Veränderte Rollen in der virtuellen Welt

28.05.1998

HAMBURG: Mit der Zunahme virtueller Unternehmen kommt es mehr und mehr auch zu Veränderungen in der Personalentwicklung. Verkaufstrainings im Bereich E-Commerce stehen hoch im Kurs. Neu zu definieren sind auch die Rollen von Führungskräften, Beratern und Prozeßbegleitern, wie Angelika Hamann* beobachtet hat.

Die Zahl virtueller Unterneh-men wird in den nächsten Monaten rapide ansteigen. Das ermöglicht es auch kleinen und mittleren Betrieben, gegenüber Kunden wie ein großes Unternehmen aufzutreten. Virtuelle Unternehmen existieren nicht wirklich im physikalischen Sinn. Es gibt keinen Hauptsitz, kein gemeinsam genutztes Gebäude an einem bestimmten Standort, kein Organigramm im Sinne einer festen Organisationsstruktur.

"Kommunikative Verträge" müssen die Aufbau- und Ablauforganisation herkömmlicher Unternehmen ersetzen. Die beteiligten Firmen bringen lediglich ihre Kernkompetenzen ein, und zwar dort, wo Spitzenleistungen erbracht werden. Die einzige Verbindung, sowohl intern als auch extern zu Produzenten, Zulieferern, Kunden und Wettbewerbern, ist der Informations-Highway.

Zentrale Aufgabe dieser neuen Unternehmensformen ist es, ein Wertschöpfungsnetz zu gestalten, das die verschiedenen Unternehmen zuordnen kann. Darin liegt eine große Chance, wenn man es "richtig" macht. Neben der leistungsfähigen Informations- und Kommunikationstechnik ist für die Handlungsfähigkeit die Pflege der sogenannten "weichen Faktoren" wichtig. Das bedeutet eine neue Aufgabe für Führungskräfte aber auch für externe Trainer, Prozeßbegleiter und Berater.

Einerseits müssen sie die technischen Abläufe kennen, begreifen und sich mit ihnen identifizieren können, aber auch im Miteinander entsteht ein riesiger Handlungsbedarf. Virtuelle Un-ternehmen brauchen Unterstützung bei der Entwicklung einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur, die sich auf Vertrauen gründen muß. Sowohl Führungskräfte als auch externe Prozeßbegleiter und Trainer sind gefordert, Hilfestellung zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern zu leisten, um langfristig stabile informelle Vertrauensbeziehungen aufzubauen. Führungskräfte müssen umdenken. Der "Boß" ist als Coach, Mentor, Prozeßbegleiter und Trainer gefragt. Dabei sind drei Kompetenzen nötig:

- Methoden-/Medienkompetenz

- Fach- und Sachkompetenz

- Soziale und emotionale Kompetenz

Personalentwicklung im Rahmen von Internet, Intranet und Extranet

Sowohl interne als auch externe Personal- und Organisations- entwickler müssen in der Lage sein, die Kooperations-, Koordinations- und Kommunikationsfähigkeit der Führungskräfte und Mitarbeiter weiter zu entwickeln. Sowohl interne Prozeßbegleiter - durchaus auch die unmittelbaren Vorgesetzten - als auch externe Begleiter brauchen ein völlig neues Rollenverständnis. Als sogenannte Performance Consultants müssen sie in der Lage sein, den Lernprozeß im Unternehmen zu fördern und sich gleichzeitig selbst zu entwickeln. Dabei gibt es für kein Unternehmen fertige Konzepte, sie müssen individuell entwickelt werden.

Bereits heute können multimediale Anwendungen über Satelliten oder Datennetze eingesetzt werden. Beispiele sind Bildtelefone, Videokonferenzen, interaktives TV, Home-Shopping etc. Immer weniger wird man zum Kunden gehen. Trotzdem stehen auch im virtuellen Verkauf die Kundenbindung und das Beziehungs-Management im Vordergrund. Hier gibt es ein weites Betätigungsfeld für Performance Consultants, Trainer und Berater. Damit muß sich auch die Aus- und Weiterbildung von Verkaufstrainern, Führungskräften im Vertrieb und Prozeßbegleitern den veränderten Anforderungen anpassen.

Verkaufstraining steht hoch im Kurs

Der Außendienst, der einzelne Verkäufer, das Kommunikations- und Medienverhalten von Kunden werden sich angesichts der technischen Entwicklung völlig anders darstellen. Sowohl das Ma-nagement im Vertrieb als auch interne und externe Prozeßbegleiter müssen sich selbst entwickeln und sich an das veränderte Umfeld anpassen.

Gleichzeitig müssen sie lernen, Mitarbeiter in diese neue Richtung auszubilden. Dazu reichen Trainings-, Schulungs- und vor allem Incentive Programme nicht mehr aus. Führungskräfte und Trainer im Vertrieb - Innen- und Außendienst - müssen den Lernprozeß aller im Vertrieb fördern und sich gleichzeitig selbst entwickeln.

Führungskräfte, Trainer, Berater und Prozeßbegleiter sind gefordert

Die bloße Bewältigung der klassischen Aufgaben wie die Erstellung von Weiterbildungskonzeptionen, Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen etc. genügt heute nicht mehr. Der Lernbedarf ergibt sich nicht mehr vorrangig aus der Schwächen- beziehungsweise Potentialanalyse für bestimmte Mitarbeiter, sondern aus der Analyse der wirtschaftlichen Ziele im Verhältnis der gegenwärtigen Performance des jeweiligen Mitarbeiters.

Die veränderte Rolle besteht somit darin, für Ergebnisse, für Performance zu sorgen. Performance bedeutet dabei sowohl die erbrachte Leistung eines Mitarbeiters als auch die Art und Weise, wie er seine Leistung erbringt.

Beides muß ein Performance Consultant in Einklang mit den jeweiligen strategischen Unternehmenszielen bringen. Damit werden sowohl Füh-rungskräfte als auch Trainer zum Lernberater. In einer Lernenden Organisation wird Lernen zur täglichen Verantwortung der Führungskräfte und der Teams. Dabei muß die Arbeit selbst zum primären Lernprozeß werden.

Das bedeutet: Die Führungskraft als Trainer muß die Aufgabe übernehmen, Lernen in der Organisation durch das richtige Umfeld und eine entsprechende Atmosphäre zu vereinfachen und die Lernprozesse mit den Unternehmenszielen zu verknüpfen. Bei dieser Entwicklung besteht ein großer Unterstützungsbedarf, auf den sich sowohl interne als auch externe Prozeßbegleiter vorbereiten müssen.

*Angelika Hamann ist Gründerin und Inhaberin der dta Deutsche Trainer- und Führungskräfte-Akademie Unternehmensberatung BDU in Hamburg.

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