UPDATE: Transrapid wird in München nicht gebaut

27.03.2008
(NEU: Weitere Aussagen von Tiefensee, Löscher, Beckstein und Eichel)

(NEU: Weitere Aussagen von Tiefensee, Löscher, Beckstein und Eichel)

Von Beate Preuschoff Dow Jones Newswires

BERLIN (Dow Jones)--Die Transrapid-Strecke zwischen dem Münchener Hauptbahnhof und Flughafen wird aus Kostengründen nicht gebaut. Der Bund und der Freistaat Bayern könnten die Finanzierung angesichts der Kostenexplosion nicht mehr leisten, sagten Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein am Donnerstag im Anschluss an eine Krisensitzung unter Teilnahme von Vertretern der beteiligten Industrieunternehmen in Berlin.

Neuere Berechnungen hätten ergeben, dass der bisher vorgesehene Kostenrahmen von 1,85 Mrd EUR deutlich überstiegen werde. Die Industrievertreter hätten im Gespräch am Donnerstag von Kosten deutlich über 3 Mrd EUR, genauer 3,2 Mrd EUR bis 3,4 Mrd EUR gesprochen, sagte Tiefensee. Der Bund sei jedoch nicht bereit, seinen bislang geplanten Finanzierungsanteil von maximal 925 Mio EUR aufzustocken. "Deshalb müssen wir konstatieren, dass das Nahverkehrsprojekt im Freistaat Bayern gescheitert ist", sagte Tiefensee.

Tiefensee sieht jedoch in anderen Ländern weiter Chancen für die Transrapid-Technologie. Die Tür stehe nach wie vor für Anwendungen dieser Technologie an Stellen offen, an denen das Rad-Schiene-System noch nicht so vollkommen ausgebaut sei wie in Deutschland oder Europa. "Dort sehen wir Chancen, das wollen wir vorantreiben", sagte der Minister. Deshalb hoffe er, mit dem Konsortium und der Systemindustrie weiter zusammen arbeiten zu können und Kunden in der Welt zu finden.

Der Bundesverkehrsminister begrüßte die Zusicherung der Industrievertreter, die Transrapid-Technologie weiter zu entwickeln. "Ich bin sehr froh, dass Siemens und Thyssen-Krupp als Systemkonsortium zur Technologie stehen und die Entwicklung in China und darüber hinaus vorantreiben wollen", sagte der Bundesverkehrsminister. Bei den Verhandlungen in China sei man auf gutem Wege. Es gebe Vorgespräche in einer Reihe von Staaten, die in ihrer Infrastruktur nicht so gut ausgestattet seien wie Deutschland oder andere mitteleuropäische Staaten.

Auch nach Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG, Peter Löscher, bleibt die Transrapid-Technologie trotz des Scheiterns des Münchener Transrapid-Projektes weiter "eine wichtige Exporttechnologie Deutschlands". Die Systemindustrie bekenne sich "ganz klar zu dieser Technologie". Die Industrie werde nach weiteren Kunden für die Transrapid-Technologie außerhalb Chinas suchen, sagte Löscher.

"Wir sind mit diversen Kunden weltweit im Gespräch", sagte Löscher. In Quatar werde gerade eine Machbarkeitsstudie durchgeführt. Gespräche gebe es auch in anderen Ländern des Nahen Ostens wie auch den USA.

Vor allem die Explosion der Baukosten habe zum Überschreiten der bisherigen Kostenplanungen beim Münchener Projekt geführt, sagte Löscher. Die Systemindustrie sei im Rahmen des Angebotes geblieben. Das Konsortium als Ganzes sei jedoch nicht in der Lage gewesen, den Zielpreis einzuhalten, sagte Löscher stellvertretend für die am Konsortium beteiligten Unternehmen. Konsortialführer der Transrapid-Strecke in München ist der Baukonzern Hochtief, Zulieferer für die Technologie sind Siemens und Thyssen.

Bayerns Ministerpräsident Beckstein bedauerte das Scheitern des Projekts. "Aus meiner Sicht ist heute ein schlechter Tag für den Technologiestandort Deutschland", sagte Beckstein. Es gebe "keine ernsthafte Erklärung", wie es innerhalb von nur sechs Monaten nach der am 24. September vergangenen Jahres unterschriebenen Realisierungsvereinbarung zu einer derart starken Abweichung von dem dort festgelegten Kostenrahmen gekommen sei.

Auch Tiefensee sagte, er könne nicht nachvollziehen, wie die getroffene Kostenvereinbarung "auf derart tönernen Füßen" gestanden habe. Die Kosten seien offensichtlich vor allem wegen der "konventionellen Baukosten" explodiert. Damit sei die Geschäftsgrundlage für den Bund abhanden gekommen, sagte Tiefensee. Die vom Bund zugesicherten 925 Mio EUR seien "die absolute Obergrenze" gewesen, die der Bund hätte verkraften können.

Beckstein sagte, in Gesprächen mit Tiefensee sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel habe er vorgeschlagen, dass der Bund seinen Anteil von 925 Mio EUR auf 1,925 Mrd EUR erhöhen solle. Dies sei "strikt abgelehnt worden".

Aus dem Deutschen Bundestag wurde nach dem Aus für das Transrapid-Projekt Kritik an der Industrie geübt. "Die Kostensteigerungen gehen nicht auf die Transrapid-Systemindustrie zurück, sondern auf die Bauindustrie, der es egal sein kann, ob in den von ihr errichteten Tunneln eine Magnetschwebebahn oder eine traditionelle U-Bahn fährt", erklärte der Vorsitzende des Parlamentarischen Gesprächskreises Transrapid, Hans Eichel.

Es sei "unverständlich und unerklärlich", wieso sich die Kosten für die Strecke im Laufe der letzten sechs Monate verdoppelt hätten. "Hier stellt sich die Frage nach der Seriosität oder ob es eventuell andere Gründe gibt, die zu dieser Entwicklung geführt haben", betonte Eichel.

Die Gefahr, dass der Transrapid zwar in Deutschland erfunden worden sei, aber nicht als deutsches Produkt auf dem Weltmarkt vermarktet werde, sei "seit heute enorm gestiegen", warnte der frühere Bundesfinanzminister in einer Mitteilung in Berlin.

Nach einer Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2002 waren bisher Kosten von 1,85 Mrd EUR für die rund 40 km lange Trasse zwischen dem Flughafen im Erdinger Moos und dem Münchner Hauptbahnhof veranschlagt worden. Der Bund hatte sich zuletzt bereit erklärt, die Hälfte der Baukosten für die Strecke zu übernehmen, maximal aber 925 Mio EUR. Das Land Bayern hatte seine Beteiligung auf knapp 500 Mio EUR begrenzt. Der Rest sollte unter anderem von der Deutschen Bahn, dem Flughafen und den beteiligten Unternehmen unter Führung von Siemens und ThyssenKrupp aufgebracht werden.

Es wäre weltweit die dritte Transrapid-Strecke gewesen. Derzeit gibt es nur eine kommerziell genutzte Strecke zum Flughafen von Schanghai sowie eine Versuchsanlage im Emsland. Andere geplante Transrapid-Projekte in Deutschland waren vor allem wegen hoher Kosten nicht zustande gekommen, darunter eine Trasse von Berlin nach Hamburg und ein "Metrorapid" im Ruhrgebiet.

-Von Beate Preuschoff, Dow Jones Newswires, +49 (0)30 - 2888 4122, beate.preuschoff@dowjones.com (Andreas Kißler hat zu diesem Bericht beigetragen) DJG/bep/ank/cbr

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