Verschärfte Publizitätspflicht: Mittelstand muss Farbe bekennen

27.01.2000
Nach dem Willen des Gesetzgebers müssen in Zukunft auch diejenigen Unternehmen ihre Zahlen veröffentlichen, die bislang davon verschont waren. Richard Hempe* erläutert die Einzelheiten.

Kurz vor Ende des Jahres 1999 hat der Bundestag noch das "Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz" (Kapcorilig) verabschiedet, das voraussichtlich zwar erst im Februar oder März in Kraft treten wird, aber bereits auf die Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 1999 erstmals anzuwenden ist. Die Konsequenzen dürften gerade für mittelständische Unternehmen erheblich sein. Die Öffentlichkeit hat - wohl hauptsächlich wegen der Bezeichnung des Gesetzes - bisher von der Neuregelung kaum Notiz genommen, obwohl es allein zirka 100.000 betroffene GmbH & Co KGs in Deutschland gibt.

Der Schwerpunkt des Kapcorilig liegt allerdings darauf, die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften in weitem Umfang durchzusetzen. Bislang war es gängige Praxis, dass nur ein kleiner Teil der deutschen Kapitalgesellschaften seine Jahresabschlüsse veröffentlichte, obwohl dies für alle GmbHs und AGs gesetzlich vorgeschrieben ist. Das insbesondere im mittelständischen Bereich bisher weit verbreitete "Geheimhalten" der Bilanz- und Ergebniszahlen dürfte damit schon für die Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 1999 ein jähes und vielfach unvorbereitetes Ende finden.

Die Gesetzesänderung basiert auf zwei Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die Bundesregierung wurde dadurch verpflichtet, zum einen für die Durchsetzung der Offenlegung von Jahresabschlüssen bei GmbHs und AGs zu sorgen und zum anderen GmbH & Co KGs wie Kapitalgesellschaften (GmbHs und AGs) zu behandeln, da Deutschland in beiden Fällen gegen verbindliches EU-Recht verstößt. Da beides schon lange strittig war, musste die Bundesregierung jetzt sehr rasch die Gesetzesänderungen in die Wege leiten.

Jeder kann Einblick nehmen

Grundsätzlich sind Kapitalgesellschaften schon seit Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes (vor 13 Jahren) verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse einschließlich Anhang (mit zahlreichen Pflicht-Texterläuterungen) und Lagebericht beim Handelsregister zu hinterlegen, große Kapitalgesellschaften müssen zusätzlich den Jahresabschluss im Bundesanzeiger veröffentlichen. Das Registergericht konnte bislang nur auf Antrag eines Gläubigers (der in der Praxis äußerst selten den Weg zum Registergericht fand) die Vorlage des Jahresabschlusses verlangen. Erst mit diesem Antrag konnte das Registergericht gegen die Geschäftsführer ein Zwangsgeld von bis zu 10.000 Mark verhängen. Wurde tatsächlich einmal ein Unternehmen zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses aufgefordert, konnte sich dieses - in der Regel erfolgreich - dagegen wehren, indem es das Registergericht im Gegenzug dazu aufforderte, den antragstellenden Gläubiger zu nennen.

Dementsprechend veröffentlichte bislang nur ein kleiner Teil der deutschen Kapitalgesellschaften seine Jahresabschlüsse. Insbesondere im mittelständischen Bereich wurden die Bilanz- und Ergebniszahlen sowie der Lagebericht des Unternehmens - nicht zuletzt aus Schutz vor Konkurrenten - "geheim gehalten". Dies wird allerdings nun durch die Neuregelungen des Kapcorilig schon für die Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 1999 nicht mehr möglich sein.

Mit Inkrafttreten des Kapcorilig muss das Registergericht künftig auf Antrag einer völlig beliebigen Person (sogenannte "Jedermann-Verfahren") tätig werden und vom betroffenen Unternehmen die Offenlegung der Jahresabschlüsse verlangen. Um eine Verschleppung der Offenlegung zu verhindern, muss das Registergericht zusammen mit der Aufforderung den Geschäftsführern ein Ordnungsgeld zwischen 5.000 und 50.000 Mark androhen, falls der Aufforderung zur Offenlegung nicht innerhalb von sechs Wochen Folge geleistet wird. Nach Verstreichen dieser Frist ist das Ordnungsgeld nicht mehr abwendbar, die Registergerichte sind nach dem Gesetzeswortlaut gehalten, das Ordnungsgeld nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist "unverzüglich" festzusetzen und gleichzeitig weitere (und gegebenenfalls höhere) Ordnungsgelder anzudrohen.

Die Konsequenzen des Jedermann-Verfahrens sind derzeit noch nicht absehbar. Bei mittelständischen Unternehmen wird es dadurch sicherlich weit mehr Transparenz als bisher geben. Zukünftig können zum Beispiel auch Auskunfteien, Banken, Konkurrenten, Lieferanten und Mitarbeiter die Offenlegung verlangen.

