Verärgerter Mitarbeiter und Handelspartner beei Sage KHK Software

23.07.1998

FRANKFURT AM MAIN: Der Übergang vom Vertrieb über das "Free Licence"-System, das Ex-KHK-Chef Karl-Heinz Killeit für seine Software kreiert hatte - hin zum ganz normalen Einzellizenzverkauf, den der neue Firmeneigentümer, die Sage Group, propagiert -, geht nicht so mühelos vonstatten, wie das Sage KHK-Management gerne glauben machen möchte. Händler drohen mit Klagen, und den Frankfurtern laufen die Vertriebs-leute weg. Nur der Wettbewerb reibt sich die Hände.Christoph A. Michel kommt in diesem Jahr nicht in den Sommerurlaub - die Familie fährt ohne ihn nach Portugal. Statt sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen, muß sich der Geschäftsführungs-vorsitzende der Frankfurter Sage KHK nun als sattelfester Krisenmanager beweisen.

Denn die Kritik der Handelspartner an ihrem Lieferanten reißt nicht ab. Augenfällig wurde das vor drei Wochen, als sich anläßlich einer KHK-Händlerveranstaltung in Warstein rund 200 Vertriebspartner einfanden, um die Lizenzierungspolitik der Sage KHK zu diskutieren. "Da haben meines Wissens 98 Teilnehmer eine Liste unterschrieben, um eine Gemeinschaftsklage anzustrengen", verrät ein Teilnehmer. Allerdings haben die sich jetzt doch für Einzelklagen entschieden, das sei effizienter, hat man beschlossen.

Der Hintergrund für den ganzen Ärger: Unter dem neuen Eigentümer soll die ursprüngliche Vertriebsstrategie über das Free-licence-Modell eingemottet werden. Ein harter Schlag für diejenigen, die über die Jahre hinweg Unsummen in das Geschäft mit der KHK gesteckt hatten: Beträge, die IT-Händlern zufolge oft "in die Hunderttausende" gingen, mußten investiert werden, um ein umfangreiches Produktportfolio der KHK-Software anzubieten.

Free-Licence-Partner fühlen sich geprellt

Dafür durfte man als Händler die Software nach Gusto kopieren und verkaufen. Viele lieferten sich so auf Gedeih und Verderb an die Frankfurter aus - klar, daß schon damals böse Zusammenstöße an der Tagesordnung waren, wenn sich die Investitionen der Händler nicht amortisierten.

Diejenigen aber, die mit dem Modell gut gefahren sind, sehen nun ihre Felle schwimmen und ihre langjährige Loyalität schlecht belohnt. Sollte alles nur für die Katz gewesen sein?

Michel selber hat eigenhändig das Feuer an die Lunte gelegt, als er zum einen öffentlich die Abwendung von der Free-licence-Politik propagierte und kurz darauf Knall auf Fall die Wartungsverträge für die Classic Line `97 zum Jahresende kündigte (siehe Beitrag Seite 1). Seine Vertriebspartner kommentieren diese Kehrtwendung mit harscher Kritik und beschränken sich dabei nicht nur auf den Kündigungsschock. "Die zwingen einen doch praktisch in die Knie - wir haben beispielsweise seit September 97 einen Free-licence-Vertrag für das Handwerkerpaket HWP WIN sowie einen entsprechenden Wartungsvertrag. Aber da die Sage-Leute das Produkt nicht mehr weiterentwickeln wollen und zudem nur das Einzellizenzsystem Handwerker 98 bewerben, hält jeder Kunde unsere Version für veraltet, und wir bleiben darauf sitzen", schimpft ein KHK-Händler aus Süddeutschland. Und schlägt direkt den Bogen zum nächsten Krisenpunkt bei Sage KHK: "Außerdem weiß ich von einer ganzen Menge von Vertriebsleuten im Unternehmen, die sich verraten und verkauft fühlen von ihrer eigenen Geschäftsleitung."

Konkurrent Lexware steht in den Startlöchern

Denn offenbar hat das Unternehmensmanagement im Zuge übereifriger Vergangenheitsbewältigung vor der Händlerschaft harsche Kritik an den Free-licence-Vertriebspraktiken der "alten Hasen" bei der KHK geübt. "Die standen da wie begossene Pudel", beschreibt ein Zeuge verwundert. "Klar, daß es um deren Motivation derzeit nicht so gut bestellt ist."

Vertriebsleiter und Vorstandsmitglied Manfred Rudorf kündigte bereits vor einigen Monaten sein Ausscheiden aus dem Unternehmen an. Jetzt hat er sein Büro endgültig geräumt und wird zukünftig als Geschäftsführer von Navision-Wettbewerber Great Plains seine eigenen Vorstellungen von Unternehmensstrategie umsetzen können. Überraschend scheidet jetzt auch Marketingdirektor Martin Göttfried nach einem nur wenige Monate währenden Gastspiel aus. Ein Ersatzmann ist noch nicht in Sicht. Mehreren Vertriebspartnern zufolge wären auch ihre Ansprechpartner im Unternehmen teilweise bereits ausgeschieden oder ziemlich frustriert.

Von all dem scheinbar unberührt, verbreitet Michel weiterhin Optimismus: "Mir macht das Geschäft Spaß - und die Händler ziehen mit", gibt er als Etappenfazit zum Besten. Rund 800 seiner etwa 1.200 aktiven Fachhändler hätten ihm bereits signalisiert, daß sie auf die Einzellizenzpolitik umsteigen würden. "Von wegen", meldet da Multisoft-Geschäftsführer Anton Dillinger an. "Ich habe - wie viele andere Kollegen auch - zwar so einen `Letter of Intent` unterzeichnet. Demzufolge würde ich auch Einzellizenzen verkaufen, wenn der Kunde es wünscht. Das heißt aber doch keineswegs, daß ich vom Free-licence-System weg will. Dazu habe ich zuviel Geld investiert." Er sei sich - zumindest im süddeutschen Raum - sicher, daß seine Handelskollegen da genauso dächten wir er.

Christoph Michel muß sich also auf einen heißen Sommer gefaßt machen. Auf die Frage, ob für ihn wirklich alles so laufe, wie er es auch erwartet habe, als er den Chefsessel im Unternehmen besetzte, antwortet er denn auch mit leichtem Unbehagen: "Jein. Aber die Endkunden sind zufrieden." Und auch die Zahlen stimmen ihn fröhlich: Bis zum Ende des Jahres, so schätzt er, werde sein Umsatzziel von 80 Millionen Mark sicher erreicht, "wenn nicht sogar überschritten".

Doch da hat auch die Konkurrenz noch ein Wörtchen mitzureden: Lexware beispielsweise, so heißt es, reibe sich derzeit eifrig die Hände. Dort plant man nämlich, neben den aktuellen Low-cost-Produkten demnächst auch Software im "Classic Line"-Stil anzubieten - und nach dem Free-Licence-Modell zu vertreiben. "Denen konnte doch gar nichts besseres passieren", kommentiert ein Sage-KHK-Händler. "Verärgerte Partner wie ich fallen denen doch als Kunden wie reifes Obst direkt in den Schoß". (du)

Christoph A. Michel hat derzeit kein leichtes Leben: Über 100 Vertriebspartner haben dem KHK-Chef bereits mit Klagen vor Gericht gedroht.

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