Er verwies darauf, dass diese Ziele "nicht nur seriös, sondern sogar vorsichtig" geplant seien. ThyssenKrupp hatte eine Umsatzsteigerung auf langfristig 65 Mrd EUR und einen Anstieg des Vorsteuergewinns auf dann 4,5 Mrd bis 5,0 Mrd EUR in Aussicht gestellt.

Bis 2012 will ThyssenKrupp 17 Mrd bis 20 Mrd EUR investieren. Im Fokus der geplanten Stahl-Expansion stehen das neue Stahlwerk in Brasilien und der Stahlkomplex in den USA. Investitionen in den chinesischen Stahlmarkt wird es dagegen nicht geben, wie Schulz jetzt betonte. ThyssenKrupp werde kein Joint Venture mit einem chinesischen Staatskonzern eingehen. Es gebe zu große Unsicherheiten. Im Land müsse es erst einmal eine Konsolidierung im Stahlsektor geben.

Auch eine Akquisition von Erzminen zur Sicherung des für die Stahlproduktion notwendigen Rohstoffs schloss Schulz aus. Er erwarte in den kommenden Jahren eine Entspannung auf dem zuletzt überhitzten Erzmarkt, sagte er. Derzeit würden weltweit zusätzliche Kapazitäten aufgebaut. Die anstehenden Investitionen in der Branche wolle ThyssenKrupp den Bergbau-Unternehmen überlassen. Auch bei der Beschaffung anderer Rohstoffe wie Kohle und Koks sehe ThyssenKrupp für die kommenden Jahre keine Probleme.

Neben dem Stahlgeschäft sollen sich in den kommenden Jahren aber auch die anderen Segmente weiter entwickeln. Im Bereich Technologies erwartet Schulz ein starkes Wachstum unter anderem im Werftengeschäft. Die ThyssenKrupp-Werften seien für die nächsten vier Jahre ausgelastet, sagte der Vorstandsvorsitzende. Weitere Schritte für eine Konsolidierung der europäischen Werftenindustrie werde ThyssenKrupp vorerst nicht gehen. "Dies wird wohl erst mein Nachfolger entscheiden", sagte Schulz.

Die Restrukturierung im Automotive-Geschäft wird nach seinen Worten bis spätestens Ende 2007 abgeschlossen sein. ThyssenKrupp hatte im vergangenen Jahr einen Großteil des US-Automotive-Geschäfts verkauft und die verbliebenen Bereiche mit dem Segment Technologies zusammengeführt. Im Elevator-Geschäft setzt ThyssenKrupp vorerst auf Wachstum durch das Dienstleistungsgeschäft. "Weitere Akquisitionen sehen wir kurzfristig nicht", sagte Schulz. Im Services-Bereich setzt der Konzern vor allem auf eine weitere Expansion in Asien und Osteuropa.

Webseite: http://www.thyssenkrupp.com

-Von Andreas Heitker, Dow Jones Newswires, +49 (0)211 13872 14,

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