UPDATE VULKAN: Flugverbot zieht immer mehr Bereiche in Mitleidenschaft

19.04.2010
Von Kirsten Bienk DOW JONES NEWSWIRES

Von Kirsten Bienk DOW JONES NEWSWIRES

HAMBURG (Dow Jones)--Die negativen Auswirkungen des anhaltenden Flugverbots in Deutschland und Teilen Europas steigen von Stunde zu Stunde. Neben den Unternehmen der Luftfahrtindustrie könnten bald auch andere Branchen in Bedrängnis kommen, weil bestimme Produktionsmittel langsam knapp werden. Zudem werden Veranstaltungen abgesagt, weil Teilnehmer nicht rechtzeitig erscheinen können.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wird die Kritik an den politisch Verantwortlichen immer lauter. Betroffene vertreten die Auffassung, dass die Schließungen der Lufträume übervorsichtig seien und die Industrien deswegen in einem zu hohen Maße schädigen würden.

Es gibt allerdings auch Branchen, die von dieser Entwicklung profitieren. Hotels, Automobilvermieter, Lkw-Speditionen sowie der Personenverkehr auf der Schiene zählen seit Donnerstag mehr Kunden als üblicherweise. Die Deutsche Bahn AG setzt derzeit alle verfügbaren Züge ein und stellt mehr Servicepersonal zur Verfügung. Das Reiseaufkommen ist nach Angaben eines DB-Sprechers "deutlich höher" als üblicherweise. Angaben über die finanziellen Auswirkungen wollte er allerdings nicht machen.

Auch andere Unternehmen halten sich mit detaillierten Angaben über die positiven Auswirkungen auf ihr Geschäft zurück. Steigende Aktienkurse deuten allerdings auf vom Markt erwartete zusätzliche Gewinne hin. So verzeichnete die Aktie des Autovermieters Sixt zu Beginn des Handels am Montag ein Plus von mehr als 5%.

Das Gegenteil gilt für die Anteilsscheine von Lufthansa, Air Berlin und Fraport. Sie alle wiesen am Montag Verluste aus. Zweifellos gehören die internationalen Luftfahrtgesellschaften und die geschlossenen Flughäfen zu den besonders betroffenen Unternehmen. Die Deutsche Lufthansa gibt allerdings keine Indikation für ihre Einbußen, und auch Air Berlin nennt derzeit keine Summen.

Auskunftsfreudiger ist der Flughafenbetreiber Fraport. Er verliert einer "groben Schätzung" zufolge alle 24 Stunden 2,5 Mio bis 3,0 Mio EUR EBITDA.

Auch die TUI AG hat gerechnet. Sie geht bei ihrer Touristiktochter TUI Travel plc pro Tag mit Belastungen von 5 Mio bis 6 Mio GBP. Bis einschließlich Sonntag sind den weiteren Angaben zufolge schon 20 Mio GBP als Aufwendungen angefallen. Bei der Vorlage der Halbjahresergebnisse will der TUI-Vorstand diese außerordentlichen und liquiditätswirksamen Kosten näher beleuchten. Europas größter Reisekonzern übernimmt beispielsweise Hotelkosten für gestrandete Urlauber und organisiert für sie Heimreisen per Bus oder auf alternativen Flugstrecken. Andere Touristikunternehmen versorgen ihre Gäste entsprechend. Viele Reisen sind weiterhin abgesagt. Die beiden größten deutschen Airlines Lufthansa und Air Berlin gehören zu den schärfsten Kritikern des andauernden Flugverbots. Sie fordern vor allem schnelle Messungen der Flugaschekonzentration in der Luft und äußern großes Unverständnis über das lange Zögern der Politiker, entsprechende Maßnahmen zu veranlassen.

Die Politiker wiesen die Kritik allerdings zurück und verweisen vor allem auf die Sicherheit aller Reisenden.

Zur Unterstützung der Behörden bei der weiteren Entscheidungsfindung will Airbus am Montag von Toulouse aus mit einer A380 Flugaschekonzentrationsmessungen über der Schweiz und Frankreich vornehmen und ihre Ergebnisse am Dienstag veröffentlichen. Der europäische Flugzeughersteller meldet indes für Deutschland noch keine Produktionsengpässe. Noch seien alle benötigten Materialien verfügbar, sagte ein Sprecher.

Rückendeckung erhalten die Fluggesellschaften aktuell von ihrem internationalen Dachverband IATA. Die Regierungen hätten "keine Risikobewertung, keine Konsultationen und keine Koordination" vorgenommen und keine Führungsstärke gezeigt, sagte Generaldirektor Giovanni Bisignani. Er forderte die Regierungen auf, sofortige Vorbereitungen für eine Öffnung des Luftraums zu treffen.

Die europäischen Fluglinien verlieren der IATA zufolge täglich mindestens 200 Mio USD an Erlösen. "Angesichts der dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen ist es unglaublich, dass die europäischen Verkehrsminister fünf Tage brauchen, um eine Telefonkonferenz einzuberufen", sagte Bisignani.

Die produzierende Industrie hält sich gegenwärtig noch mit Aussagen über mögliche Schwierigkeiten beim Bezug von Ausgangsmaterialien zurück. Für den Pharmaverband EPFIA, der 32 nationale Pharmaverbände und die führenden Pharmakonzerne Europas vertritt, sind Versorgungsenpässe nach Angaben eines Sprechers derzeit noch kein Thema. Er geht davon aus, dass sich hier die Lage von Land zu Land unterschiedlich darstellen könnte. Viele andere Unternehmen verweisen auf noch noch nicht abgeschlossene Recherchen und wollen zu späteren Zeitpunkten Näheres berichten.

Webseiten: www.lufthansa-financials.com www.airberlin.com www.fraport.de -Von Kirsten Bienk, Dow Jones Newswires, +49 (0)40 3574 3116, kirsten.bienk@dowjones.com DJG/kib/bam Besuchen Sie auch unsere Webseite http://www.dowjones.de

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