Vereinsbank-Tochter soll PC-Filialist Escom wieder flott machen

15.03.1996
HEPPENHEIM: Kapitale Einkaufs- und Managementfehler führten bei Escom 1995 zu einem Verlust von 125 Millionen Mark. Mit einem harten Sanierungskonzept soll Deutschlands zweitgrößter PC-Filialist wieder auf Vordermann gebracht werden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei ein neuer Großaktionär: die BV Beiteiligungsgesellschaft in München.Bei der Escom AG brennt es unterm Dachstuhl. Statt der ursprünglich angekündigten 45 Millionen Mark Verlust klafft in der Bilanz 1995 ein riesiges Loch von 125 Millionen Mark. In einer Hauruck-Aktion schaffte es Escom-Chef Manfred Schmitt, frisches Kapital in Höhe von rund 100 Millionen Mark aufzutreiben (vergleiche Kasten).

HEPPENHEIM: Kapitale Einkaufs- und Managementfehler führten bei Escom 1995 zu einem Verlust von 125 Millionen Mark. Mit einem harten Sanierungskonzept soll Deutschlands zweitgrößter PC-Filialist wieder auf Vordermann gebracht werden. Eine Schlüsselrolle spielt dabei ein neuer Großaktionär: die BV Beiteiligungsgesellschaft in München.Bei der Escom AG brennt es unterm Dachstuhl. Statt der ursprünglich angekündigten 45 Millionen Mark Verlust klafft in der Bilanz 1995 ein riesiges Loch von 125 Millionen Mark. In einer Hauruck-Aktion schaffte es Escom-Chef Manfred Schmitt, frisches Kapital in Höhe von rund 100 Millionen Mark aufzutreiben (vergleiche Kasten).

Für Überraschung sorgte vor allem der neue Großaktionär BV Beteiligungsgesellschaft mbH in München, eine Tochter der Bayerischen Vereinsbank und ein völlig neues Gesicht in der Computerbranche. "Wir werden uns in diesem Markt nicht langfristig engagieren.", wehrt Vereinsbank-Sprecher Joseph Schießl gegenüber ComputerPartner Spekulationen über ein dauerhaftes Engagement des Finanzinstitutes ab. Brancheninsider sind sich sicher, daß hinter dem Engagement der BV ein großer Investor steckt, der die Sanierungsspezialisten aus München erst einmal klar Schiff in Heppenheim machen läßt, bevor er seine Maske fallen läßt. "Grundsätzlich ist es natürlich möglich, daß wir für einen Kunden die Anteile erworben haben. Wir haben ein Konzept, aber dazu kann ich nichts sagen", windet sich BV-Sprecher Schießl um eine eindeutige Stellungnahme herum.

Escom-Verluste durch hausgemachte Fehler

Höchste Zeit, daß bei Escom Profis zum Zuge kommen. "Escom hat im letzten Jahr zu viele Fehler gemacht. Um die auszubügeln, ist ein radikaler Schnitt notwendig", erklärt ein Branchenkenner. "Wir müssen unsere alten Hausaufgaben wieder neu machen", gibt Escom-Sprecher Dr. Bernd Wirsing zu. Ansatzpunkte für Verbesserungen gibt es reichlich. Denn vier der fünf Ursachen für Escoms Absturz sind hausgemacht:

l Eine katastrophale Einkaufspolitik. Im Frühsommer 1995 stopfte sich Escom das Lager bis zur Decke mit 60-MHz-Pentium-PCs voll. Pech allerdings: Kaum jemand wollte die biederen Einsteigermodelle haben. Mehr Fingerspitzengefühl zeigte hier Mitbewerber Vobis. Die Aachener bewarben den 60-MHz-Pentium-Rechner zum letzten Mal im Juli 1995.

Escom-Vorstandsmitglied Bernard van Tienen sieht das allerdings völlig anders. Er schiebt Chiphersteller Intel den Schwarzen Peter zu. "Intel hat 1995 zweimal vorzeitig und ohne Ankündigung die Preise für die 100-, 120- und 133-MHz-Pentium-Chips vorgezogen, so daß wir die 60-MHz-PCs mit Verlust verkaufen mußten", ärgert sich der Escom-Manager.

