Verbrannt - Der Markt für CD-Recorder

22.11.1996
MÜNCHEN: Die selbstgemachte CD liegt voll im Trend. Der Optimismus war selten so ungebrochen wie angesichts der goldenen Zeiten - einen CD-Recorder für jeden. Doch auch dieser Massenmarkt hat mit Problemen zu kämpfen. Altlasten, Innovationen und Unübersichtlichkeit machen dem IT-Handel das Leben schwer.Die beschreibbare CD (CD-R, CD-Recordable) hat einen langen und beschwerlichen Weg bis heute zurückgelegt. Zwischen der Markteinführung der Audio-CD und der weiteren Verbreitung der CD-R lagen immerhin 15 Jahre, die sich durch die Technologie sicher nicht vollständig begründen lassen. Mutmaßungen, warum die CD-R erst jetzt in die Gänge kommt, reichen von diffusen Ängsten der Musik-Industrie vor zügellosen Kopier-Orgien bis zu Kodaks Lizenz-Politik hinsichtlich der Photo-CD. Noch vor drei Jahren mußte man für einen CD-Recorder eine fünfstellige Summe im Budget freischlagen, und so dümpelte der Markt für CD-Recorder bis '95 hochpreisig und mit wenig Konkurrenz vor sich hin. Geringe Stückzahlen, hohe Margen und damit Zeit für entsprechenden Support.

MÜNCHEN: Die selbstgemachte CD liegt voll im Trend. Der Optimismus war selten so ungebrochen wie angesichts der goldenen Zeiten - einen CD-Recorder für jeden. Doch auch dieser Massenmarkt hat mit Problemen zu kämpfen. Altlasten, Innovationen und Unübersichtlichkeit machen dem IT-Handel das Leben schwer.Die beschreibbare CD (CD-R, CD-Recordable) hat einen langen und beschwerlichen Weg bis heute zurückgelegt. Zwischen der Markteinführung der Audio-CD und der weiteren Verbreitung der CD-R lagen immerhin 15 Jahre, die sich durch die Technologie sicher nicht vollständig begründen lassen. Mutmaßungen, warum die CD-R erst jetzt in die Gänge kommt, reichen von diffusen Ängsten der Musik-Industrie vor zügellosen Kopier-Orgien bis zu Kodaks Lizenz-Politik hinsichtlich der Photo-CD. Noch vor drei Jahren mußte man für einen CD-Recorder eine fünfstellige Summe im Budget freischlagen, und so dümpelte der Markt für CD-Recorder bis '95 hochpreisig und mit wenig Konkurrenz vor sich hin. Geringe Stückzahlen, hohe Margen und damit Zeit für entsprechenden Support.

Doch jetzt erfährt Otto-Normal-Anwender, der gerade damit beschäftigt ist, die neuen Internet-Adressen von Langnese, Karstadt und der Tagesschau zu sortieren: Ab sofort soll es die unverwüstliche, klangvolle und nicht kopierbare CD im Do-it-yourself-Verfahren geben. Für unter 1000 Mark Einstiegskosten und 15 Mark pro CD kann er Karajan direkt nach dem berüchtigt näselnden Mark-Knopfler-Solo dirigieren lassen.

Von einer kleinen Clique zum Massenmarkt

Seit dem ersten Halbjahr 1996 geht es Schlag auf Schlag: Die Preisbrecher Philips und JVC stellen Recorder für unter 2000 Mark vor und bringen ein stabiles kleines System ins Wanken. Das Angebot-und-Nachfrage-Spiel - die Bezeichnung Global Player erfährt vor diesem Hintergrund ganz neue Interpretationsmöglichkeiten - brachte es innerhalb von sechs Monaten des ersten Halbjahres '96 zum CD-Recorder für jederman. Selbst Yamaha's bisheriger Kronprinz ist jetzt für deutlich unter 2000 Mark zu haben - der Vierfach-Recorder hatte vorher auch für das Doppelte ordentliche Absatzchancen. Die Stückzahlen steigen rasant, und auch wenn sich die Margen umgekehrt proportional verhalten, ist zügelloser Optimismus zu spüren. Stephan Leonhard, Leiter des Marketings der Comline GmbH, mutmaßt hinsichtlich der Absatzchancen der im Liefer-Programm befindlichen CD-Recorder, "daß wir nächstes Jahr doppelt soviel verkaufen". Markus Salla, Product Manager bei Dynatec Memory Systems GmbH, formuliert mit Hinblick auf eine neue Produktlinie von Yamaha euphorisch: "Wir erwarten für '97 einen Anstieg im Volumen um 300 Prozent." Friede, Freude, Eierkuchen! Oder hört man nicht hier und da doch von Schwierigkeiten?

