Vertrauensschutz des Bürgers hat Vorrang

Veräußerungsgewinn beim Grundstücksverkauf

22.07.2010
Wer ein Haus so verkauft, dass der Gewinn unversteuert bleibt, kann auf die alte Rechtlage vertrauen.

Der 8. Senat des Hessischen Finanzgerichts (FG) erachtet § 23 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG i.V.m. § 52 Abs.39 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes (Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402) insoweit nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, als der Gewinn aus einer im April 1999 erfolgten Veräußerung eines 1998 errichteten privaten Gebäudes der Besteuerung zu unterwerfen wäre.

Mit seinem am 08.04.2010 veröffentlichten Beschluss vom 14.01.2010 (Az.: 8 K 283/04), so der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, hat das Hessische FG das anhängige Klageverfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hierüber einzuholen.

In dem anhängigen Klageverfahren hatte die Klägerin ein Ende 1997 erworbenes Grundstück im Jahre 1998 bebaut. Der geplante Verkauf des Grundstücks konnte aber erst im April 1999 realisiert werden, woraus - der auf das Gebäude entfallende Verkaufserlös überstieg die Gebäudeherstellungskosten - ein Veräußerungsgewinn resultierte, den das Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 1999 besteuerte. Denn die Änderung des § 23 Abs.1 Nr.1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz führte - neben der im Streitfall nicht entscheidungserheblichen Verlängerung der Spekulationsfrist für private Grundstücksverkäufe von zwei auf zehn Jahre - auch erstmals zur Besteuerung einer ab 1999 (§ 52 Abs.39 Satz 1 EStG) erfolgten Veräußerung eines innerhalb der Spekulationsfrist selbst hergestellten Gebäudes.

Nach der vorher geltenden Rechtslage war nur der Gewinn aus der in der Spekulationsfrist erfolgten Veräußerung des Grundstücks selbst steuerpflichtig, weil ein nach dem Grundstückserwerb selbst errichtetes Gebäude als ein vom Grund und Boden verschiedenes Wirtschaftsgut mangels Anschaffung nicht unter den vormaligen Steuertatbestand des § 23 Abs.1 Nr.1a EStG fiel.

Der 8. Senat des Hessischen Finanzgerichts ist der Überzeugung, so Passau, dass die zu § 23 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG ergangene Anwendungsvorschrift des § 52 Abs.39 Satz 1 EStG insoweit gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs.3 GG i.V.m. dem Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 GG verstoße, als aus der Veräußerung von errichteten Gebäuden Gewinne erfasst werden, die bereits vor 1999 latent entstanden waren. Im Zeitpunkt ihrer unter Inanspruchnahme des aus Art. 2 Abs.1 GG resultierenden Grundrechts der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit mit der Bebauung getroffenen wirtschaftlichen Disposition habe die Klägerin aufgrund der damals geltenden Rechtslage davon ausgehen können, dass ein etwaiger Verkauf des Gebäudes keine Besteuerung des darauf entfallenden Gewinns nach sich ziehen werde.

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