Diese Schuldzuweisung kommt bei Intel in Feldkirchen überhaupt nicht gut an. "Wir haben die 100- bis 133-MHz-Pentium-Chips entsprechend unserer offengelegten Roadmap zu den angekündigten Terminen um zirka 30 Prozent gesenkt", zeigt sich Intel-Manager Heiner Gensken von den Escom-Vorwürfen sehr überrascht.

l Anders als Konkurrent Vobis kann Escom noch immer nicht mit einem zentralen Warenwirtschaftssystem die gerade im Retail-Markt unentbehrliche "Build-to-customer"-Politik verfolgen. Dieses Manko treibt die Kosten bei Lager und Beschaffung in die Höhe, die Margen nach unten und bindet Kapital. Zu deutsch: In bezug auf die Frage, was die Kunden aktuell wollen, stochert Escom blindlings im Nebel herum. Die Filialen schrauben im Hinterstübchen die PCs zusammen. Die Folge: Auch bei ihnen fallen hohe Lagerkosten an. Ein Logistikkonzept aus der Mottenkiste.

l Der immer wieder verschobene Neuauftrittt des Amiga-PCs erwies sich als Flop. Statt mit einem neuen Modell zu starten, setzte Escom auf ein blasses Amiga-1200-Revival. Doch mit dem antiquierten Spiele-PC kam Escom bei den Nutzern nicht an. Zusammen mit den Schwierigkeiten bei der Komponentenbeschaffung sowie beim Aufbau der Distribution häuften sich die Kosten, die Escom zu den 10 Millionen Mark der Commodore- beziehungsweise Amiga-Erbmasse dazu addieren mußte.

l Die Anfangsinvestitionen in die 1995 erworbene englische PC-Kette Rumbelow fielen ebenfalls deutlich höher als erwartet aus. Escom mußte enorme Summen in die Renovierung beziehungsweise Neueinrichtung der zirka 220 Läden hineinpumpen. Überdies ließen die Handwerker erst Ende Dezember endgültig den Hammer fallen - als die Kerzen am Weihnachtsbaum schon fröhlich brannten.

l Ohnehin war das miserable Weihnachtsgeschäft für Escom ein herber Schlag ins Kontor. Mit 45.000 PCs verkauften die Heppenheimer im letzten Quartal 1995 nach unseren Informationen mehr als die Hälfte weniger als im Vorjahreszeitraum. "Das Weihnachtsgeschäft macht traditionell etwa 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Da haben wir uns wie die gesamte Branche gründlich verkalkuliert", erklärt Wirsing.

Bei Escom macht der Sanierungsbesen die Runde

Kurzum: Auf die BV-Sanierer wartet in Heppenheim jede Menge Arbeit. Ansatzpunkte gibt es zuhauf: Produktpalette, Warenwirtschaftssystem, Amiga-Marketing und Personal. Bei letzterem handelte Escom bereits selbst: Von den zirka 1.400 Angestellten, die Escom in Deutschland beschäftigt, werden bis Ende März etwa 100 Mitarbeiter entlassen.

"Beim Personal sind wir bereits sehr dünn, aber wir gucken es nochmal durch", skizziert Wirsing den aktuellen Stand. Sicher kann es auch nicht schaden, im Vorstandsbereich zu prüfen, ob dort alle Manager für ihren Job geeignet sind.

Um die Lagerkosten in den Griff zu bekommen, will Escom ein zentrales Lager mitsamt Warenwirtschaftssystem einführen. "Es ist in Berlin der Testphase. Wann es eingeführt wird, steht noch nicht fest", war von Escom zu erfahren.

Zudem hoffen die Heppenheimer, daß die Allianz mit Motorola und dem PowerPC dem Amiga wieder eine größere Akzeptanz bei den Anwendern verschaffen wird. "Jetzt setzen wir auf Leistung. Amiga wird weiterbestehen", erklärt Wirsing.

Und in bezug auf das England-Engagement wollen die Heppenheimer jetzt die Früchte ernten. "Die Investitionsphase ist abgeschlossen. Die Läden werfen bereits erste Erträge ab," erklärt Wirsing. Allerdings: Anfang Januar mußten die PC-Preise erneut gesenkt werden - die Margen werden allmählich so dünn wie Bibelpapier.

Wenn man den Aussagen der Escom-Offiziellen glauben will, sind die Weichen für einen Turnaround bereits gestellt. Ob es Escom mit der Unterstützung der neuen Anteilseigner allerdings schaffen wird, schon

"im laufenden Geschäftsjahr wieder eine schwarze Null ausweisen zu können" (Zitat Wirsing), wird sich zeigen. (wl)

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