Dem ist so: Nachgerade hinterhältig lauern die CD-Recorder-Fallen, um größtmögliche Verwirrung bei PC-Anwendern zu stiften. Kosten für Support oder übellaunige Kunden mindern den Verkaufsspaß zusätzlich. Die Probleme sind relativ einfach benannt: Die PC-Architektur und Windows 95 sorgen gemeinschaftlich für reichhaltige Fehlerquellen, deren Lokalisierung den kleinen Grundkurs CD-Recording notwendig macht.

Die Altlasten der CD-Recorder

Die CD-ROM wird, wie der Urahn Audio-CD, in einer langen Spirale vom inneren zum äußeren Rand des Mediums mit Daten gefüllt. Sie ist damit im Prinzip der sequentiellen Aufzeichnung eines Bandlaufwerke näher als dem wahlfreien Zugriff einer Festplatte. Um die Audio-CD unanfällig gegen kleine Kratzer und Verschmutzungen zu machen, erdachte man ein ausgeklügeltes System von Datenblöcken und Fehlerkorrekturen, die für den Betrieb von Audio-CDs - Musikstücke anspringen, Vor- und Zurückspulen - unabdingbar sind. Alle weiteren Entwicklungen und Standardisierungen basierten auf der Audio-CD. Die Gründe dafür sind Abwärtskompatibilität, um die bereits preiswerten Audio-CD-Laufwerke auch als CD-ROM-Laufwerke verwenden zu können und die Erhaltung der Kapazität.

Zusätzlich kann aufgrund des destruktiven Aufzeichnungsverfahrens die CD-R grundsätzlich nur einmal geschrieben werden. Einen weiteren Schreibversuch gibt es, im Gegensatz zu Bandlaufwerken, nicht.

Denn die Positioniergenauigkeit von CD-ROM-Laufwerken und CD-Recordern ist nicht hoch genug, um exakt ein Bit oder Byte anspringen zu können. Recorder und Software stehen damit vor der Aufgabe, große Datenmengen unter allen Umständen in einem Rutsch schreiben zu müssen. Diese Vorgabe bürdet dem Gespann aus CD-Recorder und Software eine Menge Aufgaben auf: Die Daten müssen von der Quelle gelesen und in das CD-ROM-spezifische Dateisystem konvertiert werden. Dann werden Prüfsummen für die Fehlerkorrektur erzeugt und schließlich wird auf das Medium geschrieben. Je nach voreingestellter Geschwindigkeit sind hier zwischen etwa 150 (1x), 300 (2x) und 600 KB (4x) pro Sekunde an Daten zu bewältigen. Ein Abreißen dieses Datenstroms hat fast unweigerlich die Unbrauchbarkeit des Mediums zur Folge.

CD-Recording auf den gängigen Plattformen

Multitasking-Betriebssysteme wie Windows 95 garantieren ihren Applikationen keine Rechenzeit. Unter ungünstigen Umständen entschließt sich das Betriebssystem zur Abwicklung interner Aufgaben, womit der kontinuierliche Datenstrom abreißt. Eine ausreichende Ausstattung des PCs mit mindestens 16 MB Arbeitsspeicher kann hier wenigstens allzu heftige Speicherauslagerungen des Betriebssystems auf die Festplatte verhindern. Dazu kommen Probleme mit Festplatten. Sie garantieren ebenfalls kein kontinuierliches Lesen, sieht man von AV-Versionen mancher Hersteller ab.

Bei den Lesegeschwindigkeiten heutiger Festplatten stellt das zwar in der Regel kein ernsthaftes Problem dar, doch die termische Rekalibirierung - Festplatten korrigieren von Zeit zu Zeit ihre Kopfpositionierung intern - sorgt manchmal für massive Probleme. "Mit einigen Festplatten werden Sie es nie schaffen, eine CD zu brennen", kommentiert Herr Becker, Chef-Supporter bei Dynatec, das Problem ausreichender Kühlung von Festplatten. Im Nebel der PC-Konfiguration verbergen sich dann weitere Fehlerquellen wie bockige Treiber oder durch Plug and Play nicht erkannte SCSI-Adapter. Unsaubere ASPI-Treiber, falsche Terminierung des SCSI-Busses und ähnliche Gemeinheiten tun ein übriges. Ein namenloser Supporter, der einem Gespräch auf der Systems als Unbeteiligter lauschte, artikulierte seinen Unmut mit "KZD! - Kunde zu doof".

Deutlich weniger erwartet Clemens Schütte, Product Marketing Specialist bei Sony, vom Endkunden und sieht das Problem allgemeiner: "Beim Einbau eines CD-R-Laufwerks offenbaren sich dann einfach Fehler, die vorher nur schlummerten."