Verlängert wurde in der abschließenden Gesetzesfassung lediglich noch die Frist für die Vorlage der Jahresabschlüsse beim Handelsregister. Künftig müssen alle Kapitalgesellschaften innerhalb von zwölf Monaten nach ihrem Bilanz-Stichtag ihre Jahresabschlüsse beim Handelsregister einreichen. Für die Jahresabschlüsse 1999 wird sich somit ab Januar 2001 erstmals zeigen, wie rasch und einschneidend die neuen Offenlegungs-Bestimmungen greifen werden. Grundsätzlich ist jedoch kein offenlegungspflichtiges Unternehmen davor sicher, dass nicht irgend jemand den Antrag auf Offenlegung stellt und daraufhin innerhalb von sechs Wochen der Jahresabschluss offengelegt werden muss. Bei betroffenen mittelständischen Unternehmen, deren Produktions- und Geschäftsabläufe zum Teil überschaubar sind, herrscht erhebliche Verunsicherung und Angst vor geschäftlichen Nachteilen, wenn sie sich mit der Tragweite der neuen Bestimmungen befassen.

Dies dürfte aber noch keineswegs der Endstand der Offenlegung von Unternehmensdaten sein. Reichte es bislang aus, den Anforderungen zur Offenlegung des Jahresabschlusses und Lageberichts durch Einreichung der Schriftstücke Genüge zu tun, können zukünftig die Landesregierungen auch die Einreichung der Abschlüsse und Lageberichte in einer maschinell lesbaren und bearbeitbaren Form verlangen. Dies wird mittelfristig zur Folge haben, dass die eingereichten Dokumente über Internet oder vergleichbare Medien zugänglich gemacht werden können. Eine aufwändige Reise zum Registergericht des Unternehmenssitzes wäre dann nicht mehr erforderlich, in anderen EU-Ländern sind derzeit schon CDs mit den veröffentlichten Jahresabschlüssen von Kapitalgesellschaften im Handel erhältlich. Man muss sich unter diesen Umständen zusätzlich darüber im Klaren sein, dass alle einmal zum Handelsregister eingereichten Angaben dort nicht mehr wegzubekommen und dauerhaft für jedermann zugänglich sind.

Die neuen Offenlegungs-Bestimmungen sind erstmals auf alle Jahresabschlüsse nach dem 31. Dezember 1998 anzuwenden, für die Jahre 1998 und früher bleibt es beim bisherigen Verfahren. Vergleichbare Regelungen (zum Teil mit Anforderung der Jahresabschlüsse von Amts wegen) mit weitreichender Publizität gibt es bereits in anderen Ländern der Europäischen Union, zum Beispiel Österreich.

Folgen für GmbH & Co KGs

Der zweite Schwerpunkt des Kapcorilig betrifft Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person voll haftet, in aller Regel sind dies GmbH & Co KGs. Neben der steuerlichen Begünstigung hatte diese Rechtsform bis jetzt vor allem den Vorteil, dass sie nur den einfachen und sehr großzügigen Buchführungs-Pflichten für Einzelkaufleute unterlag und nicht zur Veröffentlichung verpflichtet war.

Insbesondere bei Familiengesellschaften und Vermögensanlage-Gesellschaften erfreute sich die GmbH & Co KG dadurch wachsender Beliebtheit. Durch Einfügung eines neuen § 264a ins HGB gilt die GmbH & Co KG erstmals mit Jahresabschlüssen ab 2000 (also noch nicht zum 31. Dezember 1999) als Kapitalgesellschaft und hat ihre Buchführung, die Bewertung ihres Vermögens und den Jahresabschluss einschließlich Anhang und Lagebericht wie eine Kapitalgesellschaft aufzustellen. Damit fällt dann auch die GmbH & Co KG unter die vorher dargelegte Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses. Bei Überschreitung bestimmter Größenklassen-Merkmale müssen die Gesellschaften durch einen Wirtschaftsprüfer geprüft werden. Dadurch muss einem Außenstehenden zusätzlich ein detaillierter Einblick in die Gesellschaft gewährt werden. Bei größeren GmbH & Co KGs mit Beteiligungen an anderen Unternehmen können darüber hinaus auch die Aufstellung eines Konzern-Abschlusses und dessen Veröffentlichung dazukommen. Damit wird zukünftig eine Reihe bislang in der Öffentlichkeit nicht bekannter Beteiligungs-Verhältnisse aufgedeckt werden müssen.

Hauptbetroffener ist der Mittelstand

Das Kapcorilig wird gerade für mittelständische Unternehmen, Familienbetriebe und Neugründungen, die bislang ihre Interna weitgehend vertraulich behandelt haben und vielfach nicht einmal der eigenen Hausbank umfassenden Einblick gewährt haben, große Veränderungen bringen, wenn zum Beispiel künftig Mitarbeiter, Geschäftspartner oder Wettbewerber sich jederzeit beim Handelsregister in den Jahresabschluss Einblick verschaffen können. Vorbereitungen, sich auf diese Situation einzustellen, sind bislang weder bei den Unternehmen noch bei den Beratern zu verzeichnen. Nachdem bis jetzt dem Aspekt der Offenlegung bei der Aufstellung der Jahresabschlüsse wenig Bedeutung zukam, dürften bei der erstmaligen Veröffentlichung der betreffenden Jahresabschlüsse einerseits in vielen Fällen mehr Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage wie auch über die zukünftige Lage des Unternehmens an die Öffentlichkeit gelangen als eigentlich gesetzlich gefordert ist. Andererseits werden sicherlich auch eine ganze Reihe von Jahresabschlüssen veröffentlicht werden, die nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen und dadurch eventuell weitere Schritte der Registergerichte auslösen. Für Interessierte bestehen damit insgesamt gute Aussichten, zukünftig deutlich mehr und wesentlich bessere Informationen über mittelständische Unternehmen zu erhalten als bisher.

*Diplom-Kaufmann Richard Hempe ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Dachau bei München.

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