Videoüberwachung verletzt Persönlichkeitsrechte

29.11.2001
Eine nicht durch vorrangige betriebliche Interessen gerechtfertigte und ohne Zustimmung des Betriebsrats durchgeführte Videoüberwachung ist ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers.

A ist im Unternehmen B als Food-Controller im Lebensmittellager beschäftigt. Er ist Mitglied des Betriebsrats. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass zumindest für einen Zeitraum von zwei Monaten eine Videoanlage im Lebensmittellager installiert war. Diese Anlage war auf den Ein- bzw. Ausgang des Lebensmittellagers ausgerichtet, konnte aber Teile des Lebensmittellagers einfangen. Da die Installation ohne Mitbestimmung des Betriebsrats stattgefunden hatte, haben die Parteien einen Vergleich dahingehend abgeschlossen, dass eine Videoüberwachung nicht ohne Einhaltung eines betrieblichen Mitbestimmungsverfahrens stattfinden wird. Der klagende Arbeitnehmer meint, ihm stehe wegen der schwerwiegenden und nachhaltigen Persönlichkeitsrechtsverletzung ein Schmerzensgeldanspruch zu.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hielt die Klage für begründet. Das Unternehmen schuldet dem Arbeitnehmer 1.300 Mark Schmerzensgeld, weil es rechtswidrig und schuldhaft in das Persönlichkeitsrecht des A eingegriffen hat. Eine Videoüberwachung ermöglicht die ununterbrochene und praktisch unbegrenzte Ermittlung, Aufzeichnung, Verarbeitung sowie jederzeitige Abrufbarkeit von Informationen über den Arbeitnehmer und macht ihn zum Gegenstand einer anonymen, häufig von ihm nicht wahrzunehmenden Kontrolle, der er sich nicht entziehen kann. Daher liegt grundsätzlich in jeder Überwachungseinrichtung, mit der auch die Tätigkeit von Arbeitnehmern überwacht wird, ein Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht vor. Dieser Eingriff kann aber durch überwiegende betriebliche Interessen gerechtfertigt sein. Hier ist es zu einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung gekommen, da die Videoüberwachungsanlage nahezu zwei Monate den Arbeitsbereich des A überwacht hat, ohne dass dieser den Eingriff in seine Eigensphäre bemerkt hat. Die Einwendungen des Unternehmens, es sei nur der Ein- beziehungsweise Ausgang des Lagerbereiches überwacht worden, und dies nur außerhalb der Arbeitszeiten des A, überzeugten das Gericht nicht. Denn es konnten auch Teile des Arbeitsbereiches des A mitbeobachtet werden, und dies geschah auch mindestens an einem Tag während der Arbeitszeit des A. Auch die Rechtfertigung der Überwachung aufgrund von Diebstählen in der Vergangenheit konnte nichts an der Beurteilung eines rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtseingriffs ändern, da sich daraus keine nachvollziehbare Grundlage für den Videokameraeinsatz entnehmen ließ und der Einsatz ohne die Zustimmung des Betriebsrates rechtswidrig war.

Anders dagegen verhält es sich, wenn aus Sicherheitsgründen beispielsweise Bankschalter, Tresorräume, Lager wertvoller Stoffe oder kerntechnische Anlagen im Rahmen des Erforderlichen durch Fernsehkameras beobachtet und damit zugleich die dort tätigen Arbeitnehmer überwacht werden (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Az. 18 Ca 4036/00).

Die Autoren Robert Niedermeier und Verena van der Auwera sind Mitglieder der E-Business-Gruppe bei Pricewaterhouse Coopers Veltins Rechtsanwaltgesellschaft mbH in München.

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