Verkauf unter Einstandspreisen

17.08.2000
Das Bundeskartellamt prüft derzeit, inwieweit die bisherigen Grundsätze über das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis fortgelten sollen und wie diese zu konkretisieren sind. Hintergrund ist die wachsende Konzentration im Handel. Dies zeigt sich darin, dass zunehmend der Marktanteil mittelständischer Unternehmen verkleinert wird, während Großunternehmen Marktanteile hinzugewinnen, weiß Volker Siegel*.

Grundsätzlich ist es nicht verboten, ein Produkt unter Einstandspreis zu verkaufen. Das Bundeskartellamt hat insbesondere festgestellt, dass hier wirtschaftlich sinnvolle Überlegungen eine Rolle spielen können, zum Beispiel die Anpassung an Preise der Wettbewerber. In den letzten Jahrzehnten, also schon vor der Reform des GWB im vergangenen Jahr, ist hierzu eine Fülle von Gerichtsurteilen ergangen.

Danach ist der Verkauf unter Einstandspreis nach dem GWB nur dann verboten, wenn er dazu dient, Mitbewerber zu verdrängen oder gar zu vernichten.

Nachweis einer Schädigungsabsicht

Normalerweise muss entweder der Geschädigte oder das Kartellamt nachweisen, dass eine Schädigungsabsicht vorliegt. Das Kartellamt wird dabei selbst oder auf Anzeige hin tätig.

Es gibt aber auch Situationen, in denen eine bestimmte Preispolitik verboten werden kann, obwohl der Nachweis einer Schädigung nicht erbracht wird. Das kann schon dann der Fall sein, wenn die Gefahr besteht, dass die Mitbewerber von einem bestimmten Markt verdrängt werden und dadurch der Wettbewerb auf dem Markt völlig oder nahezu ganz aufgehoben wird, oder wenn infolge des Verkaufs unter Einstandspreis damit zu rechnen ist, dass Mitbewerber solche Preisaktionen in einem Maße nachahmen, dass dies zu einer gemeinschaftsschädigenden Störung des Wettbewerbs führt.

Das Kartellamt hatte bisher für die Feststellung der Voraussetzungen auf die Kriterien Marktlage, Stärke und Dauer der Aktion und Auswirkungen auf den Markt (sowohl unmittelbar als auch mittelbar) abgestellt. Es wurde dabei eine Gesamtschau vorgenommen, aufgrund derer entschieden wurde, ob die Aktion erlaubt ist oder nicht.

Maßgebend war nach der Rechtsprechung für die Unlauterkeit ein objektiver Befund: Unlauterkeit sollte dann gegeben sein, wenn

- ein Unternehmen ständig die Wettbewerber mit nicht leis-tungsgerechten Preisen unter dem Einstandspreis unterbietet

- ohne sachlich gerechtfertigten Grund

- und dies geeignet ist, die Mitbewerber unmittelbar zu behindern,

- ohne dass es Folge eines echten Leistungsvergleichs ist,

- und dadurch der Bestand des Wettbewerbers auf einem bestimmten Markt gefährdet wird.

Seit der Novelle des GWB im vergangenen Jahr prüft das Kartellamt, ob ein beanstandungswürdiger Verkauf unter dem Einstands- preis vorliegt, anhand des neu geschaffenen § 20 Abs. 4 S. 1 und 2 GWG (siehe Kasten). Hiernach werden alle preiswirksamen Konditionen, die ihren Grund in den Lieferverträgen haben, in die Berechnung einbezogen. Hierzu zählen vor allem folgende jetzt veröffentlichte Kriterien:

- Jahresvergütungen

- zusätzliche warenbezogene Vereinbarungen, die im Laufe eines Jahres getroffen werden

- Skonti, Rabatte, pauschal gewährte Konditionen, Werbekos-tenzuschüsse, Verkaufsförderungsentgelte

Erstaunlich ist in diesem Fall, dass das Bundeskartellamt bei der Gesetzesänderung im vergangenen Jahr für den Fall des Verkaufens unter Einstandspreis ausdrücklich erklärt hatte, dass Intepretation und Lösung dieses Problems von der Praxis und der Rechtsprechung entwickelt werden sollen. Nachdem nur wenige Fälle aufgetreten waren und ein Gerichtsverfahren anhängig wurde, hat die Behörde jetzt selbst Leitlinien veröffentlicht.

*Volker Siegel ist Rechtsanwalt in München. E-Mail: v.f.siegel@gmx.de

Recht konkret

Wann ist Verkauf unter Einstandspreis erlaubt?

Ein Verstoß gegen § 20 Abs. 4 GWB liegt bei folgenden Tatbestandsmerkmalen vor:

Ein Unternehmen mit gegenüber kleinen und mittleren Wettbewerbern überlegener Marktmacht nutzt seine Marktmacht dazu aus, solche Wettbewerber unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern.

Eine unbillige Behinderung liegt insbesondere vor, wenn ein Unternehmen Waren oder gewerbliche Leistungen nicht nur gelegentlich unter Einstandspreis anbietet. Keine unbillige Behinderung liegt vor, wenn das Angebot unter Einstandspreis sachlich gerechtfertigt ist. Das können zum Beispiel Konkurrenzangebote oder der Verkauf von Ladenhütern sein. (Volker Siegel)

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