Versuche, vom in der PC-Architektur etwas stiefmütterlich behandelten SCSI-Bus wegzukommen, gab es. Doch sie waren bislang nicht von Erfolg gekrönt. Was Mitsumi Ende 1995 nur ankündigte, soll Yamaha jetzt gelungen sein.

Die Zukunft wird zeigen, ob man damit nicht vom Regen in die Traufe kommt.

Aller Anfang ist schwer

Aber auch die Laufwerke selbst sind nicht immer ganz koscher. So stellte sich zum Beispiel heraus, daß die Buffer-Größen der Laufwerke zum Teil nicht mehr ausreichend waren. So sind die Yamaha-Evergreens CDR100 und CDR102 nur mit 256 KB ausgestattet und gestalten die Zusammenarbeit auf PCs bisweilen schwierig. Nicht umsonst versehen die Hersteller nahezu alle neuen Laufwerke mit ein MB Buffer.

Gewichtiger jedoch sind Probleme mit der SCSI-Firmware. SCSI hat in den letzten Jahren viel an Einheitlichkeit verloren, wozu Adaptec selbst mit der Optimierung der eigenen SCSI-Adapter nicht unmaßgeblich beigetragen haben dürfte. So kommt es durchaus vor, daß sich auch bei korrekter Konfiguration zwei Laufwerke absolut nicht miteinander vertragen. Die generelle Empfehlung, einen Controller von Adaptec zu verwenden, hilft nicht immer weiter, obwohl der Verdacht im Raume steht, daß fast alle SCSI-Geräte in erster Linie zur Verwendung an Adaptec-Controllern entwickelt und optimiert werden.

Aber Interpretationen sind ja Spezialität der Hersteller: Man hält sich an Standards, solange es einem in den Kram paßt. CD-Recorder melden sich mit der Geräte-Identifikation 4 oder 5, je nach Belieben des Herstellers. Die eigentlich richtige Identifikation 4 steht für WORM-Laufwerke (Write Once Read Many). Doch damit widerspricht sie der Möglichkeit, den CD-Recorder als CD-ROM-Laufwerk zu verwenden. Erst ein spezieller Treiber ermöglicht diese Funktionalität. Als Typ 5 identifiziert, sollte dann das Lesen der CD-ROM problemlos möglich sein. Dafür läßt sich bei korrekter Auswertung der SCSI-Informationen die Schreibtauglichkeit des Laufwerks nicht mehr feststellen. Zudem ist die Identifikation als Typ 5 natürlich überflüssig, wenn der Befehlssatz des CD-Recorders keine Verwendung als Standard-CD-ROM-Laufwerk erlaubt. Philips Preisbrecher CDD2000 führt das vor: Er benötigt auch als Typ 5 einen speziellen Treiber. Seltsam in diesem Zusammenhang ist, daß beide Treiber noch nicht zum Standard-Lieferumfang gehören.

Wichtig ist diese Haarspalterei der SCSI-Typen deswegen, da für den Massenmarkt die CD-ROM-Tauglichkeit entscheidend sein dürfte, sobald sich der Preis für CD-Recorder dem für CD-ROM-Laufwerke weit genug angenähert hat. Laufwerke mit EIDE-Schnittstelle dürften diese Probleme jedoch nicht haben. Logisch wäre hier die primäre Anmeldung als CD-ROM-Laufwerk und die Verwendung eines speziellen Treibers, um dann schreiben zu können.

Wenn die Software nachhinkt

Damit jedoch nicht genug: Die PC-Software zum Brennen von CD-ROMs ist ebenfalls gerade erst dabei, den Kinderschuhen zu entwachsen. Zur Entschuldigung wird natürlich vorgetragen, daß die Masse an Konfigurationsmöglichkeiten auf PCs schwerlich in den Griff zu bekommen ist und letztendlich der Quadratur des Kreises gleichkommt. Dennoch leisten sich auch die aktuellen Versionen immer noch unverzeihliche Fehler, so daß die Frage gestellt werden muß, ob die berüchtigten bunten Bücher (siehe Kasten) überhaupt ganz gelesen wurden.

So ist etwa das Kopieren von Mixed-Mode-CDs (Daten und Audio) nach wie vor eine wackelige Angelegenheit: Manchmal gehts, manchmal nicht. Besonders ärgerlich für den Anwender ist dabei, daß er oft erst nach dem Brennen erfährt, ob das Kopieren funktioniert hat.

