UPDATE2: Siemens mit Betriebsrat über SEN-Stellenabbau einig

15.04.2008
(NEU: Aussagen Arbeitnehmervertreter) Von Alexander Becker DOW JONES NEWSWIRES

(NEU: Aussagen Arbeitnehmervertreter) Von Alexander Becker DOW JONES NEWSWIRES

MÜNCHEN (Dow Jones)--Die Siemens AG hat sich mit den Arbeitnehmervertretern auf die Details der geplanten Restrukturierung bei der Tochter Siemens Enterprise Communications (SEN) in Deutschland geeinigt. "Vertreter von Siemens, des Konzernbetriebsrats von Siemens und des Gesamtbetriebsrats der SEN haben sich auf ein umfangreiches Maßnahmenpaket für die von der Neuausrichtung von SEN betroffenen Mitarbeiter verständigt", teilte der Münchener Technologiekonzern am Dienstag mit und bestätigte damit entsprechende Informationen, die Dow Jones Newswires zuvor von einer mit der Situation vertrauten Person erhalten hatte.

Betroffen sind den Angaben zufolge kurzfristig rund 1.200 Mitarbeiter in Deutschland. Fast 300 davon sollen Altersteilzeitvereinbarungen offeriert werden. Den übrigen Mitarbeitern werde der Übertritt in eine von Siemens finanzierte Transfergesellschaft ermöglicht, die zum 1. Juli 2008 startet und für bis zu zwei Jahre aufgesetzt ist. In ihr werden laut Siemens umfangreiche Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten.

Die Siemens-Aktie legte nach Veröffentlichung der Einigung weiter zu, nachdem sie schon mit einem Plus von gut 1% in den Handel gestartet war. In einem gut behaupteten Gesamtmarkt notierte die Siemens-Aktie um 10.30 Uhr 2,3% im Plus bei 69,45 EUR und war damit stärkster Wert im DAX.

"Wir haben die notwendigen Personalanpassungen wie versprochen so sozialverträglich wie möglich gestaltet. Die Verhandlungen über das Maßnahmenpaket haben wir zügig abgeschlossen, um den SEN-Mitarbeitern die Unsicherheit über ihre Zukunft zu nehmen. Die Maßnahmen werden unter Federführung von Siemens umgesetzt", wird Siegfried Russwurm, Arbeitsdirektor und Personalvorstand bei Siemens, in der Mitteilung zitiert.

Die Einigung mit den Arbeitnehmern auf die Restrukturierungsmaßnahmen und der damit verbundene Stellenabbau ist eine Voraussetzung für den geplanten Verkauf der SEN-Tochter.

Siemens hatte Ende Februar für SEN eine umfassende Restrukturierung angekündigt. Abbau und Auslagerung von rund 6.800 Arbeitsplätzen sollen helfen, nach mehr als einjähriger Suche einen Partner für das schwierige Geschäft mit Telekommunikationsanlagen für Geschäftskunden zu finden.

3.800 Stellen sollen insgesamt weltweit gestrichen und weitere 3.000 ausgelagert werden. Bis zu 2.000 der geplanten Stellenstreichungen entfallen dabei auf deutsche Standorte. Die 1.200 vom kurzfristigen Abbau betroffenen Stellen waren Bestandteil der nun beendeten Verhandlungen.

Ein weiterer Abbau von 800 Stellen soll nach Angaben der mit der Situation vertrauten Person möglicherweise mittelfristig erfolgen, wenn ein Partner für das Geschäft gefunden ist. Auch dieser Abbau soll unter der Regie von Siemens durchgeführt werden. Insgesamt hat SEN derzeit weltweit noch rund 17.500 Beschäftigte.

Wie die IG Metall Bayern mitteilte, war der mögliche Abbau dieser zusätzlichen 800 Mitarbeiter einer der entscheidenden Punkte für die Einigung. "Die Einigung hing am seidenen Faden. Streitpunkt war der von Siemens angekündigte zusätzliche Abbau von bis zu 800 weiteren Stellen, der erst nach dem Verkauf erfolgen soll", teilte die Gewerkschaft mit.

Der SEN-Gesamtbetriebsrat sei erst bereit gewesen dem Paket zuzustimmen, nachdem die Anwendung und Finanzierung der jetzt ausgehandelten Bedingungen auch für die davon betroffenen Beschäftigten gewährleistet wurde. Inzwischen liege eine entsprechende Erklärung von Siemens vor.

Ein Siemens-Sprecher bekräftigte die früheren Aussagen des Managements, nach denen die Kosten für die Restrukturierung von SEN im niedrigen dreistelligen Mio-EUR-Bereich liegen werden. Wann die Kosten für den Stellenabbau verbucht werden, sei noch offen, sagte ein Sprecher.

Siemens will sich bereits seit geraumer Zeit von SEN trennen. Ende Februar hatte Dow Jones Newswires von mit der Situation vertrauten Personen erfahren, dass die Zukunft von SEN voraussichtlich Ende April auf der regulären Aufsichtsratssitzung entschieden wird. In den laufenden Verhandlungen gehören drei Interessenten zum engeren Kandidatenkreis. Neben den SEN-Wettbewerbern Alcatel-Lucent und Nortel Networks wird der Finanzinvestor Cerberus genannt.

Ein Siemens-Sprecher wollte sich am Berichtstag nicht zu den konkreten Interessenten und einem möglichen Zeitpunkt eines Abschluss äußern. "Wir befinden uns in fortgeschrittenen Verhandlungen mit Interessenten", wiederholte der Sprecher lediglich frühere Aussagen des Managements.

Siemens steht bei dem Verkauf von SEN aus Bilanz-Gesichtspunkten unter Zeitdruck, da SEN seit Juli 2007 als nicht fortzuführendes Geschäft in der Bilanz geführt wird.

Nach den Bilanzierungsrichtlinien müsste der Konzern SEN nach einem Jahr wieder unter den fortgeführten Aktivitäten führen, wenn bis dahin kein Verkauf vereinbart ist. Dementsprechend strebt Siemens einen Verkauf bis Mitte des Kalenderjahres 2008 an, heißt es etwa in der jährlichen SEC-Pflichtmitteilung 20F.

Finanzvorstand Joe Kaeser hatte allerdings bei der Vorstellung der Restrukturierungspläne Ende Februar gesagt, man werde sich nicht zu Lasten einer tragfähigen Lösung für SEN von den Bilanzierungsrichtlinien zeitlich treiben lassen.

Die Zukunft von SEN wird nach Einschätzung der Arbeitnehmervertreter "jedoch nicht vom Personalabbau abhängen". Entscheidend sei, dass "die hervorragenden Produkte auch erfolgreich vermarktet werden, so der SEN-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Walter Bläßing. "Dies wird dann am besten gelingen, wenn die Entscheidung für einen Investor fällt, der hinter dem Geschäft steht und für überzeugende Perspektiven sorgt".

Webseite: http://www.siemens.com - Von Alexander Becker, Dow Jones Newswires, +49 (0)89 5521 40 30 industry.de@dowjones.com DJG/abe/brb/nas

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