Diese Unsicherheiten in der Interpretation der bunten Bücher führen geradewegs in die Microsoft-Misere: Wenn es ohnhin schon keine perfekte Alternative gibt, dann kauft man das, was alle kaufen. Erfahrungsgemäß ist das Produkt dann auch das billigste. Man muß Corel weise Voraussicht unterstellen, denn der CD-Creator war unter vorgenannten Gesichtspunkten ein nachgerade genialer Schachzug. Preis und Funktionsumfang war bei Markteinführung unschlagbar und setzte das Feld der Mitbewerber unter Druck. Adaptec erkannte die Zeichen der Zeit, kaufte im Juni den CD-Creator zum hauseigenen Easy-CD dazu und erreichte damit die Marktführerschaft auf dem PC-Sektor. WinOnCD von CeQuadrat könnte deshalb dazu verdammt sein, die ewig zweite Geige spielen zu müssen. Dabei hat CeQuadrat sowohl das bessere Produkt als auch die besseren Konditionen für den Fachhandel. Und außerdem die höheren Preise. Allerdings ließ man sich auch viel Zeit. Die aktuelle Version 3.0 wird gerade erst ausgeliefert. Angekündigt wurde sie schon seit fast einem Jahr.

Mit einem Mac ist alles anders

Die obligatorischen fünf Prozent Anmerkung für den deutschen Markt folgt auf dem Fuße: Mit Apples Macintosh beziehungsweise PowerMac ist alles anders. Der Software-Marktführer für Recording-Software Astarte (Toast-CD) läßt sich zwar sein Know-how gut bezahlen, aber erstens ist das für einen Mac-User immer noch nichts Ungewöhnliches, und zweitens bekommt er dafür ein verläßliches Produkt.

Zudem ist das SCSI-Interface von jeher Bestandteil jedes Macintosh-Rechners, so daß es hier weniger Probleme und mehr Lösungen gibt. Darüber hinaus ist das MacOS (System 7.x) immer noch kein Betriebssystem mit preemptivem Multitasking, was die Kontrolle des Datenstroms beim Brennen der CD-R erheblich vereinfacht.

Professionelles CD-Recording findet aus diesen Gründen auch auf Apple-Rechnern statt. Nicht zuletzt auch deswegen, weil Multimedia-Entwickler und (Ton-)Studio-Techniker dieser Plattform sehr und zu Recht zugeneigt sind.

Chancen für den qualifizierten Fachhandel

Angesichts eines Massenmarktes ist die Gesamtsituation, abgesehen von den Prognosen, also äußerst unbefriedigend. So bleibt nur die Flucht nach vorne und damit die Chance für den qualifizierten Fachhandel, sich in Qualifizierung zu üben. CD-Recorder sind nichts für den Kistenschieber: Die Quittung für mangelhafte Beratung und fehlenden Support sind hohe Rückläufer-Quoten. Distributoren und Hersteller geben sich immerhin Mühe, sich an der Qualifizierung der Händler zu beteiligen. Komplette Schulungsprogramme sucht man allerdings vergeblich. Die Beiträge sind eher im kleinen zu suchen. Mit dem Ausdruck des Bedauerns faßt Dynatec-Manager Salla die einhellige Meinung zusammen: "Die Dinger sind einfach zu billig" für große Aktionen. Es lohnt sich jedoch auf jeden Fall, nach weiteren Informationen zu fragen. Dynatec verschickt auf Anfrage ein in Eigenregie erstelltes Kompendium CD-Recording, das knapp, übersichtlich und brauchbar ist. ComLine bietet Mailings und weiterführende Informationen auf der eigenen Internet-Homepage an (http://www2.comlinehq.com/comline/).

Das Internet ist im übrigen selbst ein ausgezeichneter Informationspool für CD-Recording. Ricoh etwa hat ein Dokument zusammengestellt, das sich ausführlich mit der Kaufentscheidung für einen CD-Recorder, Grundlagen und dem Recording allgemein auseinandersetzt. Die Internationalität des Internets bietet schließlich auch den Zugriff auf vergleichende Werbung im Sinne von "Welcher Recorder beherrscht was?". Komplette Retail-Kits etwa von Hewlett- Packard oder Yamaha erlauben die Delegation eines Teils des Sachverstands an den Kunden.

Fazit

Es bleibt ein zwiespältiges Resumee: Der Kaufmann ist dem CD-Recorder hemmungslos zugetan; der Techniker aber betrachtet die Entwicklung mit Skepsis. Doch mit gutem Willen und Fleiß bietet sich hier vielleicht die Chance zu beweisen, daß nicht jeder Händler auch ein Krämer sein muß. Akzeptiert der Kunde die Dienstleistung Support bei CD-Recordern, akzeptiert er sie vielleicht auch beim nächsten PC. Aufgeben gilt nicht! (gr)

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